Art. 2 und 3 LKO (Levée en masse und Bildung anerkannter Freiwilligenkorps) am Kampf beteiligen: Ein solches Verhalten lässt sowohl den Schutzanspruch nach Art. 46 LKO als auch das Recht entfallen, als Kombattant gefangen genommen zu werden.
Sehr streitig ist die Beurteilung des Partisanenkrieges. Allgemeine Regeln lassen sich schon deshalb nicht aufstellen, weil die Partisanenkriegsführung sich einheitlicher Bewertung entzieht: sie reicht vom einzelnen, nicht organisierten und als Zivilperson getarnten Widerstandskämpfer bis zur geschlossenen militärischen Organisation, die sich von der Fronttruppe nur dadurch unterscheidet, dass sie im Rücken des Feindes kämpft. Als Zivilpersonen getarnte Partisanen stehen grundsätzlich außerhalb des Kriegsrechts. Bei den anderen Gruppen wird Kombattanteneigenschaft vielfach deshalb entfallen, weil sie unter Verletzung des Art. 1 Ziff. 4 LKO (Beobachtung der Gebräuche des Krieges) kämpfen[30]. Partisanen dürfen ihrerseits ohne Gerichtsurteil nur im Zuge von Kampfhandlungen getötet werden (BGH 23, 105).
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Die Beurteilung des gegen die Zivilbevölkerung geführten Bombenkrieges leidet am Fehlen spezieller Konventionen. Grundsätzlich ist auch die Luftkriegsführung an die allgemeine Regel des Art. 25 LKO gebunden. Hiernach ergeben sich folgende Regeln:
Zulässig ist das Luftbombardement von Ortschaften mit Zivilbevölkerung, wenn die Aktion durch das Ziel der Vernichtung kriegswichtiger Anlagen gerechtfertigt ist; die damit verbundene Tötung von Angehörigen der Zivilbevölkerung ist selbst dann nicht rechtswidrig, wenn dieser Erfolg nicht nur für möglich gehalten, sondern auch als notwendig in Rechnung gestellt wurde. Unzulässig sind Luftangriffe, welche sich allein oder überwiegend gegen das Leben der friedlichen Bevölkerung richten (Terrorangriffe); auch hier hat Güterabwägung zu gelten.
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Stark umstritten ist auch das Recht der Tötung von Sicherheitsgeiseln und als Repressalie gegen kriegsrechtswidrige Tötungen der eigenen Soldaten. Das Recht der Geiselnahme war durch die LKO nicht ausgeschlossen. Zur Effektivität der Geiselnahme gehörte das Recht der Erschießung derselben bei Friedensbrüchen; einzelne nationale Kriegsführungsregeln (so z.B. § 358d der „Rules of land warfare“ der Vereinigten Staaten) sehen ein entsprechendes Recht ausdrücklich vor. Allerdings musste sich die Repressalie in einem erträglichen Verhältnis zu der auslösenden Tat halten; ein krasses Missverhältnis verletzte das Verbot der Kollektivhaftung der Zivilbevölkerung nach Art. 50 LKO. Eine Vertuschung der Tötung oder der Urheberschaft der Besatzungsmacht schloss den für die Repressalie begriffsnotwendigen Beugezweck aus (BGH NJW 61, 373; BGH 23, 107). Die Genfer Konventionen von 1949 schließen auch das Recht der Geiselnahme aus; die Verwendung von Kriegsgefangenen als Sicherheitsgeiseln war schon durch das Kriegsgefangenenabkommen vom 29.7.29 untersagt (s.o. Rn. 13). BGH 49, 189 (Fall Engel) hat die Repressalienerschießung für zwar im 2. Weltkrieg erlaubt, „nach geläuterter Rechtsauffassung“ aber rückwirkend (!) für rechtswidrig erklärt[31].
3. Infolge des modernen internationalen Terrorismus verschwimmen die Grenzen zwischen Kriegs- und Polizeirecht (Waechter JZ 07, 61). Das BVerfG hat die Zulässigkeit des Abschusses eines von Terroristen gekaperten und als Angriffsmittel eingesetzten Zivilflugzeugs nach dem Muster den Angriffs auf das World Trade Center in New York am 11.9.2001 (§ 14 Abs. 3 LuftsicherheitsG) für mit dem Recht auf Leben nach Art. 2 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt[32].
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4. Für die Rechtfertigung von Tötungen zur Durchsetzung des militärischen Gehorsams galt während des letzten Krieges neben den Rechtfertigungsgründen des allgemeinen Strafrechts das Befehlsnotrecht des § 124 MilStGB, das einen Vorgesetzten in Fällen äußerster Not und dringendster Gefahr zur Tötung eines befehlsverweigernden Untergebenen berechtigte. Das heutige Wehrrecht enthält keine ausdrücklichen Bestimmungen. Nach § 10 Abs. 5 SoldatenG ist der Vorgesetzte berechtigt, seine Befehle in einer den Umständen angemessenen Weise durchzusetzen. Eine Befugnis des Vorgesetzten zur Selbstjustiz nach Abschluss der Tat besteht dagegen nicht (OLG Stuttgart HESt 1, 21).
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5. Umstritten war, ob sich Angehörige der Grenztruppen der DDR, die an der Zonengrenze gezielt tödliche Schüsse auf „Republikflüchtige“ abgegeben haben, zu ihrer Rechtfertigung auf das Passgesetz der DDR vom 11.12.57 und die dort geltenden Schusswaffengebrauchsbestimmungen berufen können[33]. Der Befehl, im Grenzbereich sofort zu schießen, kann in der Bundesrepublik nicht als Rechtfertigungsgrund anerkannt werden, da er dem Kernbereich des Rechts und § 95 StGB-DDR selbst widersprach und überdies – wie die nationalsozialistischen Geheimbefehle (s.o. § 1 Rn. 42, § 2 Rn. 8) – nicht veröffentlicht worden ist[34]. Da die Grenzsoldaten jedoch im Befehlsnotstand oder (vermeidbaren) Verbotsirrtum handelten (BGH 39, 32; NJW 94, 2711), musste auch der Flüchtling bei einer Gegenwehr den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten (Schroeder JZ 74, 114; NJW 78, 2577). Die Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrates der DDR (BGH 40, 218 m. Anm. Schroeder) und des Politbüros des ZK der SED (BGH 45, 270) waren „Täter hinter dem Täter“.
6. Zu der – auch Fragen der Kausalität und der Risikoerhöhung umgreifenden – Problematik von Arzneimitteltests Fincke, Arzneimittelprüfung, 1977 (Kurzfassung NJW 77, 1094).
Anmerkungen
SA-Berat. V/1805 ff.; BTD V/1495 S. 14. Zur Einwirkung der Grundrechte siehe Schwabe NJW 74, 670.
Überflüssige Schriftumsnachw. bei BGH 48, 257.
v. Winterfeld NJW 72, 1883 f.; Krey/Meyer ZRP 73, 3; W. Lange MDR 74, 358; Weßlau/Kutscha ZRP 90, 169. A.A. Krüger NJW 73, 2 und Kriminalistik 75, 385, 441; Rupprecht JZ 73, 265. Noch weitergehend § 41 Musterentwurf eines Polizeigesetzes; dazu R. Lange JZ 76, 546; Lerche FS v.d. Heydte 1977, 1033; W. Lange MDR 76, 10.
BayVerfGH NJW 68, 1227; BGH 35, 387; 39, 22.
BGH NJW 58, 1405; Schwabe JZ 74, 634; Kinnen MDR 74, 631; Klose ZStW 89, 61.
Blei aaO; Schroeder FS Maurach 138, 142 und JR 73, 71; v. Winterfeld NJW 72, 1882; Krüger NJW 73, 1; Krey/Meyer ZRP 73, 3 ff.; Seelmann ZStW 89, 36; Schaffstein GS Schröder 97; Kunz ZStW 95, 973; Jahn Das Strafrecht des Staatsnotstandes, 2004, S. 348 f.
Vgl. Mosler Jahrb. des Völkerrechts II/III 335; OLG Dresden SJZ 47, 520; OLG Kiel SJZ 47, 323; Berber Lehrb. d. Völkerrechts, Bd. II, 2. Aufl. 1969, 57 ff.; Doehring Völkerrecht, 2. Aufl. 2004, § 11, 581.
Eingehender Berber aaO 142 f.; Laternser Verteidigung deutscher