vorzunehmen. Eine abstrakte, auf statistische Wahrscheinlichkeiten gestützte Prognoseentscheidung kommt nicht in Betracht (vgl. BGHSt 50, 121, 130 f.; BVerfGE 109, 190, 242). Wesentliche Kriterien für die Gesamtwürdigung sind etwa, soweit vorhanden, die frühere Delinquenz, die Umstände der Anlasstat. insbesondere wenn dieser Symptomcharakter für die festgestellte persönliche Befindlichkeit des Betroffenen zukommt (vgl. BGH NJW 2010, 1539 ff. Rn. 35), die Persönlichkeitsstruktur und der Verlauf der Haftzeit (Seifert Gutachten zur Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 28.5.2008 zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung BT-Drucks. 16/6562). Bloßes Fehlverhalten im Vollzug oder etwa die Verweigerung einer Therapie reichen für sich allein allerdings nicht aus, die Sicherungsverwahrung anzuordnen (BGHSt 50, 121, 127). Von wesentlicher Bedeutung vor allem bei erkennbar bisher nicht ausreichender Therapie können schließlich auch die Perspektiven nach der Entlassung sein, insbesondere das Vorhandensein eines gesicherten „sozialen Empfangsraums“ oder die weitere therapeutische Anbindung des Verurteilten (BGH NJW 2010, 1539 ff. Rn. 38; NStZ 2013, 225 ff., 227). Die in der Literatur teilweise befürchtete „Scheinanpassung“ (Ostendorf § 7 Rn. 21 m.w.N.) dürfte bei einer Gesamtwürdigung solcher Gesichtspunkte alsbald entlarvt werden können.
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Zwei Sachverständige sind zur Entscheidungsfindung heranzuziehen, die im Rahmen des Strafvollzugs nicht mit der Behandlung des Verurteilten befasst waren (§ 81a i.V.m. § 275a Abs. 4 S. 2 und 3 StPO). Das Gericht ist dabei, wie auch sonst, nicht an deren Gutachten gebunden, eine Abweichung hält aber nur dann revisionsrechtlicher Beurteilung stand, wenn sie mit tragfähigen Gründen ausgestattet ist (vgl. BGH NJW 2010, 1539 Rn. 37), also keine Rechtsfehler aufweist.
3. Zeitpunkt der Entscheidung; Aussetzung der Unterbringung
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Über die nach Abs. 2 Satz 1 vorbehaltene Sicherungsverwahrung kann im ersten Rechtszug nur bis zur vollständigen Vollstreckung der Jugendstrafe entschieden werden; das gilt auch dann, wenn die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt war und der Strafrest vollstreckt wird. Dies ergibt sich aus der in Abs. 2 Satz 2, Hs 2 angeordneten entsprechenden Anwendung von § 66a Abs. 3 Satz 1 StGB.
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Für die Prüfung der Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Abs. 1 StGB entsprechend (Abs. 2 Satz 3), entsprechend deshalb, weil § 67c StGB Freiheitsstrafe nennt, aber auch für Jugendstrafe gelten soll.
1. Allgemeines
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Abs. 3, der in seinen ersten drei Sätzen im Wesentlichen § 106 Abs. 5 S. 1–3 sowie in seinen Grundgedanken § 66c Abs. 2 StGB entspricht, regelt den Vollzug der Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung. Durch die Verwendung des Wortes „Einrichtung“ wird verdeutlicht, dass die sozialtherapeutische Behandlung nicht in organisatorisch und räumlich selbstständigen Anstalten erfolgen muss, sondern auch innerhalb einer besonderen Abteilung des Strafvollzugs durchgeführt werden kann (amtl. Begr. BT-Drucks. 17/9874, S. 23, 25). Im Hinblick auf die gerade bei jungen Menschen erhöhten Erfolgsaussichten einer solchen Behandlung hat es der Gesetzgeber nicht bei dem in Satz 5 enthaltenen Verweis auf § 66c Abs. 2 StGB belassen, sondern diese ausdrücklich in einem eigenen Absatz zu § 7 selbstständig geregelt (vgl. amtl. Begr. BT-Drucks. 17/9874, S. 23).
2. Anordnung
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Wird Jugendstrafe verhängt und die Sicherungsverwahrung vorbehalten, so ordnet das Gericht gem. Satz 1 den Vollzug der Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung an, wenn der Jugendliche das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die Anordnung unterbleibt, wenn die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht bessser gefördert werden kann. Ist dies der Fall, kann die Anordnung gem. Satz 2 auch nachträglich erfolgen, sobald sich herausstellt, dass die Resozialisierung durch die Behandlung besser gefördert werden kann. Solange noch keine entsprechende Anordnung ergangen oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, was gegebenenfalls auch nach jeweiligem Landesrecht geschehen kann (vgl. BT-Drucks. 17/9874, S. 24), ist darüber nach jeweils sechs Monaten neu zu entscheiden (Satz 3). Zuständig für die nachträglicheAnordnung ist gemäß Satz 4 die Strafvollstreckungskammer, wenn der Gefangene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die nnach § 92 Abs. 2 zuständige Jugendkammer.
3. Vorbeugende Betreuung und nachträgliche Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel (Satz 5)
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Der Verweis in Satz 5 stellt klar, dass die genannten Vorschriften des StGB neben der Sonderregelung in den Sätzen 1–3 anwendbar sind (amtl. Begr. BT-Drucks. 17/9874, S. 24). Entsprechend § 66c Abs. 2 StGB ist dem Verurteilten bei vorbehaltener Sicherungsverwahrung eine psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Betreuung anzubieten. Ob und wie dies geschehen ist, ist während des Vollzugs der Strafe fortlaufend innerhalb bestimmter Fristen gerichtlich von Amts wegen zu überprüfen (§ 119a StVollzG). Ein Verstoß kann dazu führen, dass die Sicherungsverwahrung wegen Unverhältnismäßigkeit nach § 67c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB zur Bewährung auszusetzen ist (vgl. KG NStZ 2014, 273). Entsprechend § 67a Abs. 2 StGB kann das Gericht schließlich den Verurteilten, gegen den die Sicherungsverwahrung vorbehalten ist, in den Vollzug einer anderen Maßregel, nämlich der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt einweisen, wenn dies zur Durchführung einer Heilbehandlung oder Entziehungskur angezeigt ist und die Resozialisierung dadurch besser gefördert werden kann.
1. Allgemeines
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Abs. 3 schafft die Möglichkeit einer nachträglichen Sicherungsverwahrung im Jugendstrafrecht auch für den Fall, dass eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach §§ 2, 7 Abs. 1 i.V.m. § 63 StGB für erledigt erklärt worden ist. Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen den Regelungen in § 66b StGB und § 106 Abs. 7, so dass, abgesehen von den hier zu behandelnden jugendstrafrechtlichen Besonderheiten, auf die Kommentarliteratur zu diesen Vorschriften verwiesen werden kann. Direkt zu Abs. 4 ist eine entsprechende Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit noch nicht ergangen. Allerdings hat das BVerfG (2. Kammer) in einem Nichtannahmebeschluss die Verfassungsmäßigkeit von § 66b StGB (früher § 66b Abs. 3) festgestellt (BVerfG NStZ 2010, 265). Nachdem Abs.