Merkel NK § 218 44 ff.; Schroeder JR 08, 253. Nach Eser/Weißer S/S § 218 19 ff. und Fi § 218 6 nur Versuch.
BGH 10, 293; BGH GA 63, 157; a.A. Kröger LK § 218 13.
RG 67, 207; BGH 11, 15 m.abl.Anm. Jescheck JZ 58, 749; BGH NStZ 96, 276; Roxin JA 81, 543. A.A. Welzel § 41 6; Otto § 13 Rn. 66.
IV. Die Tatbestände des Schwangerschaftsabbruchs
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Die kumulativen Voraussetzungen für eine „Nichtverwirklichung des Tatbestandes des § 218“ nach § 218a Abs. 1 ergeben drei Verbote des Schwangerschaftsabbruchs. Gesetzestechnisch bleibt es allerdings auch bei der Verletzung mehrerer Verbote (Schwangerschaftsabbruch ohne Beratung oder nach 12 Monaten oder durch einen Nichtarzt) bei einem Schwangerschaftsabbruch nach § 218.
1. Schwangerschaftsabbruch durch Nichtärzte (§ 218 i.V.m. § 218a Abs. 1 Nr. 2)
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Verboten ist der Schwangerschaftsabbruch durch Nichtärzte, d.h. nicht in der Bundesrepublik approbierte Ärzte. Der Schutzzweck des Schutzes der Gesundheit der Schwangeren kommt durch die Zulassung von Nichtfachärzten nur unzulänglich zur Geltung, doch ist die lex artis zu beachten[22].
Eine Rechtfertigung nach § 34 StGB bleibt möglich, wenn – z.B. auf einer Berghütte – kein Arzt verfügbar ist.
Anmerkungen
Eser/Weißer S/S § 218a 58; Rudolphi SK 22. A.A. Arzt § 5 Rn. 55, der jedoch §§ 223 ff. eingreifen lassen will. Differenzierend Gropp MK § 218a 26.
2. Der Abbruch nach zwölf Wochen seit der Empfängnis (§ 218 i.V.m. § 218a Abs. 1 Nr. 3)
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Strafbar ist ferner der Abbruch der Schwangerschaft nach zwölf Wochen seit der Empfängnis. Strafbar ist insbesondere auch die Vornahme durch einen Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst. Die Tat ist auch durch Unterlassen von Garanten begehbar, z.B. des Erzeugers, des Aufsichtspflichtigen für eine schuldunfähige Schwangere oder von Ärzten. Unter dieses Verbot fällt zunächst auch die Schwangere selbst; es wird jedoch durch § 218 Abs. 3 als lex specialis verdrängt (s.u. Rn. 54).
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a) Dass die Einwilligung der Schwangeren allein keine Rechtfertigung herbeiführen kann, ergibt sich aus der Eigenständigkeit des Rechtsguts „werdendes Leben“ (s.o. Rn. 14). Infrage kommt aber der rechtfertigende Notstand nach § 34 StGB.
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b) Allerdings ist dieser weitgehend in dem speziellen Rechtfertigungsgrund des § 218a Abs. 2 enthalten, der sog. medizinisch-sozialen Indikation (zur Entstehung s.o. § 5 Rn. 13). Der Abbruch muss erforderlich sein, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden.
