Herbert Diemer

Jugendgerichtsgesetz


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beispielsweise als „psychologische Tatsache“, als „eingeschliffener innerer Zustand“ oder als eine „fest eingewurzelte Neigung“ (Fischer § 66 Rn. 24 m.w.N. aus der Rspr.) kaum feststellen lassen wird (Seifert Gutachten zur Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 28.5.2008 zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung BT-Drucks. 16/6562; ebenso Ostendorf/Bochmann ZRP 2007, 146 ff. 148; vgl. auch amtl. Begr. BT-Drucks. 17/9874, S. 23). Soweit die Vollstreckungsregelungen des § 463 Abs. 3 Satz 4 StPO i.V.m. § 67d Abs. 3 und 2 StGB, die gemäß § 82 Abs. 3 JGG auf die nach Jugendstrafrecht verhängte Sicherungsverwahrung anzuwenden sind, ausdrücklich die Feststellung eines Hanges voraussetzen, sind sie gegebenenfalls dahingehend auszulegen, dass die dann mit der Sache befasste Strafvollstreckungskammer und der Sachverständige nicht das weitere Vorliegen eines Hanges zu prüfen haben, sondern die weiterhin gegebene spezifische Gefährlichkeit des Verurteilten zu Anlasstaten i.S.v. Abs. 2 (BGH NJW 2010, 1539 Rn. 29).

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      Vielmehr kommt es auf die spezifische Gefährlichkeit des Verurteilten im Hinblick auf die Begehung von Anlasstaten i.S.v. Abs. 2 an. Jene muss in seiner Persönlichkeit angelegt sein. Nur dadurch ist die dem gesetzgeberischen Willen entsprechende Begrenzung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung bei jungen Straftätern nach Abs. 2 auf einzelne höchstgefährliche Straftäter (vgl. BT-Drucks. 16/6562 S. 1, 7, 9) gewährleistet. Zwar kann ein Hang zu erheblichen Straftaten (sofern er feststellbar wäre) eine Indiztatsache für das Vorliegen der in Ab. 2 geforderten spezifischen Gefährlichkeit zu Anlasstaten i.S.d. Abs. 2 darstellen (BGH NJW 2010, 1539 Rn. 28; vgl. BVerfG NJW 2006, 3483, 3484; Beschl. vom 5.8.2009 – 2 BvR 2098/08 und 2 BvR 2633/08). Die spezifische Gefährlichkeit zu Anlasstaten i.S.v. § 7 Abs. 2 JGG ist aber weiter gehend als der im früheren § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB beschriebene Hang zu erheblichen Straftaten. Denn der Katalog der Taten wurde in § 7 Abs. 2 JGG auf schwerste Verbrechen gegen Personen beschränkt, während der Hang nach dem früheren § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB auch schweren wirtschaftlichen Schaden umfasste (BGH NJW 2010, 1539 Rn. 27 ff.).

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      Aus einer Gesamtwürdigung muss sich die im Vorstehenden beschriebene hohe Wahrscheinlichkeit ergeben. Dabei kommt es in diesem Stadium (Abs. 2 Satz 1) auf den Zeitpunkt der Verurteilung an (amtl. Begr. BT-Drucks. 17/9874, S. 23). Da im Hinblick auf die im Vergleich zu Erwachsenen kürzere Lebensgeschichte nicht an Vorstrafen oder Haftaufenthalte angeknüpft werden kann, kann sich die Gesamtwürdigung nur auf alle bis zum Schluss der Beweisaufnahme bekannt gewordenen Umstände der Tat und in der Persönlichkeit des Täters beziehen. Nicht zuletzt deshalb sind an die Gesamtwürdigung desto höhere Anforderungen zu stellen, je näher der Angeklagte zur Zeit der Tat an der 14-Jahres-Grenze lag.

