Mensch) vgl. o. § 1 III und (bezüglich des „anderen“) § 1 V. Die Mittel der Tat sind grundsätzlich gleichgültig. Handlung ist Verursachung des Todes, daher nicht nur aktiv, sondern bei entsprechender Garantieverpflichtung auch durch Unterlassung begehbar (so RG 66, 71: Nichthinderung der Kindestötung seitens des Verlobten der Täterin – in der Konstruktion freilich zweifelhaft; BGH GA 68, 336: Nichthinderung der Tötung des Kindes durch den Ehemann, allerdings entsprechend den allgemeinen Grundsätzen nur bei Kenntnis der Handlungsfähigkeit; BGH JZ 73, 173: Totschlag dadurch, dass der Vater seine Kinder nicht aus dem Fenster des brennenden Hauses geworfen hatte!).
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Auch in mittelbarer Täterschaft kann Totschlag begangen werden. Praktisch bedeutsam ist dies bei Veranlassung eines Unfreien zum Selbstmord (vgl. o. § 1 Rn. 20). Zum „Täter hinter dem Täter“ BGH 35, 347; 40, 218 m.Anm. Schroeder JR 95, 177. Allgemein anerkannt ist ferner die Möglichkeit, Totschlag durch dolosen Missbrauch der staatlichen Rechtspflege zu begehen, so durch falsche Verdächtigung (BGH 3, 110), wissentliche Einleitung einer unbegründeten Strafverfolgung oder durch einen entsprechenden Akt der Rechtsbeugung wegen mit Todesstrafe bedrohter Handlungen (vgl. AT II § 48 Rn. 29). Alle diese Fälle sind Erscheinungsformen der mittelbaren Täterschaft unter Einschaltung eines rechtmäßig-gutgläubig handelnden Werkzeuges (der Verfolgungs-, Spruch- und Vollstreckungsbehörden). Das Problem beginnt erst dort, wo die Anzeige (bzw. die Strafverfolgung) an eine tatsächlich begangene Handlung anknüpft, deren Strafbarkeit nur durch das positive Recht eines als unsittlich oder kriminell erkannten Staates begründet ist, von der „Rechtsidee“ aber abgelehnt wird. Damit wird die Beurteilung dieser Fälle zugleich zu einem Problem der Rechtsgeltung[13]. Ihr unterlag insbesondere die strafrechtliche Liquidationsmasse des Nationalsozialismus; jedoch werfen auch moderne Unrechtssysteme ähnliche Probleme auf.
a) Objektiv tatbestandsmäßig ist die (unmittelbar oder mittelbar durch Denunziation usw. herbeigeführte) Tötung aufgrund solcher Bestimmungen, die nicht einmal nach dem jeweiligen Verfassungsrecht als formell geltende Rechtsquellen anerkannt werden können. Hierher gehören die nicht publizierten „Führerbefehle“ zur Massentötung Geisteskranker[14], interne Anweisungen zur Aufstellung „fliegender Standgerichte“ oder zur Vernichtung von Juden und sonstigen KZ-Insassen (BGH 2, 234; 3, 357). Vielfach scheitert indes in diesen Fällen eine Bestrafung am unvermeidbaren Mangel des Unrechtsbewusstseins, so wenn der eine Hinrichtung Vornehmende die Gestapostelle als zur Verhängung von Todesurteilen zuständig betrachtete (BGH JZ 51, 234).
b) Lagen dagegen formell gültige Normen vor, wie z.B. die RundfunkVO vom 1.9.1939, die VolksschädlingsVO vom 5.9.1939, die GewaltverbrecherVO vom 5.12.1939, die KriegssonderstrafrechtsVO vom 17.8.1938, die Polen- und JudenstrafrechtsVO vom 4.12.1941, die Staats- und Systemschutzbestimmungen der DDR, so ist eine weitere Unterscheidung geboten. Entspricht die Tötung des Schuldigen in ihren materiellen Voraussetzungen rechtsstaatlichen Anforderungen an ein Todesurteil (was z.B. bei Fahnenflucht und einzelnen Gewaltverbrechen angenommen werden kann), so sind die entsprechenden Tötungsbefehle und Akte rechtmäßig, und auch bei verwerflichen Motiven des Denunzianten wird seine Haftung wegen mittelbarer Täterschaft oder Teilnahme regelmäßig entfallen (Schroeder Täter 98 m. Nachw.). Anders dagegen, wenn die Anwendung des positiven Rechts sich zum „unveräußerlichen Kernbereich des Rechts“ (BGH 2, 237) in Widerspruch setzt, die „Würde der menschlichen Persönlichkeit“ (BGH 3, 363) in krasser Weise verletzt oder die Wahrung äußerer gerichtlicher Formen zur Ausübung offensichtlicher Willkürakte ausnützt (BGH 9, 302; 41, 317). In solchen Fällen sind die Urteile und Tötungen rechtswidrig. Sie können die Haftung nicht nur der sie anordnenden und vollstreckenden Organe (BGH 2, 173), sondern auch des Denunzianten begründen, und zwar je nach Sachlage als mittelbarer Täter[15] oder auch als Gehilfe (BGH 4, 66). Wenn der Tötungsakt die von BGH 2, 237 und 3, 363 gezogenen Grenzen (krasse Missachtung der Menschenwürde) überschreitet, kann sich der Denunziant in der Regel auf die Unvermeidbarkeit seines Verbotsirrtums nicht berufen. Über die Denunziation gegenüber Unrechtsregimen s. auch § 241a (u. § 15 IV).
