Reinhart Maurach

Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 1


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(Erpressung, §§ 253 ff. StGB) oder die verfassungsmäßige Ordnung (Hochverrat, §§ 81 ff. StGB). In diesen Fällen ordnet das StGB die Tatbestände in die Kapitel zum Schutz der anderen Rechtsgüter ein oder stellt sie – wie bei Raub und Erpressung – in deren Zusammenhang. Das beruht jedoch nur auf dem Sachzusammenhang und bedeutet nicht, dass damit etwa Eigentum und Vermögen den Vorrang vor der persönlichen Freiheit gewännen[5]. Eine solche Auffassung wäre mit der Wertordnung des Grundgesetzes und des Strafgesetzbuchs unvereinbar. Bemerkenswerterweise ordnete das StGB der DDR Raub und Erpressung in die „Straftaten gegen die Freiheit und Würde des Menschen“ ein (§§ 126 f.). Nur wegen des Sachzusammenhangs werden auch in dieser Darstellung Raub und Erpressung im Rahmen der Straftaten gegen Vermögenswerte behandelt (s.u. §§ 35, 45).

      Bei dem Erpresserischen Menschenraub (§ 239a StGB) überwiegt hingegen der Sachzusammenhang mit den übrigen Menschenraubtatbeständen, sodass der Systematik des Gesetzes gefolgt werden kann (s.u. § 15).

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      3. Die Objekte der Gewalt sind Organe des Staates; die Gewalt richtet sich demgemäß gegen die Staatsgewalt. Hierher gehören die Nötigung von Verfassungsorganen, des Bundespräsidenten und der Wähler nach den §§ 105 f., 107, 108 StGB, der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach den §§ 113 f. StGB und die Nötigung von Strafvollzugsbeamten (§ 121 StGB). Diese Delikte sind im Tlbd. 2 behandelt.

      4. Der Angriff auf die persönliche Freiheit wird von einem Amtsträger begangen. Diese Tatbestände finden sich unter den „Straftaten im Amt“ (§ 343 „Aussageerpressung“; bis 1943 auch Nötigung im Amt, § 339 a.F., s. jetzt § 240 Abs. 4 Nr. 2).

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      Anmerkungen

       [4]

      Vgl. Schroeder Staatsschutz 317 ff.

       [5]

      BGH 1, 20; Vogel LK Vor §§ 249 51; Bosch S/S § 249 1.

       [6]

      Kritisch hierzu und für die Schaffung weiterer spezieller Freiheitsschutztatbestände Fezer aaO.

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      Das menschliche Zusammenleben ist gekennzeichnet durch ständige Versuche, auf Mitmenschen Druck auszuüben und über sie Herrschaft zu erlangen. Ein absolutes Verbot solchen Druckes ist weder faktisch durchsetzbar noch wegen der damit verbundenen Erstarrung des menschlichen Zusammenlebens sinnvoll. Möglich und sinnvoll erscheint nur eine behutsame Kanalisierung. Hieraus ergibt sich im Gegensatz zu der Absolutheit des Lebensschutzes (s.o. § 1 Rn. 5 ff.) die Relativität des Freiheitsschutzes im Strafrecht. Sie zeigt sich vor allem in der konkreten Ermittlung der Rechtswidrigkeit bei der Nötigung (§ 240 Abs. 2 StGB; s.u. § 13 Rn. 29 ff.), im Übrigen in dem ausdrücklichen Hinweis auf das Erfordernis der allgemeinen Rechtswidrigkeit in § 239 StGB und in der Beschränkung des Schutzes des Freiheitszustandes auf die gravierenden Fälle der Sklaverei und der Freiheitsberaubung in Gewalt- und Willkürsystemen.

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      Anmerkungen

       [7]

      Zipf, Einwilligung und Risikoübernahme im Strafrecht, 1970, S. 17; OLG Zweibrücken GA 81, 94. S.a. Kargl JZ 99, 75.

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      Die praktische Bedeutung der Straftaten gegen die persönliche Freiheit ist verhältnismäßig gering. Abgeurteilt wurden im Jahr 2015 wegen

      Tabelle 1:

Nötigung 8612 davon verurteilt 5550
Freiheitsberaubung 364 davon verurteilt 203
Erpr. Menschenraub und Geiselnahme 164 davon verurteilt 126

      Angesichts der allgemeinen Vernachlässigung dieses Tatbestandes überraschend hoch ist der Anteil der Bedrohung mit 4261 Aburteilungen und 2852 Verurteilungen. Polizeilich gemeldet (und damit mindestens staatsanwaltschaftlich zu behandeln) waren allerdings über 140.000 Fälle. Zahlreiche Verfahren werden nach §§ 153, 153a StPO eingestellt.

      § 13 Nötigung (§ 240)

      Schrifttum:

      Arzt, Zum Zweck und Mittel der Nötigung, FS Welzel 1974, 823; Bauer, Politischer Streik und Strafrecht, JZ 53, 649; Blei, Zum strafrechtlichen Gewaltbegriff, NJW 54, 583; Busse, Nötigung im Straßenverkehr, 1968; Bundeskriminalamt (Hrsg.), Was ist Gewalt?, Bd. 1–3,1986, 1988, 1989; Calliess, Der Begriff der Gewalt im Systemzusammenhang der Straftatbestände, 1974; Eilsberger, Die Kölner Straßenbahnblockade – BGH, NJW 1969, 1772 (= BGH 23, 46), JuS 70, 164; Fabricius, Die Formulierungsgeschichte des § 240 StGB, 1991; Fezer, Zur jüngsten Auseinandersetzung um das Rechtsgut des § 240 StGB, GA 75, 353; Geilen, Neuere Entwicklungen beim strafrechtlichen Gewaltbegriff, FS H. Mayer 1966, 445; Geilen, Lebensgefährdende Drohung als Gewalt in § 251 StGB?, JZ 70, 521; Giehring, Verkehrsblockade. Demonstration und Strafrecht, in: Lüderssen/Sack, Vom Nutzen und Nachteil der Sozialwissenschaften für das Strafrecht, 2. Tlbd., 1980, 513; Goldschmidt, Die Strafbarkeit der widerrechtlichen Nötigung, StrAbh. 6; Günther, Verwerflichkeit von Nötigungen trotz Rechtfertigungsnähe, FS Baumann 1992, 213; Haffke, Gewaltbegriff und Verwerflichkeitsklausel, ZStW 84, 37; Hansen, Die tatbestandliche Erfassung von Nötigungsunrecht 1972; v. Heintschel-Heinegg, Die Gewalt als Nötigungsmittel im Strafrecht, Diss. Regensburg 1975; Hoffmeister,