Bei dem letzteren Merkmal zeigt ein Blick auf die lapidare Formulierung des § 223 („Schädigung an der Gesundheit“) eindrucksvoll die moderne Kunst der Aufweichung von Begriffen. Allerdings soll der Begriff „Gesundheitszustand“ nur Beeinträchtigungen der seelischen Gesundheit einbeziehen (BTD VI/3434 S. 20), sodass diese beiden Erweiterungen zusammenfallen. Aber die Begriffe sollen doch weitergehen als die „krankhafte seelische Störung“ nach §§ 20, 21; als Beispiel werden genannt psychoneurotische Persönlichkeitsverbiegungen, neurasthenische Entwicklungen mit ständigen Versagenserlebnissen und depressive Fehlentwicklungen (BTD VI 3434 S. 20). Von der Definition der Präambel der Satzung der Weltgesundheitsorganisation als „Zustand vollständigen physischen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur des Freiseins von Krankheit und Gebrechen“ hat sich der Gesetzgeber jedoch ausdrücklich distanziert (BTD VI/3434 S. 21). Auch muss die Beeinträchtigung des Gesundheitszustands schwerwiegend sein. Selbstmorddrohungen Schwangerer werden zwar überwiegend nicht verwirklicht, sodass insoweit eine Gefahr für das Leben nur selten, eine Gefahr für den „Gesundheitszustand“ aber gleichwohl bejaht werden kann (SA-Berat. VI/2196).
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Außerdem sind die gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren zu berücksichtigen. Dadurch wird die medizinische zu einer medizinisch-sozialen Indikation (BGH 38, 157) ausgeweitet. Hierin liegt eine Rückkehr zum 15. StÄG (s.o. § 5 Rn. 18). Dadurch werden zwar die sozialen Verhältnisse einbezogen, jedoch nur im Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand (BT-Dr VI/3434 S. 19). In Betracht kommen vor allem bereits vorhandene Kinder, ein nichtaufgebbarer Beruf und pflegebedürftige Angehörige (aaO S. 22).
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Die medizinisch-soziale Indikation soll auch die embryopathische Indikation (vor 1995 § 218a Abs. 3) umfassen, die vor allem von Behinderten als diskriminierend empfunden wurde (BT-Dr 13/1850 S. 25). Die Eingliederung in die unbefristete medizinisch-soziale Indikation hat jedoch die Geburtschancen behinderter Ungeborener erheblich verschlechtert[23]. Die Schädigung des Embryos muss nicht behebbar und so erheblich sein, dass die Pflege und Erziehung des kranken Kindes auch bei voller Anerkennung seines Lebensrechts eine unzumutbare Überforderung der Schwangeren bedeuten würde (BT-Dr VI/3434 S. 24; s. auch BVerfGE 88, 256). Infrage kommen vor allem Röteln, Chromosomenanomalien, Alkohol- oder Drogenmissbrauchsschäden; ein Verschulden der Mutter schließt die Indikation nicht aus, ist aber bei der Zumutbarkeit zu berücksichtigen. Gedacht ist nicht nur an die seelische, sondern auch an die körperliche Belastung der Eltern, insbesondere bei weiteren Kindern; es soll ein „verhältnismäßig strenger Maßstab“ anzulegen sein (BT-Dr VI/3434 S. 23 f.).
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Für die Annahme der Schädigung müssen dringende Gründe sprechen. Das ist ein erheblicher Grad der Wahrscheinlichkeit; 25 % wie z.B. bei heterozyter Genträgerschaft beider Eltern oder Rötelerkrankung im Frühstadium der Schwangerschaft reichen aus[24].
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Die fehlende zeitliche Begrenzung erlaubt Spätabbrüche bei lebensfähigen Föten und gerät damit in eklatanten Widerspruch zum Tötungsverbot (La/Kühl § 218a 16; Gropp GA 00, 8).
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aa) Die Gefahr darf nicht auf andere für die Schwangere zumutbare Weise abgewendet werden können (Subsidiaritätsgrundsatz). In der Einbeziehung der Zumutbarkeit liegt eine Ausweitung gegenüber dem rechtfertigenden Notstand nach § 34. Zumutbar sein können insbesondere medizinische Behandlungen, Krankenhausaufenthalt (a.A. BTD VI/3434 S. 21), eine Geburt durch Kaiserschnitt; unzumutbar ist die Einweisung in eine Nervenheilanstalt[25]. Bemerkenswerterweise knüpft die Pflicht des Arztes zur Mitwirkung an einem Schwangerschaftsabbruch an die strengeren Voraussetzungen der anders nicht abwendbaren Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung an (§ 12 SchKG).
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