weiterer Qualifikationstatbestand eingeführt, der das zuvor nur als einfache oder gefährliche Körperverletzung erfassbare Unrecht einer Verstümmelung weiblicher Genitalien zum Verbrechen aufwertet.
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5. Das StGB sieht in zahlreichen Fällen eine schwere körperliche Misshandlung (z.B. §§ 176a Abs. 5, 177 Abs. 8, 250 Abs. 2), die Verursachung einer schweren Gesundheitsschädigung (z.B. §§ 221 Abs. 2, 239 Abs. 3, 306b Abs. 1), der Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen (z.B. §§ 306b Abs. 1, 308 Abs. 2, 315 Abs. 3) oder von deren Gefahr (z.B. §§ 176a Abs. 2, 177 Abs. 7, 330 Abs. 2, 330a) als Qualifikationsgrund oder als Regelbeispiel eines besonders schweren Falles (z.B. §§ 113 Abs. 2, 125a, 218 Abs. 2) an.
Zahlreiche Tatbestände enthalten das Merkmal der Leibesgefährdung und damit auch der -verletzung nur zum Zweck der Beschränkung von Angriffen auf die allgemeine Sicherheit auf gravierende Fälle (s.bes. §§ 307–315c). Allerdings tendieren diese Tatbestände infolge des zunehmenden Vorrangs der individuellen vor den gemeinschaftsbezogenen Rechtsgütern zu Tatbeständen gegen den Einzelnen (vgl. Tlbd. 2, § 50 I). Der AE hatte eine Reihe der einschlägigen Tatbestände daher als „Personengefährdungen“ in die „Straftaten gegen die Person“ eingeordnet.
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6. Vorschriften zum Gesundheitsschutz enthalten auch die §§ 314, 326 StGB, 74 ff. InfektionsschutzG, 6 f. GeschlechtskrankheitenG, 58 f. Lebensmittel- und FuttermittelG und 28 f. FleischhygieneG. Dabei handelt es sich nicht um Vorschriften zum Schutz der Gesundheit eines anderen, sondern um solche zum Schutz der allgemeinen Gesundheit (eingehend Tlbd. 2 § 56).
Anmerkungen
Zur Entwicklung 1870–1933 Korn, Körperverletzungsdelikte – §§ 223 ff., 340 StGB, 2003, seit 1933 Gröning, dto., 2004.
Gegen einen strafrechtlichen Schutz der psychischen Integrität wegen der fragmentarischen Natur des Strafrechts und der Entdifferenzierung der Rechtsgüter Bloy FS Eser, 2005, S. 233 ff., 236, 248.
LK 6./7. Aufl. Vorbem. II 1 § 223.
Schroeder aaO 736; Amelung/Lorenz FS Otto 07, 527, 531. Vgl. auch Grünewald LK Vor § 223 1: Körper in seiner Unversehrtheit. Die h.L. spricht – unvollständig (s.o. Rn. 1) – von der körperlichen Unversehrtheit.
Roxin AT 1 § 13 12 ff. Dagegen Amelung/Lorenz FS Otto 07, 527.
Tag aaO 94; Hillenkamp FS Küper 07, 123, 147.
Freund/Heubel MedR 95, 197. S. auch Tag aaO 63 ff., 441.
Hier ist offensichtlich die Gleichstellungstendenz über das Ziel hinausgeschossen.
Schroeder aaO 736; Tag aaO 105. A.A. Otto Jura 96, 219, 220.
A.A. Freund/Heubel MedR 95, 197 mithilfe ihrer weiten Ausdehnung des Rechtsguts (s.o. Rn. 5). BGHZ 124, 52 stützt diese Auffassung zum Glück nur auf eine Analogie (allerdings nur „jedenfalls“!). Hiergegen noch Laufs/Reling NJW 94, 775; Taupitz NJW 95, 752.
Vgl. Schroeder Täter 89 ff.
Näher Wolters JuS 98, 598; Rengier ZStW 111, 1; Jäger JuS 00, 34; Wallschläger JA 02, 390.
II. Der Aufbau der Tatbestände
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Grundtatbestand ist die einfache vorsätzliche Körperverletzung (§ 223). Auf sie bauen fünf Qualifikationen auf, und zwar nach der Begehungsweise die gefährliche Körperverletzung (§ 224), nach den Folgen die schwere Körperverletzung (§ 226) die Verstümmelung weiblicher Genitalien (§ 226) und die Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227), nach der Pflichtenstellung die Körperverletzung im Amt (§ 340). Die Qualifikationen nach den Folgen sind Verbrechen. Die fahrlässige Körperverletzung ist – ebenso wie die fahrlässige Tötung (s.o. § 3) – undifferenziert in § 229 erfasst.
§ 225 erfasst zwar auch Körperverletzungen gegenüber Abhängigen, schafft dafür aber einen eigenständigen Tatbestand (u. § 10). Der verbleibende § 231 ist eine Gefährdung der Körperintegrität; dazu ist auch § 309 Abs. 1 zu rechnen (u. § 11).
III. Die Rechtswidrigkeit der Körperverletzung
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Für die Rechtfertigung körperverletzender Handlungen gelten die allgemeinen Rechtfertigungsgründe. Folgende Besonderheiten seien hervorgehoben.
1. Die Einwilligung des Verletzten (§ 228)
Schrifttum:
Becker, Sportverletzung und Strafrecht, DJ 38, 1720; Berz, Die Bedeutung der Sittenwidrigkeit für die rechtfertigende Einwilligung, GA 69, 145; Dölling, Die Behandlung der Körperverletzung im Sport im System der strafrecht. Sozialkontrolle, ZStW 96, 36; Duttge, Abschied des Strafrechts von den guten Sitten?, GS Schlüchter, 2002, 775; Eser, Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Sportlers, JZ 78, 368; Frisch, Zum Unrecht der sittenwidrigen Körperverletzung (§ 228 StGB), FS Hirsch 1999, 485; Geppert, Rechtfertigende „Einwilligung“ des verletzten Mitfahrers bei Fahrlässigkeitsdelikten im Straßenverkehr?, ZStW 83, 947; Hein, Zur Einwilligung des verletzten Mitfahrers in eine alkoholbedingte fahrlässige Körperverletzung, Blutalkohol Bd. 3, 345; Jakobs, Einwilligung in sittenwidrige Körperverletzung, FS Schroeder, 2006, 507; Kohlhaas, Die rechtfertigende Einwilligung bei Körperverletzungstatbeständen, NJW 63, 2348; Kühl, Die sittenwidrige Körperverletzung, FS Schroeder, 2006, 521; Niedermair, Körperverletzung mit Einwilligung und die Guten Sitten, 1999; Roth-Stielow, Die „guten Sitten“ als aktuelles Auslegungsproblem, JR 65, 210; Roxin, Verwerflichkeit und Sittenwidrigkeit als unrechtsbegründende Merkmale im Strafrecht, JuS 64, 373; Schild, Das strafrechtliche Problem der Sportverletzung, Jura 82, 520, 585; Schroeder, Sport und Strafrecht, in Schroeder/Kauffmann, Sport und Recht 1972, 21; Sternberg-Lieben,