können. Außer den Schreien gab der Angeklagte nichts von sich. Pater Hilarius wandte sich Bruder Martin zu und murmelte: »Der Teufel hat ihn verstockt.«
»Man muss ihm nur noch ein paar Gewichte an die Beine hängen«, brummte der Nachrichter und überkreuzte die Arme vor dem ausladenden Brustkorb.
»Nehmt ihn ab«, befahl der Pater stattdessen. Der Nachrichter zog ein grimmiges Gesicht, machte aber keine Einwände.
Die Büttel ließen das Seil gleichzeitig los, sodass der Zauberer mit einem heftigen Schlag auf den Boden prallte. Sein Schreien ging in ein Röcheln über.
Pater Hilarius kniete sich neben ihn und sagte: »Du solltest jetzt besser gestehen, denn auf der nächsten Folter wirst du dich nach der vergangenen zurücksehnen wie nach einem lauen Sommerabend.« Martin sah, wie der gekrümmt am Boden liegende Mann den Kopf schüttelte.
Dann wurde er auf den Nagelstuhl gesetzt, und gleichzeitig legte man ihm Bein- und Daumenschrauben an. Blut quoll unter den Fingernägeln und aus den Schienbeinen hervor. Er schrie, wimmerte, heulte, aber er sagte noch immer nichts.
Erst als alle Schrauben ein weiteres Mal angezogen wurden, rief der Angeklagte: »Halt! Ich gestehe!«
Sofort befahl Pater Hilarius den Schergen, die Schrauben zu lösen und den Zauberer auf einen gewöhnlichen Stuhl zu setzen. Dann stellte er sich vor den Geschundenen und fragte: »Bist du nun bereit, deine schändlichen Taten zur höheren Ehre Gottes zu gestehen?«
»Du sagst es. Zur höheren Ehre Gottes«, keuchte der Mann. »Alles habe ich zur höheren Ehre Gottes getan.«
Pater Hilarius sprang auf. »Besudele nicht den Namen des Allmächtigen!«, schrie er außer sich vor Wut. »Willst du etwa behaupten, dass du mit deinen schändlichen Zaubereien Gott dienen wolltest? Das ist Blasphemie!«
»Nein«, stöhnte der Zauberer. »Ich gestehe, dass ich Zauberei getrieben und die Mächte der Finsternis angerufen habe. Doch es ist nur zu einem guten Zweck geschehen.« Er krümmte sich vor Schmerzen auf dem Stuhl zusammen.
»Weißt du nicht, dass es ein schreckliches Verbrechen ist, mit bösen Mitteln Gutes tun zu wollen?«, sagte Pater Hilarius, der seine Wut wieder unter Kontrolle gebracht hatte.
»Wenn der Himmel schweigt, muss man die Hölle befragen, um die Welt zu retten.«
»Um die Welt zu retten? Hat dir die Folter etwa auch das Hirn ausgerenkt?«
»Die Apokalypse …« Weiter kam der Zauberer nicht mehr. Er fiel von dem Stuhl herunter und geradewegs vor die Füße des Paters. Martin, der neben ihm stand, wollte einen Schritt zurückweichen, doch Hilarius packte ihn mit erschreckender Schnelligkeit am Arm und hielt ihn fest. »Schau genau hin«, zischte er seinem jungen Gehilfen zu. »So sieht ein Geschöpf der Finsternis aus.«
Die Büttel hoben den Mann auf und setzten ihn wieder auf den Stuhl. Hilarius kniete sich, wobei ihm sein Bauch beträchtliche Schwierigkeiten machte, und brachte sein langes, geierhaftes Gesicht nahe an das des Zauberers heran. »Was meinst du mit der Apokalypse?«, fragte er und packte den Mann bei den rundlichen Wangen.
Der Zauberer schaute Pater Hilarius an. In seinem Blick lagen Angst und Erschöpfung. »Der Untergang …«, sagte er leise.
»Genauer«, forderte der Geistliche.
Der Zauberer seufzte auf. »Der Untergang der Welt ist vor Gottes Augen eine beschlossene Sache. Die Engel wissen es und die Dämonen auch, doch die Engel sagen nichts. Also haben wir die Dämonen beschworen. Aber mit den lächerlichen Hexereien, die man mir vorwirft, habe ich nichts zu tun.«
»Wie bist du dann in den Geruch der Hexerei gekommen?«, fragte Pater Hilarius mit falscher Anteilnahme.
