Christian Jäger

Examens-Repetitorium Strafrecht Allgemeiner Teil, eBook


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gefährliche Körperverletzung an K scheidet aus.

      Hinweis: An den Verletzungsfolgen der K zeigt sich die Fragwürdigkeit einer Verurteilung wegen Mordes übrigens deutlich. Das LG Berlin war davon ausgegangen, dass sich A in seinem Wagen auch deshalb sicher fühlen konnte, weil das kreuzende Fahrzeug – wie der Sachverständige erörterte – bei einem Zusammenstoß wie durch ein Projektil weggeschleudert werde, sodass A mit keinen schweren Eigenverletzungen rechnen musste. Der BGH hat diese Begründung letztlich gehalten, obgleich A sicherlich nicht das Wissen eines Sachverständigen haben konnte. Im Übrigen zeigt der tatsächliche Verlauf, dass man sich in dem Wagen keineswegs sicher fühlen konnte. Dies belegen die schweren Verletzungen der K entgegen der Aussage des Sachverständigen in anschaulicher Weise. Sicher sein konnte man sich nur, wenn es nicht zu einem Zusammenstoß kam, worauf A vermutlich doch vertraut haben dürfte, sodass eine Verneinung der §§ 212, 211 StGB und die Annahme bloßer fahrlässiger Tötung nach § 222 StGB mangels zum Tatzeitpunkt gegebener Existenz des § 315d I, II, V StGB zutreffender gewesen wäre. Die Verurteilung wegen Mordes an W löst jedenfalls ein Störgefühl aus und wird der regelmäßig vorliegenden Selbstüberschätzung der Fahrer, die an derartigen Wettrennen teilnehmen, schlicht nicht gerecht. Man wird sehen müssen, ob sich die Staatsanwaltschaften angesichts der hohen Darlegungslast für den Tötungsvorsatz auch künftig in vergleichbaren Fällen häufig für eine Anklage wegen Mordes entscheiden werden oder ob sie den leichteren Weg über § 315d V wählen, bei dem nur ein Beinaheunfall in den Vorsatz aufgenommen sein muss, was man bei Stadtrennen mit hohen Geschwindigkeiten regelmäßig bejahen können wird. Dagegen wird die Bejahung eines Vorsatzes auch hinsichtlich eines Beinaheunfalls auf Straßen außerhalb von Ortschaften zumindest bei wenig befahrenen Strecken schwierig sein (näher zum Ganzen Jäger, BT, Rn. 709).

      IV. Gegeben ist aber eine fahrlässige Körperverletzung nach § 229 StGB an K.

      V. In Betracht kommt auch eine Strafbarkeit wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens nach § 315d I StGB aufgrund der Fahrt mit weit überhöhter Geschwindigkeit.

      Hinweis: Da die Norm zum Tatzeitpunkt noch nicht existierte, konnten weder das LG Berlin noch der BGH eine Strafbarkeit auf diese Norm stützen (vgl. § 2 I StGB). Da aber der Bearbeitervermerk keine Beschränkung der Beurteilung auf die alte Rechtslage enthält, müsste diese Norm, die am 13.10.2017 in Kraft getreten ist, in einer Klausur selbstverständlich auch nach Bejahung einer Strafbarkeit wegen Mordes geprüft werden.

       1. Tatbestandsmäßigkeit

       a) Objektiver Tatbestand

      aa) Voraussetzung ist zunächst das Vorliegen eines Wettrennens. Ein „Rennen“ iSd des § 315d I StGB ist dabei jeder Wettbewerb oder Teil eines Wettbewerbs sowie jede Veranstaltung zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten oder höchsten Durchschnittsgeschwindigkeiten mit mindestens zwei teilnehmenden Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr, wobei es gerade nicht auf die Länge der gefahrenen Strecke ankommt.

      bb) Für das Rennen lag keine Genehmigung nach § 46 II 1, 3 StVO vor, weswegen es unerlaubt stattfand.

      cc) Darüber hinaus fand das Rennen auch unter Beteiligung von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr statt.

      dd) Weiter müssten A und B als Kraftfahrzeugführer an den Rennen teilgenommen haben.

      Die „Teilnahme“ als Kraftfahrzeugführer beschreibt insoweit nicht die Beteiligungsform i.S.d. Allgemeinen Teils nach § 28 I StGB, wo Teilnehmer als Anstifter und Gehilfen legaldefiniert sind. Teilnehmen ist hier vielmehr im Sinne einer Mitwirkung zu verstehen, d.h. als „Mitmachen“ am Rennen als Kraftfahrzeugführer.

