bereits 1873 erstmals für das gesamte Staatsgebiet eine gesetzliche Regelung getroffen, diese war nicht mehr thematisch auf einzelne Zusammenarbeitsfelder beschränkt und enthielt bereits Vorschriften für das Verbandsstatut und die Verbandsumlage.
II. Preußische Landgemeindeordnungen 1891, 1892 und 1897
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Einen vergleichbaren Regelungsstandard erreichte Preußen erst mit den Landgemeindeordnungen von 1891, 1892 und 1897[12]. Darin wurde zwischen Frei- und Pflichtverbänden unterschieden und detaillierte Regelungen über den Inhalt der Verbandssatzungen getroffen. Allerdings fehlte es in den übrigen Provinzen weiterhin an entsprechenden Regelungen und eine Kooperation von Stadtgemeinden untereinander war nicht vorgesehen. Außerdem beschränkte das preußische Recht die Zusammenarbeit auf benachbarte Kommunen und den so entstandenen Verbänden wurde die Rechtsfähigkeit nur nach entsprechender Konzessionierung erteilt.
III. Preußisches Zweckverbandsgesetz 1911
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Einen bedeutenden Regelungsfortschritt stellte im Vergleich dazu das Zweckverbandsgesetz von 1911 dar, das erstmals preußenweit einheitlich galt[13]. Darin wurde den Verbänden ipso iure die Rechtsfähigkeit zuerkannt, es sei denn, eines der Mitglieder besaß nicht uneingeschränkt die Rechte einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft. Nunmehr konnten auch Stadtgemeinden untereinander kooperieren. Dabei erfolgte bereits kraft Gesetzes eine detaillierte Regelung der Verteilung der Rechte und Pflichten innerhalb des Verbandes. Als Ersatz für eine Zweckverbandsbildung wurde die Möglichkeit des Abschlusses einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung vorgesehen, welche in der späteren Rechtsentwicklung gleichberechtigt neben den Zweckverband trat.
IV. Sächsisches Gesetz über Gemeindeverbände 1910
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Nahezu zeitgleich mit dem preußischen Zweckverbandsgesetz erging das sächsische Gesetz über Gemeindeverbände 1910[14]. Dieses mutete angesichts der getroffenen Regelungen sehr modern an. So regelte es erstmals auch den Vorverband, bestimmte, dass jeder Verband bereits mit Genehmigung der Verbandssatzung die Rechtsfähigkeit erlangte, traf Bestimmungen über das Ausscheiden aus und die Auflösung von Verbänden, über die Nachhaftung sowie die Bildung mehrstufiger Verbände. Trotz seiner regelungstechnischen Überlegenheit strahlte dieses Gesetz gleichwohl kaum auf die Gesetzgebung in den übrigen deutschen Staaten aus.
V. Reichszweckverbandsgesetz 1939
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Eine reichseinheitliche Regelung des kommunalen Kooperationsrechts erfolgte noch nicht mit der Deutschen Gemeindeordnung 1935[15], sondern erst vier Jahre später im Reichszweckverbandsgesetz 1939[16]. Dieses von der Reichsregierung beschlossene Gesetz steht in der Tradition des preußischen ZVG und ermöglichte erstmals auch natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts die Mitgliedschaft in Zweckverbänden. Für Verbände mit hoheitlichen Aufgaben lehnten die Regelungen sich an die Vorschriften der Deutschen Gemeindeordnung an, bei wirtschaftlich tätigen Verbänden erfolgte eine Orientierung an den handelsrechtlichen Vorschriften. Das RZVG stellte als Surrogat des Zweckverbandes die öffentlich-rechtliche Vereinbarung zur Verfügung und ermöglichte die Bildung von Pflichtverbänden. Wegen des kurz nach seinem Erlass ausgebrochenen Krieges entfaltete es praktische Wirkungen erst in der Nachkriegszeit, als es als paralleles Landesrecht gemäß Art. 123 ff. GG weitergalt.
