nicht auch für die Vornahme durch Nichtärzte (s.o. Rn. 1).
Maßgebend für das Vorliegen der Voraussetzungen ist die ärztliche Erkenntnis. Der Ausdruck ist § 2 KastrationsG nachgebildet. Er stellt nicht auf die konkrete Erkenntnis des abbrechenden Arztes, sondern auf den allgemeinen Erkenntnisstand nach der ärztlichen Wissenschaft ab (BTD VI/3434 S. 20). Er soll vor allem eventuelle psychische Kontraindikationen und altersspezifische Komplikationen einbeziehen und geringere Gefahren ausschließen (aaO S. 21 f.). In diesem Rahmen ist auch zu berücksichtigen, dass der Wert des werdenden Lebens mit zunehmender Dauer der Schwangerschaft immer größer wird. Eine schematische Begrenzung des Abbruchs wegen drohender Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit auf das erste Drittel der Schwangerschaft (aaO) ist jedoch unangebracht, da sie den Versuch der Gewöhnung an die Schwangerschaft verhindern würde.
Da die „ärztliche Erkenntnis“ auf einen objektiven Erkenntnisstand abstellt, ist sie gerichtlich überprüfbar. Allerdings verbleibt ein ärztlicher Beurteilungsspielraum (BGH 38, 159).
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cc) Erforderlich für die Rechtfertigung ist eine Einwilligung der Schwangeren. Dieses Erfordernis entspricht dem in § 218 enthaltenen Rechtsgut des Interesses der Schwangeren an ihrer Schwangerschaft (s.o. Rn. 15), aber auch den allgemeinen Grundsätzen des rechtfertigenden Notstands (vgl. AT § 27 Rn. 14, 41). Eine wirksame Einwilligung setzt eine ärztliche Aufklärung voraus (s.u. § 8 Rn. 24 ff.), sodass bei ihrem Fehlen die Strafbarkeit nach § 218 bestehen bleibt. Bei Bewusstlosigkeit der Frau ist auf die mutmaßliche Einwilligung abzustellen. Dabei ist nicht nur ihre Gesundheit, sondern entsprechend dem weiteren Rechtsgut ihr Interesse an der Schwangerschaft in Betracht zu ziehen. Die Einwilligungsfähigkeit ist hier früh anzusetzen (LG München I NJW 80, 646). Bei Einwilligungsunfähigkeit ist die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters oder sonst Sorgeberechtigten maßgeblich; bei Lebensgefahr für die Schwangere ist u.U. das Sorgerecht zu entziehen (vgl. OLG Hamm NJW 68, 212). Bei Geisteskranken und Schwachsinnigen ist zu prüfen, ob die auf die psychische Belastung der Schwangeren abstellenden Indikationen überhaupt zum Tragen kommen.
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dd) Der Arzt muss die Voraussetzungen der Indikation kennen. Die fahrlässige, ja sogar leichtfertige, Annahme der Indikationen ist als solche nicht strafbar (BTD 7/4696 S. 8). Die Auffassung des Gesetzgebers, in diesen Fällen sei wegen § 218b Abs. 1 S. 1 in der Regel zumindest bedingter Vorsatz gegeben (aaO), trifft nicht zu. Jedoch verlangt das Merkmal der „ärztlichen Erkenntnis“ über die (u.U. nur vermeintliche) Kenntnis des handelnden Arztes hinaus die Beachtung der generellen Sorgfaltspflicht des gewissenhaften Arztes (vgl. BTD 7/4696 S. 7). Damit laufen die subjektiven Voraussetzungen im Wesentlichen auf das Gleiche hinaus wie nach der überkommenen Rechtsprechung (BGH 3, 9), und bleibt bei fahrlässiger Annahme der Indikationen die Strafbarkeit nach § 218 bestehen[26].
Legt der Täter dagegen die Indikationen weiter aus, als es dem engen Willen des Gesetzgebers entspricht, so befindet er sich in einem Verbotsirrtum, der selten unvermeidbar sein wird, aber u.U. eine Strafmilderung erlaubt (§ 17).
