Josef Parzinger

Falltraining Insolvenzrecht


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Die in den nächsten drei Wochen verfügbare Liquidität und die fälligen Verbindlichkeiten werden gegenübergestellt. Es ist umstritten, ob nur die Verbindlichkeiten berücksichtigt werden, die am Beginn der Drei-Wochen-Periode fällig waren (Bugwellentheorie), oder ebenso die Verbindlichkeiten, die während der drei Wochen fällig werden.

      Ausnahme 1: Keine Zahlungsunfähigkeit, wenn die Deckungslücke weniger als 10 % beträgt. Es handelt sich dann um eine bloße Zahlungsstockung. Allerdings liegt dennoch Zahlungsunfähigkeit vor, wenn die Lücke demnächst mehr als 10 % betragen wird. Der Prüfungszeitraum wird dann verlängert.

      Ausnahme 2: Keine Zahlungsunfähigkeit, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Liquiditätslücke bald (vollständig) geschlossen wird und den Gläubiger das Zuwarten zugemutet werden kann.

      Ausnahme 3: Keine Fälligkeit und damit unter Umständen keine Zahlungsunfähigkeit, wenn die Forderung nicht „ernsthaft eingefordert“ wird.

      Von Gläubigern geltend gemachte Ansprüche sind grundsätzlich in die Betrachtung einzustellen. Nur bei objektiv nachvollziehbaren Einwendungen unterbleibt die Einbeziehung. Es sollen also auch Forderungen berücksichtigt werden, gegen die der Schuldner nur schlecht begründete Einwendungen vorgeschoben hat.

       b) Drohende Zahlungsunfähigkeit

      Die drohende Zahlungsunfähigkeit wird in der zum 1.1.2021 geänderten Fassung des § 18 II InsO wie folgt definiert: „Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. In aller Regel ist ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen.“

       c) Überschuldung

      1. Prüfungsstufe: Fortbestehungsprognose: Im Grunde ist die Fortbestehungsprognose wiederum ein Test der Zahlungsfähigkeit. Es muss wahrscheinlich sein, dass die Gesellschaft bis zum Ende des kommenden Geschäftsjahres (Zeitraum umstritten) zahlungsfähig ist.

      Anmerkungen

       [1]

      Siehe Übungsfall 6.

       [2]

      Bis zum 1.1.2021 war dies § 64 S. 1 GmbHG und für die AG §§ 92 II 1, 93 II, III Nr. 6 AktG. Seitdem rechtsformneutral in § 15b InsO normiert.

       [3]

      Vgl. BGH, ZIP 2007, 1265; BGH ZIP 2010, 368; zu § 266 StGB siehe BGH ZIP 2008, 1229.

       [4]

      Bis zum 1.1.2021 war dies § 64 S. 3 GmbHG und für die AG §§ 92 II 3, 93 II, III Nr. 6 AktG.

       [5]

      Für den Vorstand der AG: § 93 II, III Nr. 1 AktG.

       [6]

      Vgl. Zimmermann, Grundriss des Insolvenzrechts, 11. Aufl. 2018, Rn. 44 ff.

       [7]

      Durch den BGH mit Urteil vom 24.5.2005 (NZI 2005, 547) ausgestaltet (Drei-Wochen-Frist in Anlehnung an § 64 S. 1 GmbHG a.F., jetzt § 15a Abs. 1 InsO). Weiter konkretisiert mit Entscheidung vom 12.10.2006, (NZI 2007, 36, 37 f.; Verzicht auf Liquiditätsbilanz) und Beschluss vom 19.7.2007 (NZI 2007, 579, Wiedereinführung des „ernsthaften Einforderns“). Künftig Feststellung durch den IDW ES 11 Standard, der den IDW PS 800 ersetzt. Die IDW Standards sind Leitlinien im Rang einer Kommentierung, die durch den Fachausschuss Sanierung und Insolvenz des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) herausgegeben werden. Zu offenen Fragen bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit siehe Parzinger/Lappe/Meyer-Löwy, ZIP 2019, 2143.

       [8]

      Vgl. Westermann, NZG 2015, 134.

       [9]

      Vgl. Zimmermann, Grundriss des Insolvenzrechts, 11. Aufl. 2018, Rn. 47 f.

       [10]

      Feststellung durch den IDW ES 11 Standard, der den IDW St/FAR 1/1996 ersetzt hat.

      Einige Fragen zur Einführung in die InsO – Teil 2Lösung Fragen 11 – 20 › 15. Wann kann ein Rangrücktritt die Überschuldung beseitigen?

      15. Wann kann ein Rangrücktritt die Überschuldung beseitigen?

      Ein Rangrücktritt, der die Anforderungen des § 39 II InsO berücksichtigt, führt dazu, dass die im Rang zurückgetretene Verbindlichkeit nicht länger in die Liquidationsbilanz zur Feststellung der bilanziellen Überschuldung eingestellt werden muss.

      § 19 II 2 InsO sagt: „Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berücksichtigen.“

      Beispiel:

      Die Rangrücktrittserklärung, die der wichtigen BGH Entscheidung vom 5.3.2015 zugrunde lag, lautete wie folgt: