anwesend sei, als wäre die Wählerschaft das „Volk“ und als wäre das Referendum nicht ein komplexes Verfahrenskonstrukt, das dem „Volk“ ermögliche, durch die Wählerschaft eine Entscheidung unter Einwirkung des Rechts zu treffen. Das Urteil ist Teil einer Mythologie der Volkssouveränität, die in Frankreich im Grunde seit der Revolution gepflegt wird.
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General de Gaulle hat ein zweites Mal auf das von Art. 11 CF vorgesehene Referendum zurückgegriffen, um eine Verfassungsreform in die Wege zu leiten. Das Referendum vom 27. April 1969 stellte sich als Fehlschlag heraus und hatte de Gaulles sofortigen Rücktritt von seinem Amt zur Folge. Die bisweilen vertretene Ansicht, wonach diese beiden Erfahrungen einen Verfassungsbrauch hervorgebracht hätten, der die Anwendung des Art. 11 CF zu Zwecken der Verfassungsänderung gestatten würde, scheint nicht haltbar. Zum einen gibt es nur zwei Präzedenzfälle, zum anderen stimmen die beiden Fälle nicht überein; schließlich setzt oben genannte Ansicht auch die Möglichkeit voraus, dass sich Verfassungsgewohnheitsrecht contra constitutionem herausbildet. Aus diesem Grund ist es wohl richtig, sich mit der Feststellung zu begnügen, dass der Conseil constitutionnel nach gegenwärtiger Rechtsprechungslage den Weg zu verfassungswidrigen Verfassungsänderungen offen lässt.
c) Die Grenzen der Verfassungsänderung
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In den Absätzen 4 und 5 des Art. 89 CF sind Schranken hinsichtlich der Umstände und des Inhalts von Verfassungsänderungen normiert. Die erste Vorschrift verbietet Einleitung und Durchführung von Änderungsverfahren, wenn die Integrität des Staatesgebietes gefährdet ist. Erinnert sei an ein ähnliches Verfassungsgesetz vom 10. Juli 1940, das Marschall Pétain nach der Niederlage der französischen Armee eine Generalvollmacht erteilte.[116] Laut der zweiten Vorschrift kann die „republikanische Regierungsform“ in keinem Fall Gegenstand einer Verfassungsänderung sein. Es handelt sich um die einzige expressis verbis geregelte materielle Schranke der Verfassungsänderung.[117]
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In seiner Entscheidung vom 2. September 1992 (Maastricht II)[118] hat der Conseil constitutionnel zum ersten Mal die Schranken der Verfassungsänderung erwähnt. „Die verfassunggebende Gewalt ist souverän“, bestätigt der Conseil constitutionnel; allerdings „unter dem Vorbehalt“ der in der Verfassung verankerten umstandsbedingten und materiellen Schranken. Indes handelt es sich hierbei um ein obiter dictum. Das Urteil hat seinerzeit zahlreiche Stellungnahmen von Seiten der Lehre nach sich gezogen und wurde als Anzeichen gedeutet, dass der Conseil constitutionnel implizit seine Zuständigkeit für die Kontrolle von Verfassungsänderungsgesetzen bestätigt habe. Dies verkennt allerdings, dass der Conseil constitutionnel sich lediglich zum materiellen Recht geäußert hat, in keiner Weise jedoch zur Frage nach seiner Zuständigkeit. Auch wurde vernachlässigt, was der Conseil constitutionnel in einer unmittelbar danach verkündeten Entscheidung, in einem weiteren obiter dictum, präzisiert hat: Seine Zuständigkeit sei „von der Verfassung scharf umgrenzt“; Art. 61 CF ermächtige den Conseil insofern nur, die Verfassungsmäßigkeit „von Organgesetzen und einfachen Gesetzen“ zu beurteilen, was seine Zuständigkeit für Verfassungsgesetze, sogar parlamentarische Verfassungsgesetze, recht eindeutig ausschließt.[119] Die Frage nach der Zuständigkeit des Conseil constitutionnel für Verfassungsgesetze wurde erst 2003 endgültig geklärt: Unter Rückgriff auf die prägenden Worte des obiter dictums vom 23. September 1992 schloss der Conseil constitutionnel seine Zuständigkeit aus.[120] Verfassungsgesetze, gleich ob per Referendum angenommen oder vom Parlament, sind also jeglicher gerichtlichen Kontrolle entzogen. Diese Entscheidung bestätigt im Grunde die Tradition, die seit der Dritten und Vierten Republik Wurzeln schlägt, der zufolge kein wesentlicher Unterschied zwischen Verfassung und Verfassungsgesetz, zwischen Verfassunggebung und Verfassungsänderung besteht.[121]
§ 2 Grundlagen und Grundzüge staatlichen Verfassungsrechts: Frankreich › III. Die Struktur des Verfassungssystems
III. Die Struktur des Verfassungssystems
§ 2 Grundlagen und Grundzüge staatlichen Verfassungsrechts: Frankreich › III. Die Struktur des Verfassungssystems › 1. Die Verfassungsgewalten
a) Die Exekutivorgane
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Ob man von „vollziehender Gewalt“ oder von „Regierungsgewalt“ spricht, ist wahrscheinlich nur Geschmacksache.[122] Vorzugswürdiger wäre es vielleicht, im Bereich der „vollziehenden Gewalt“ zwischen einer Regierungsfunktion und einer Verwaltungsfunktion zu unterscheiden. Diese Unterscheidung bleibt auch nicht ohne positivrechtliche Folgen, da – grob gesagt – die im Rahmen der Regierungsfunktion getroffenen Maßnahmen („actes de gouvernement“), im Unterschied zu den funktional als Verwaltungsakte zu betrachtenden Maßnahmen der Exekutive, vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit grundsätzlich nicht anfechtbar sind. Aus institutioneller Sicht, die hier als Bezugspunkt dienen soll, ist es umso wichtiger hervorzuheben, dass der Staatschef nicht nur Teil, sondern auch Akteur der vollziehenden Gewalt ist.