Anmerkungen
Zur Einschränkung insbesondere von Spätabbrüchen (polemisch auch „Früheuthanasie“ genannt) hat das G. v. 13.5.2009 bei dringenden Gründen für die Annahme einer Schädigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit des Kindes besondere Beratungspflichten und eine Wartepflicht eingeführt und mit Bußgeld bewehrt (§ 2a SchKG). S.a. Tröndle NStZ 99, 463 anhand eines bedrückenden Falles. –
Einzelheiten bei BTD 8/3630 S. 79; Krauß aaO; Weißauer Zschr. Geburtsh. u. Frauenheilk. 83, 193; Lau aaO 123 ff.
Umstr.; vgl. Kröger LK § 218a 45 m.Nachw.
Vgl. auch BGH JZ 77, 139 m. Anm. Schroeder; Sax JZ 77, 334. A.A. Eser/Weißer S/S § 218a 63; Rogall SK 54; Gropp MK 47.
3. Schwangerschaftsabbruch innerhalb von zwölf Wochen seit der Empfängnis ohne Beratung (§ 218 i.V.m. § 218a Abs. 1 Nr. 1)
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Dieses Verbot war bei den Beratungen überaus umstritten. Während die eine Seite hierin eine unangebrachte Bevormundung der Frauen sah, sah die andere in der Beratung den unabdingbaren letzten Versuch, das werdende Leben möglicherweise doch noch zu retten. Der Streit um das Erfordernis der Beratung überhaupt setzte sich hinsichtlich deren Inhalts fort. Das BVerfG hat die Inhaltsbestimmung der Beratung in § 219 i.d.F. des SFHG für verfassungswidrig erklärt und in seiner Vollstreckungsanordnung eingehende Vorgaben für den Inhalt der Beratung gemacht (BVerfGE 88, 210).
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Den Inhalt der Beratung regelt § 219 Abs. 1 StGB i.V.m. §§ 5, 6 Schwangerenkonfliktgesetz. Nach § 219 Abs. 1 S. 1 dient die Beratung dem Schutz des ungeborenen Lebens. Restriktiv ist allerdings schon die Bestimmung, dass der Frau „dabei bewusst sein“ muss, dass das Ungeborene auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat. § 5 Abs. 1 S. 1 SchKG sagt dann ausdrücklich, dass die Beratung „ergebnisoffen“ zu führen ist. Die „Gesprächs- und Mitwirkungsbereitschaft“ der Schwangeren darf nicht erzwungen werden (Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SchKG).
Die Beratung muss – zur Förderung ihrer Wirkung[27] – mindestens drei Tage vor dem Abbruch und ferner durch eine anerkannte Schwangerschaftsberatungsstelle erfolgen und durch eine Bescheinigung nachgewiesen werden (§ 219 Abs. 2). Der beratende Arzt darf den Abbruch nicht vornehmen (S. 3; § 218c Abs. 1 Nr. 4), doch ist die Strafdrohung für einen Verstoß sehr gering.
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Erforderlich ist außerdem ein „Verlangen“ der Schwangeren[28]. „Verlangen“ ist mehr als Einwilligung; der Gesetzgeber hat sich hier offensichtlich an § 216 StGB angelehnt (s.o. § 2 Rn. 62). Allerdings ist diese Einschränkung kaum praktisch, da schon die Inanspruchnahme der Beratung und das Aufsuchen des Arztes den Wunsch der Schwangeren nach dem Abbruch hinreichend zum Ausdruck bringen. Immerhin zwingt das Erfordernis eines Verlangens zu der Prüfung, ob die Schwangere nur dem Druck von Angehörigen nachgibt. Das Verlangen der Schwangeren entbindet den Arzt nicht von der für die Wirksamkeit der Einwilligung erforderlichen Aufklärungspflicht (BVerfGE 88, 289; s.o. Rn. 41).
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Sollte ein Schwangerschaftsabbruch ohne Verlangen der Schwangeren einmal vorliegen, so dürfte dies auf einer fehlenden Äußerungsfähigkeit der Schwangeren beruhen (Bewusstlosigkeit bei Unfall oder Operationskomplikation) und der Abbruch daher nach § 34 StGB gerechtfertigt sein.
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Eine Rechtfertigung ist – neben der Rechtfertigung nach § 218a Abs. 2 (s.o. Rn. 34 ff.) – möglich, wenn dringende Gründe für die Annahme sprechen, dass die Schwangerschaft auf einer rechtswidrigen Tat nach den §§ 176–178 StGB beruht (§ 218a Abs. 3), sog. kriminologische oder ethische, besser kriminogene Indikation.