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      Sind die unter Rn. 29 ff. erläuterten gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, kann die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet werden. Damit tritt die Rechtsfolge nicht von Gesetzes wegen ein, sondern steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Dieses ist deshalb zu einer über die oben genannte Gesamtwürdigung hinaus gehenden Ausübung seines Ermessens nicht nur befugt sondern auch verpflichtet, mit der Folge, dass auch diese Erwägungen im Urteil dokumentiert werden müssen und im Revisionsverfahren auf Rechtsfehler überprüfbar sind (vgl. BGHSt 55, 234 zu der insoweit vergleichbaren Regelung in § 66b StGB). Dabei werden regelmäßig auch die einschlägigen Grundsätze der EMRK in der ihr durch den EGMR gegebenen Auslegung zu beachten sein (s. Rn. 26).

III. Anordnung der Sicherungsverwahrung (Absatz 2 Satz 2–3)

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      Die im Urteil vorbehaltene Sicherungsverwahrung wird angeordnet, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nr. 1 bezeichneten Art zu erwarten sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, besteht für das Gericht, anders als im Erkenntnisverfahren beim Vorbehalt (s. Rn. 29) kein Ermessensspielraum mehr, mit der Folge, dass es die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen muss, wenn es aufgrund der Gesamtwürdigung zu dem in Satz 2 beschriebenen Ergebnis kommt und die Unterbringung verhältnismäßig ist (§ 62 StGB).

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      Die Begehung erneuter Straftaten i.S.v. Satz 1 Nr. 1 muss zu erwarten sein. Damit muss die konkrete Gefahr (BGH NJW 2010, 1539 Rn. 31) der Begehung erneuter Straftaten des Verurteilten nach seiner Entlassung aus dem Strafvollzug bestehen. Dabei kommt es ausschließlich auf Straftaten der in Satz 1 Nr. 1 bezeichneten Art an, auf solche also, die in dem dortigen Katalog aufgezählt sind und zusätzlich die dort genannten Auswirkungen auf das Opfer hätten, dieses also körperlich oder seelisch schwer schädigen oder einer solchen Gefahr aussetzen würden.

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      Zur Beurteilung der konkreten Gefährlichkeit (Rn. 38) ordnet das Gesetz eine erneute Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung im Strafvollzug an. Mit Tat oder Taten des Verurteilten sind alle Straftaten gemeint, die der gegenständlichen Verurteilung zugrunde liegen. Sind dies etwa bei einer Einheitsjugendstrafe (s. Rn. 38) neben der Anlasstat i.S.v. Nr. 1 oder 2 auch andere Verbrechen oder Vergehen, müssen diese nach dem Gesetzeswortlaut nicht unberücksichtigt bleiben. Allerdings kommt es insgesamt nur auf deren Indizcharakter für die zu erwartenden erneuten Straftaten im Sinne von Satz 1 Nr. 1 an (Rn. 38).

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      Ergänzend ist die Entwicklung im Strafvollzug zu berücksichtigen. Mit dem Wort ergänzend ist zum Einen klargestellt, dass die Entwicklung des Verurteilten nach der Anlassverurteilung ein zusätzlicher Aspekt für die Gesamtwürdigung ist, nicht aber der Schwerpunkt, denn mit dem Vorbehalt der Sicherungsverwahrung im Urteil hat das erkennende Gericht bereits die Wahrscheinlichkeit einer spezifischen Gefährlichkeit festgestellt (vgl. amtl. Begr. BT-Drucks. 17/9874, S. 23 unten i.V.m. BT-Drucks. 17/3403, S. 30). Zum Anderen ergibt sich aus diesem gesetzlich geforderten inneren Zusammenhang der Feststellungen in der Anlassverurteilung und der Entwicklung des Verurteilten im Vollzug die erforderliche Kausalität zwischen Verurteilung und Anordnung der Sicherungsverwahrung (Art. 5 Abs. 1 S. 2 Bst. a EMRK; vgl. auch EGMR NJW 2010, 2495). Mir der Berücksichtigung der Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung fordert der Gesetzgeber schließlich, dass sämtliche Umstände zwischen Anlassverurteilung und Entscheidung über die Anordnung in die Gesamtwürdigung einzustellen sind.

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