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C. Rechtsquellen des kommunalen Kooperationsrechts im Überblick
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Das kommunale Kooperationsrecht wird aus Rechtsquellen verschiedener Ebenen gespeist; es ist größtenteils zwingend, teilweise aber auch nachgiebig. Aus der Perspektive der Kooperationsform ist es teils fremd-, teils selbstgesetzt. Dabei lässt es sich in Form einer Normenpyramide darstellen[17]: An der Spitze stehen europarechtliche Bestimmungen wie Art. 4 Abs. 2 EUV und die verfassungsrechtlichen Regelungen aus Art. 28 Abs. 2 GG und den übrigen grundgesetzlichen Bestimmungen. Es folgen völkerrechtliche Verträge wie die Europäische Kommunalcharta, die gemäß Art. 59 Abs. 2 GG im Range eines einfachen Bundesgesetzes innerstaatlich gelten. Dem schließen sich die jeweiligen landesverfassungsrechtlichen Regelungen an. Sodann kommen die zwingenden landesgesetzlichen Vorschriften, vor allem in den einfachen Landesgesetzen über kommunale Gemeinschaftsarbeit bzw. kommunale Zusammenarbeit als leges speciales, ergänzt um die zwingenden Vorschriften in den jeweiligen Gemeinde- und Kreisordnungen. Darunter stehen die von den Beteiligten vertraglich vereinbarten Regelungen. Danach ist auf die nachgiebigen Vorschriften in den Landeskooperationsgesetzen sowie sonstige dispositive gesetzliche Vorschriften zurückzugreifen. Es schließen sich die von der Kooperationsform, z.B. einem Zweckverband, selbst erlassenen Regelungen an.
Zehntes Kapitel Kommunalrecht › § 65 Kommunale Zusammenarbeit › D. Verfassungsrechtliche Grundlagen
D. Verfassungsrechtliche Grundlagen
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Die kommunale Kooperationshoheit ist Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie und als solche verfassungsrechtlich sowohl durch Art. 28 Abs. 2 GG als auch durch die vergleichbaren Garantien in den Landesverfassungen geschützt[18]. Sie umfasst als positive Kooperationshoheit die Befugnis, mit anderen Kommunen zusammenzuarbeiten, als negative Kooperationshoheit das Recht, nicht zu einer solchen Zusammenarbeit gezwungen zu werden. Sie ist kein Grundrecht, weist aber strukturelle Ähnlichkeiten zu der Vereinigungsfreiheit auf. Sie kann verfassungsprozessual geltend gemacht werden durch Erhebung einer Kommunalverfassungsbeschwerde vor dem jeweiligen LVerfG oder subsidiär vor dem BVerfG; dabei können sich die Kommunen vor dem LVerfG nur auf die Garantie in der Landesverfassung berufen, vor dem BVerfG nur auf Art. 28 Abs. 2 GG.
15
Das Recht der Kommunen zur Zusammenarbeit ist zu unterscheiden von der rechtlichen Absicherung der so entstandenen Kooperationsform selbst. Diese sind in der Regel nicht verfassungsrechtlich geschützt und können nicht selbst eine Kommunalverfassungsbeschwerde erheben. Lediglich in Baden-Württemberg genießen Zweckverbände gemäß Art. 71 Abs. 1 S. 1 LV ebenfalls das Recht der Selbstverwaltung, aber auch dort haben sie keine Möglichkeit, Kommunalverfassungsbeschwerde gemäß Art. 76 LV zu erheben – ihre prozessuale Absicherung bleibt also hinter der materiellen Garantie zurück[19].
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Neben der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie gewinnen weitere verfassungsrechtliche Bestimmungen Einfluss auf das kommunale Kooperationsrecht, denn auch kommunale Zusammenschlüsse sind in gleicher Weise wie ihre Mitgliedskommunen nach Art. 20 Abs. 3 GG an höherrangiges Recht und insbesondere gemäß Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden.
17
Finanzverfassungsrechtlich nehmen die kommunalen Kooperationsformen keine besondere Stellung ein, sondern sie partizipieren vor allem durch die Verbandsumlage an ihren Mitgliedskommunen. Im Finanzausgleich werden sie vor allem bei Bedarfszuweisungen berücksichtigt, soweit sie von ihren Mitgliedskommunen Aufgaben übernehmen und insoweit an deren Stelle treten.
18
Hinsichtlich der übrigen an kommunalen Zusammenschlüssen Beteiligten fehlt es an ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Regelungen,