die in jedem Straftatbestand enthaltene Freiheitsbeschränkung für den Täter[9] bei der Nötigung besondere Relevanz, da sie bereits das geschützte Rechtsgut relativiert: vom Schutzobjekt der Freiheit ist mindestens der Bereich des Nötigungsverbots abzuziehen[10]. Im Übrigen erscheint diese Auffassung als teils zu eng, teils zu weit[11].
Anmerkungen
Schaffstein FS Lange S. 996; Hruschka JZ 95, 740. Den Einfluss des Obrigkeitsstaates betonen Keller aaO 101 und Fabricius aaO 24 f.
Eingehend zur Entstehungsgeschichte Fabricius aaO (mit teilweise überzogener Deutung).
Eingehend 1. Aufl. 87.
A.M. Nüse JR 53, 277. Sachlich wie hier Dreher JZ 53, 428; vgl. auch Roxin aaO 376 ff. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 240 wegen seiner Unbestimmtheit bei H. Mayer MatStrRReform I 269 ff.; Welzel Ndschr. V 301 f.; Reents, Die Verwerflichkeitsklausel, Diss. Göttingen 1969; Fezer JZ 74, 600; Callies NJW 85, 1506. Dagegen Tröndle FS Lackner1987 S. 687.
BVerfGE 73, 206 m.Anm. Starck JZ 87, 145; Kühl StV 87, 122; Meurer/Bergmann JR 88, 49. Grundsätzliche Kritik auch bei Offenloch JZ 88, 12; ders. JZ 92, 438.
S. z.B. BVerfGE 76, 211; BVerfG NJW 93, 1519.
BVerfG NJW 91, 971 m.Anm. Schmitt-Glaeser JR 91, 16; NStZ 91, 279; NJW 92, 2688; BayObLG JR 93, 117 m.Anm. Nehm; LG Ellwangen JR 93, 257 m.Anm. Otto; OLG Stuttgart NStZ 93, 450. A.A. Graul JR 94, 51.
FS Peters 78. Zust. Wolters SK 3; Timpe 27 ff.; Amelung GA 99, 192; Lesch FS Rudolphi 04, 483 u. FS Jakobs 07, 327.
Vgl. Schroeder FS Maurach S. 127.
Jakobs aaO 70. Vgl. auch Roxin aaO 374; Busse aaO 58 ff.; Calliess aaO 8 ff.
Kritisch Fabricius aaO 155; Klein aaO 84 ff.; Pelke aaO 35 ff.; Schroeder NJW 96, 2629; Herzberg GA 97, 256; Toepel NK 20 ff.
II. Der Tatbestand
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Eine Nötigung begeht, wer einen Menschen mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung veranlasst; das nötigende Verhalten ist rechtswidrig, wenn die Gewaltanwendung oder die Übelsandrohung zum angestrebten Zweck „als verwerflich anzusehen ist“.
1. Der objektive Tatbestand
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a) Der Tatbestand verlangt zunächst, dass jemand einen Menschen[12] zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt. Über diese Formulierung ist viel gestritten worden[13]. Einschneidend war die Behauptung, alle abgenötigten Verhaltensweisen setzten ein gewolltes Verhalten des Opfers voraus[14]. Dies hätte bedeutet, dass nur Einwirkungen auf die Willensbildungsfreiheit, nicht solche auf die Willensbildungsfähigkeit und die Willensbetätigungsfreiheit (s.o. Rn. 6) unter den Tatbestand fallen. Diese Auffassung missachtet jedoch den Wortlaut des § 240 StGB und ist überdies sachwidrig. Es ist einerlei, ob ich jemand zum gewollten Verlassen eines Raumes zwinge oder ihn hinauswerfe (RG 2, 288). Aber auch die Auffassung, die Alternative der „Duldung“ sei überflüssig, da jede Duldung die Unterlassung eines Widerstandes sei, ist eine Begradigung des Gesetzeswortlauts, die den sachlichen Unterschied der Fälle verschwinden lässt. Unter die Nötigung fallen:
a) | der Zwang des Opfers zu bestimmten Handlungen (Erzwingungsnötigung) |
b) | die Verhinderung vom Opfer beabsichtigter Handlungen (Verhinderungsnötigung) |
c) | der Zwang zur Hinnahme weiterer Handlungen des Täters (Duldungserzwingungsnötigung). |
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Die Alternative a) erfolgt durch Einwirkung auf die Willensbildungsfreiheit, die Alternative b) durch Einwirkung auf die Willensbildungsfreiheit (Abhaltung von einer beabsichtigen Handlung durch Drohung oder willensbeeinflussende Gewalt), die Willensbetätigungsfreiheit (Abhaltung von einer beabsichtigten Handlung durch physische Gegenwehr) oder die Willensbildungsfähigkeit (Betäubung). Für die Alternative c) ist die verbreitete Unterordnung unter den Angriff auf die Willensbetätigungsfreiheit eine Folge der erwähnten Umdeutung in den Zwang zur Unterlassung des Widerstands. Sie erfolgt ebenfalls durch Einwirkung auf die Willensbildungsfähigkeit (Betäubung), die Willensbildungsfreiheit und die Willensbetätigungsfreiheit. Die bloße Gewaltanwendung ist keine Nötigung und darf nicht in eine Nötigung zur Duldung der Gewalt umgedeutet werden (Schroeder FS Gössel 421). Keine Nötigung ist auch die kurzfristige Überraschungsgewalt[15].
10
b) Nötigungsmittel sind Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel.
11
aa) Die Gewalt ist einer der umstrittensten Begriffe des Strafrechts, zumal er auch in vielen anderen Tatbeständen vorkommt (§§ 81, 105, 106, 113, 177, 249, 253, 255 u.a.; s.o. § 12 Rn. 10–13).
12
(1) Das RG bestimmte die Gewalt als körperliche Kraftentfaltung zur Beseitigung eines tatsächlich geleisteten oder erwarteten Widerstandes, die vom Opfer körperlich empfunden werde („vis corpore corpori afflicta“[16]), konnte mit diesen Kriterien allerdings keine überzeugende Abgrenzung gewinnen. So wurden das Aushängen von Türen und Fenstern zur Vertreibung der Mieter[17], die überraschende Einsperrung, ja deren bloße Vortäuschung[18] und das Versperren von Wegen[19] als Gewalt beurteilt. Dagegen wurde das Vernageln aller Wohnungsfenster und mehrerer Zimmertüren zur Vertreibung der Mieter nicht als Gewalt angesehen (RG GA 35, 63). Bei der Aussperrung aus gemieteten Räumen wurde Gewalt verneint (RG 20, 354), jedoch bejaht, wenn sie in Gegenwart des Mieters erfolgte (RG 61, 156) oder ihn von seiner Kleidung aussperrte[20]. Als Gewalt galt ferner die Aussperrung hilfsbereiter Personen (RG 69, 330). Mithilfe der Ausweitung auf die „Empfindung als körperlicher Zwang“ wurde auch die Abgabe von Schreckschüssen als Gewalt angesehen (RG 60, 159; 66, 356). Dagegen wurde die Betäubung des Opfers mangels Kraftentfaltung nicht als Gewalt angesehen (RG 58, 98) und nur aufgrund