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2. Der subjektive Tatbestand des Totschlages begnügt sich mit bedingtem Vorsatz hinsichtlich aller Merkmale des objektiven Tatbestandes (volle Kongruenz). Dieser ist schon dann anzunehmen, wenn der Täter trotz äußerster Gefährlichkeit handelt und den Ausgang dem Zufall überlässt[16]. Seit den achtziger Jahren lehnt die Rechtsprechung jedoch wegen der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung vielfach die Kenntnis der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung (BGH NStZ 86, 549; 87, 424; 88, 361) oder das voluntative Vorsatzelement ab (BGH NStZ 83, 407; 84, 19; 88, 175; 92, 384, 587). Mit der „Hemmschwelle“ hat BGH 36, 15, 267 für die Aids-Infizierung durch ungeschützten Sexualverkehr einen Tötungsvorsatz abgelehnt[17]. Vor einer Tötung durch Unterlassen habe der Täter dagegen keine besondere Hemmschwelle zu überwinden.[18] Die „Hemmschwellentheorie“ hat teilweise heftige Kritik erfahren[19]. Der BGH hat daraufhin klargestellt, dass er ohnehin niemals eine besondere Vorsatztheorie für die Tötungsdelikte habe entwickeln wollen.[20] Mit dem Verweis auf die hohe soziale Hemmschwelle vor jeder Tötung menschlichen Lebens habe er lediglich zu einer umfassenden Erörterung aller in Betracht kommenden vorsatzkritischen Umstände im Strafurteil auffordern wollen.
Als ein solcher vorsatzkritischer Umstand müsse bei der Prüfung des voluntativen Vorsatzelements insbesondere das Fehlen einsichtiger Beweggründe für eine Tötung gewürdigt werden.[21] Ein weiterer vorsatzkritischer Umstand bestehe darin, dass sich der Täter im Rahmen der Tat (z.B. einem illegalen Autorennen) derselben hohen Lebensgefahr aussetzt, die er dem späteren Opfer (z.B. dem Beifahrer) zumutet – wird dem Täter hier keine Kamikaze-Einstellung unterstellt, spricht dies dafür, dass er auf ein Ausbleiben des Todeserfolgs trotz erkannter Gefährlichkeit seines Verhaltens vertraut hat.
Ein Irrtum über den Ablauf der Kausalität ist, sofern dieser sich innerhalb der adäquaten Grenzen hält, unerheblich. Die Lehre vom dolus generalis, die gerade auf dem Gebiet des Tötungsstrafrechts ihre Bedeutung entfaltet hat[22], ist abzulehnen (AT § 23 Rn. 33 ff.; Vogel LK § 16 58).
Anmerkungen
S. dazu AT II § 48 Rn. 62; dort auch Schrifttumsnachweise.
OGH SJZ 49, 347 mit Anm. Eb. Schmidt SJZ 49, 559; Barella DRiZ 60, 144.
BGH 3, 110 – ein früher und lange übersehener Fall der Anerkennung des Täters hinter dem Täter in der Rechtsprechung (Schroeder JR 95, 177).
BGH NStZ 81, 22 m.Anm. Köhler JZ 81, 35; BGH NStZ 99, 507; 06, 98.
Anm. Schünemann JR 89, 89; Herzberg JZ 89, 470; Schlehofer NJW 89, 2017; Bruns MDR 89, 199; Frisch JuS 90, 363; H.-W. Mayer JuS 90, 784; Prittwitz NStZ 90, 385. Aber Verurteilung wegen bewusst lebensgefährdender Behandlung nach § 223a (jetzt § 224), s.u. § 9 Rn. 18.