      Aufgrund der vorliegenden Teilnahme kann es auch dahinstehen, ob A und/oder B darüber hinaus noch als Durchführende des Rennens zu betrachten sind. Dagegen spricht aber, dass es sich hier um ein Spontanrennen ohne vorausgehende Organisation handelte.

      b) Subjektiver Tatbestand

      Darüber hinaus handelten A und B hinsichtlich der Teilnahme an einem illegalen Rennen im Straßenverkehr auch vorsätzlich gem. § 15 StGB.

      2. Rechtfertigungs- und Schuldausschließungssgründe sind nicht ersichtlich.

      3. Ergebnis: A und B haben sich nach § 315d I Nr. 2 StGB wegen Teilnahme an einem illegalen Straßenrennen strafbar gemacht.

      VI. Fraglich ist, ob auch die Qualifikation des § 315d II StGB erfüllt ist.

      1. Die dafür erforderliche Gefährdung für Leib und Leben eines anderen Menschen ist gegeben. Mit dem Tod des W hat sich sogar die stärkste Form der Gefährdung verwirklicht. Darüber hinaus wurde auch eine fremde Sache von bedeutendem Wert gefährdet. Diese Gefährdung hat sich sogar in der Zerstörung des Wagens des W realisiert. Dagegen kommen die Fahrzeuge von A und B nicht als Gefährdungsobjekte in Betracht, da die Tatmittel nicht zugleich geschützte Objekte sein können. Anders als bei § 315c StGB sollen bei § 315d StGB zwar nach teilweise vertretener Ansicht auch Beteiligte an dem Renngeschehen durch Abs. 2 geschützt sein.[90] Dagegen spricht aber, dass der Schutz des § 315d StGB dem allgemeinen Straßenverkehr dient, während die Teilnehmer am Rennen sich durch ihre Handlungsweise gerade außerhalb des allgemeinen Verkehrsgeschehens stellen und es daher auch an deren Schutzwürdigkeit fehlt.

      2. Auch ist der notwendige Zurechnungszusammenhang zwischen der Veranstaltung des Rennens und der Gefährdung zu bejahen, da es die typische Folge derartiger Verhaltensweisen ist, dass es zu (tödlichen) Unfällen im Straßenverkehr kommen kann.

      3. Sofern man mit dem BGH Tötungsvorsatz bejaht hat, ist unproblematisch auch eine vorsätzliche Bewirkung der Gefährdung nach § 315d II StGB anzunehmen. Aber selbst wenn man – mit der hier vertretenen Ansicht – einen Tötungsvorsatz verneinen würde, wäre eine vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs zu bejahen. Zwar hat Rengier die Ansicht vertreten, dass mit der Verneinung von Tötungsvorsatz automatisch auch der Gefährdungsvorsatz nach § 315d II StGB entfallen müsse. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass gerade der vorliegende Fall zeigt, dass A trotz seiner Selbstüberschätzung und dem damit einhergehenden Vertrauen auf eine Vermeidung einer Kollision zumindest von einem Beinaheunfall ausgehen musste. Denn er musste bei der von ihm gefahrenen Geschwindigkeit zumindest davon ausgehen, dass er möglicherweise nur noch mit Mühe einem Zusammenstoß entkommen kann, wenn ein kreuzendes Fahrzeug erscheint. Dies aber genügt für einen zumindest bedingten Vorsatz hinsichtlich eines Beinaheunfalls.

      Ergebnis: A hat sich daher auch nach § 315d II StGB strafbar gemacht.

      VII. In Betracht kommt schließlich eine Strafbarkeit des A wegen Verwirklichung der Erfolgsqualifikation nach § 315d V StGB.

      1. Das Grunddelikt des § 315d I, II StGB wurde – wie soeben erläutert – vorsätzlich verwirklicht.

      2. Diese Verwirklichung hat ursächlich die schwere Folge – Tod des W – kausal und zurechenbar im Sinne eines tatbestandsspezifischen Zusammenhangs verwirklicht. Es ist die typische Gefahr von Wettrennen im öffentlichen Straßenverkehr, dass durch die dabei erzielten Geschwindigkeiten dritte Verkehrsteilnehmer (tödlich) verletzt werden. Dies war der ausschlaggebende Gesichtspunkt, der den Gesetzgeber dazu bewogen hat, die Erfolgsqualifikationen des § 315d V StGB zu schaffen.

      3. Nach § 315d V i.V.m. § 18 StGB muss der Täter hinsichtlich der Todesfolge wenigstens fahrlässig handeln. Hier handelte A – sofern man dem BGH folgt – diesbezüglich sogar mit bedingtem Vorsatz, sodass der Tatbestand der Erfolgsqualifikation erst recht erfüllt ist.

      4. Rechtfertigungs- und Schuldausschließungssgründe sind hier nicht ersichtlich; auch ist von einer subjektiven Vorhersehbarkeit des Erfolges für die Täter mangels entgegenstehender Anhaltspunkte im Sachverhalt