der strafbefreienden Einwilligung in Lebens- und Gesundheitsgefährdungen, FS Baumann 1992, 43; Zipf, Einwilligung und Risikoübernahme im Strafrecht, 1970.
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a) Träger des Rechtsguts ist der Einzelne. Die Körperintegrität gehört zu den verzichtbaren, d.h. der Dispositionsbefugnis des Inhabers unterliegenden Rechtsgütern. Die allgemeinen Grundsätze für die Wirksamkeit der Einwilligung (AT § 17 III) gelten auch hier. Darüber hinaus bestimmt § 228, dass die Rechtswidrigkeit der mit Einwilligung begangenen Körperverletzung bestehen bleibt, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt.
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§ 228 wurde als § 226a dem StGB durch die Novelle vom 26.5.1933 inkorporiert, entsprach aber langjährigen Reformplänen (§§ 293 E 1913, 239 E 1925, 264 E 1927). Dabei hatte man zunächst Fälle der Abnötigung einer Einwilligung im Auge (E 1927 Begr. S. 134). Der Hauptzweck bei der Einführung 1933 war, freiwillige Sterilisation in engem Rahmen, nämlich bei eugenischer und schwerwiegender sozialer Indikation zu ermöglichen (Schäfer DJZ 33, 792). Infolge der Sonderregelung des Rechts der Unfruchtbarmachung durch das G z. Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14.7.1933 und das diesem Gesetz nachwirkende Gewohnheitsrecht hatte § 226a seine Bedeutung auf dem genannten Gebiet eingebüßt, hat sie aber inzwischen zurückgewonnen (s.u. Rn. 39). Im Übrigen hat die Gute-Sitten-Klausel jedoch durch Spezialregelungen im Bereich medizinischer Eingriffe (KastrationsG, TPG) und durch die moderne Einschränkung der Einwilligungsfähigkeit an Bedeutung verloren (Niedermair 259). § 228 findet Anwendung gegenüber allen Arten der Körperverletzung, insbesondere auch gegenüber fahrlässigen[13]. Nach der Tatbestandsstruktur des § 225 (vgl. u. § 10 I) wird die Tat hier trotz der Einwilligung stets sittenwidrig sein.
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b) Entscheidend für das Bestehenbleiben der Rechtswidrigkeit ist die Sittenwidrigkeit nicht der Einwilligung, sondern der Tat[14]. Die Einwilligung kann sittenwidrig sein, ohne damit auch die Tat zu bemakeln (jemand willigt in einen experimentellen Eingriff ein, um das dafür empfangene Geld für den Erwerb von Kinderpornografie zu verwenden). Das Merkmal der Sittenwidrigkeit ist wegen seiner Unbestimmtheit verfassungskonform[15] und eng auszulegen. Das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, die sozialethischen Wertvorstellungen[16] werden immer dann Anstoß nehmen, wenn eine Körperverletzung gegen die Menschenwürde verstößt (Duttge aaO) oder eine erhebliche Körperverletzung, insbesondere eine Substanzverletzung, ohne einsehbaren Zweck erfolgt[17]. Dies wird bei deliktischen Zwecken regelmäßig[18], bei sadomasochistischen Zwecken (selbstverständlich abgesehen von abgenötigten Einwilligungen) kaum jemals der Fall sein[19]. Die neuere Rechtsprechung folgert aus §§ 216; 231, dass in lebensgefährliche Handlungen nicht wirksam eingewilligt werden könne.[20]
Eine neuere Auffassung lässt aufgrund einer Modifizierung des Begriffs des Rechtsguts bei der Einwilligung in eine Körperverletzung (s.o. Rn. 5) bereits den Tatbestand entfallen und glaubt, dies auch mit dem Wortlaut des § 228 vereinbaren zu können[21].