aa) Der Staatschef[123]
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Die Wahl. Seit dem Verfassungsgesetz vom 6. November 1962 wird der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt. Dieses Wahlverfahren soll der Legitimität eines aktiven Staatschefs dienen. Diesem Ziel entsprechend wurde das aus zwei Wahlgängen zusammengesetzte Wahlverfahren in einer Form ausgestaltet, die garantieren soll, dass der Präsident mit absoluter Mehrheit bestimmt wird. Am zweiten Wahlgang nehmen die zwei nach dem ersten Wahlgang bestplatzierten Kandidaten teil. In Hinblick auf die hierdurch bezweckte Legitimation ist das System allerdings nur bedingt befriedigend. In der Tat ist auch das Ergebnis des ersten Wahlgangs für die Legitimation des gewählten Präsidenten von großer Bedeutung. Die Legitimität eines Präsidenten, der in diesem ersten Wahlgang nur eine dürftige Zahl an Stimmen erlangen konnte, ist selbst dann nicht hinreichend sichergestellt, wenn er am Ende mit absoluter Mehrheit gewählt wird. Die Wahl von 2002 statuierte in dieser Hinsicht ein Exempel. Dem Wahlsieger kam die abgrundtiefe Ablehnung zugute, mit der die Öffentlichkeit seinem rechtsradikalen Konkurrenten begegnete; etwa 82% der Stimmen konnte er auf seinen Namen vereinigen. Allerdings zeugt ein solches Votum der Wählerschaft nicht eben von Zustimmung zum politischen Programm eines Kandidaten, der im ersten Wahlgang weniger als 20% der abgegebenen Stimmen (i.e. weniger als 14% der Wahlberechtigten) auf sich vereinigen konnte.
Diese Situation war die Folge einer enormen Zahl an Kandidaten. Auf insgesamt 16 Kandidaten konnten sich die Stimmen der Wählerschaft regelrecht zersplittern.[124] Gegen einen solchen Drift des Wahlsystems hatte der Gesetzgeber schon 1962 versucht, Vorkehrungen zu treffen, wonach jede Kandidatur von Gewählten (Senatoren, Abgeordneten, lokalen Vertretern) „vorgestellt“ (présenté) werden musste. Nachdem sich 1974 zwölf Kandidaten zur Wahl gestellt hatten, wurde die Zahl erforderlicher „Vorstellungen“ von 100 auf 500 erhöht.[125] Dennoch hat das System im Jahr 2002 seine evidente Unzulänglichkeit unter Beweis gestellt.
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Seit 1988 unterliegt die Wahlkampffinanzierung gesetzlichen Rahmenvorschriften. Die Ausgaben der Kandidaten sind begrenzt und werden – wie die Einnahmen auch – auf ihre Herkunft geprüft. Alle Kandidaten erhalten einen staatlichen Zuschuss und ein Teil der darüber hinausgehenden Wahlkampfkosten wird je nach Ergebnis des Kandidaten vom Staat zurückerstattet. Auch müssen alle Kandidaten alle den Wahlkampf betreffenden Finanzbewegungen in einem Budget darlegen und Rechenschaft vor dem Conseil constitutionnel ablegen. Dieser kann im Falle unrichtiger Informationen das Budget ablehnen, was zur Folge hat, dass die Wahlkampfkosten dem Betroffenen nicht erstattet