Der Anwendungsbereich der Einwilligung ist in der Rechtsprechung groß und wird insbesondere als „Risiko-Einwilligung“ auch für die fahrlässige Körperverletzung anerkannt, während die moderne Dogmatik ihr durch die ex-post-Betrachtung ärztlicher Eingriffe und die Prüfung der Einhaltung der verkehrsüblichen Sorgfalt bereits in der Rechtswidrigkeit oder gar im Tatbestand wesentliche Gebiete entzogen hat. Zu beachten ist auch, dass manchmal gar keine Verletzung eines anderen mit Einwilligung, sondern eine eigenverantwortliche Selbstverletzung bzw. -gefährdung vorliegt, an der eine Mitwirkung straflos ist[22]. Dies gilt insbesondere beim Geschlechtsverkehr mit bekannt Aids-Infizierten (s.u. § 9 Rn. 5). Folgende Fallgruppen sind häufig:
aa) Zu ärztlichen Eingriffen s.u. IV.
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bb) Auch bei Sportverletzungen[23] ist der Anwendungsbereich der Einwilligung nach der Lehre gering, da leichtere Regelverstöße schon keine Fahrlässigkeit darstellen[24], eine Einwilligung in grobe Fahrlässigkeit, insbesondere grobe Regelverstöße, aber nur ausnahmsweise vorliegen wird[25]. Die Einwilligung in Regelverstöße umfasst nicht notwendig auch schwere Folgen[26]. Auch bei der studentischen Schlägermensur rechtfertigt die Einwilligung übliche leichtere Verletzungen[27]. Nach Schild ist der Sport ein rechtsfreier Raum (Jura 82, 585 und Sportstrafrecht, 2002, 114). Zur völlig anders gelagerten Problematik des Doping s.u. Rn. 36.
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cc) Bei der Mitfahrt im Straßenverkehr wird ebenfalls neuerdings im Anschluss an BGHZ 34, 354 die Einwilligung auf wenige Ausnahmefälle beschränkt[28]. Sicher kann nicht jede Mitfahrt als Einwilligung angesehen werden[29], auch nicht bei Verwandten[30]. Da jedoch der zur Verletzung führende Fahrfehler in aller Regel nicht aus heiterem Himmel kommt, wird jedenfalls die weitere Mitfahrt häufig eine Einwilligung enthalten. Dass sich die Einwilligung auf eine Ordnungswidrigkeit bezieht, macht die Tat nicht sittenwidrig (BayObLG JR 78, 296 m.Anm. Kienapfel).
Anmerkungen
Grünewald LK 1; Sternberg-Lieben S/S 1; BGH MDR 59, 856; OLG Frankfurt DAR 65, 217.
RG 74, 95; BGH 4, 91; Berz aaO.
Für Verfassungswidrigkeit zuletzt Paeffgen/Zabel NK 44 ff.; Sternberg-Lieben aaO 136 ff. und GS Keller 03, 289.
BayObLG JR 99, 122 m. Anm. Otto: Zusammenschlagen als Aufnahmeritual einer Jugend-Gang.
Vgl. auch Grünewald LK 9, ZStW 83, 165 ff.; Frisch aaO. Zust. Roxin AT 1 § 13 Rn. 41 unter Beschränkung auf Lebensgefährlichkeit (s.u. bei Anm. 20).
Roxin aaO; Berz aaO; Wolters SK 9. Einschränkend Roxin AT § 13 Rn. 37; Niedermair 183; Grünewald LK 9.
Sitzmann GA 91, 71 ff. Roxin AT 1 § 13 Rn. 50. A.A. Berz aaO; RG JW 28, 2229; 29, 1015; DR 43, 234.
BGH NStZ 00, 88; BayObLG JR 99, 122; BGH 49, 42, 172 m. Anm. Hirsch JR 04, 475; Stree NStZ 05, 40; Duttge NJW 05, 260; BGH 53, 55. Grundsätzlich Jakobs und Kühl FS Schroeder, 2006, 507, 521.
Roxin AT 1 § 13 Rn. 12 ff.; Schmidhäuser FS Geerds 593. Dagegen Hirsch LK11 Vor