»Ich habe meine Experimente weitergeführt, seit ich in dieser Stadt bin. Ihr wisst doch, wie die Leute reden, wenn sie nicht verstehen, mit was man sich beschäftigt.«
»Ach, weiß ich das? Mir scheint eher, dass die Leute vollkommen recht mit ihren Beschuldigungen haben. Schließlich hast du zugegeben, Dämonen beschworen zu haben. Du weißt, dass das als Pakt mit dem Teufel anzusehen ist, und auf diesen steht – wie du sicherlich ebenfalls weißt – der Tod durch Verbrennen.« Pater Hilarius stand auf, trat einen Schritt von dem Zauberer zurück und sagte dann beiläufig: »Und wie heißt noch gleich dein Zaubergenosse? Ich fürchte, ich habe den Namen schon wieder vergessen.«
»Ich hatte ihn nicht genannt«, sagte der kleine Mann trotzig und verzog die ausgekugelten Schultern, wobei sich sein Gesicht zu einer grauenhaften Schmerzensmaske verzerrte. Martin wurde unwillkürlich an gewisse Darstellungen des Herrn am Kreuz erinnert. »Ich kann ihn nicht genannt haben, weil ich keinen Genossen habe.«
»Ach?« Hilarius zog die Augenbrauen in gespieltem Erstaunen hoch. »Ich erinnere mich aber genau, dass du vorhin gesagt hast, ihr habet die Dämonen beschworen. Habt ihr das nicht auch alle gehört?«, fragte er die anderen Anwesenden. Ein zustimmendes Gemurmel setzte ein.
Es lag etwas Gehetztes im Blick des Zauberers. »Da müsst Ihr Euch verhört haben«, sagte er schnell.
»Dann hoffe ich, dass sich der Nachrichter nicht auch verhören wird, wenn ich ihm sage, dass er dich auf dem Streckbrett nicht allzu heftig aufziehen soll«, meinte Pater Hilarius darauf mit einem hämischen Grinsen.
Einige Handgriffe genügten, um den Zauberer auf dem leicht geneigten Streckbrett anzubinden, und schon drehte der Nachrichter mit offensichtlicher Freude an der oberen Winde. Wieder schrillten die Schreie des Gefolterten durch das Gewölbe. Martin hielt sich die Ohren zu, aber Suitbertus warf ihm einen warnenden Blick zu. Ihm schien dieses grässliche Schauspiel nichts auszumachen, dabei war er nur ausnahmsweise als weiterer Gehilfe des Paters tätig. Seine eigentliche Aufgabe bestand darin, dem alten Mönch zusammen mit Martin Geleit zu gewähren und ihn vor Überfällen von Banditen zu schützen, die die Gegend in einem Umkreis von einigen Tagesritten um das Kloster seit einiger Zeit in Angst und Schrecken versetzten. Auf dem Ritt nach Volkach aber war kein Angriff erfolgt.
Der Gedanke daran, von nun an solche Folterschauspiele öfter sehen zu müssen, machte Martin regelrecht krank. Warum hatte Pater Hilarius nicht den robusteren Suitbertus zu seinem persönlichen Gehilfen bestimmt?
Jetzt konnte es der Zauberer offenbar nicht mehr ertragen. Er schrie etwas, das Martin nach einigen Wiederholungen als den Namen »Burgebrach« erkannte. Burgebrach war ein Städtchen, das einige Tagesritte weiter östlich lag. Dann kam ein weiterer Name über die Lippen des Geschundenen, den Martin als »Laurenz Hollmann« deutete.
Nun wies Pater Hilarius den Nachrichter an, die Winde loszulassen. Der Zauberer stöhnte auf. Martin sah, wie ihm ein dünner Blutfaden aus dem Mund troff. Er murmelte etwas. Hilarius beugte sich über seinen Mund, um die Worte verstehen zu können. Dann lief ein Zucken durch den Körper des Gefolterten, und er lag ganz still und regte sich nicht mehr.
Pater Hilarius richtete sich sehr langsam wieder auf. Er legte die Hände vorsichtig auf seinen vorstehenden Bauch und sah Bruder Martin an. Martin konnte den Blick der dunklen Augen nicht lange ertragen.
»Er ist tot; der Teufel hat ihm den Hals umgedreht«, sagte der Pater leise. In seiner Stimme lag nicht der geringste Triumph. Was hatte er von dem Sterbenden erfahren?
Seinem Blick nach zu urteilen, hatten ihm die letzten Worte des Zauberers die Pforten der Hölle aufgeschlossen.
2. Kapitel
Nun war der Schankraum brechend voll. Pater Hilarius saß zusammen mit seinen beiden Konfratres am selben Tisch, an dem sie am Morgen gemeinsam gefrühstückt haben. Er starrte schweigend in seinen großen Weinhumpen und rührte wieder einmal kaum das Essen an, das vor ihm stand. Bruder Suitbertus hingegen schien nichts zu erschüttern. Er säbelte mit einem großen Messer an dem Schweinebraten herum, den die Magd nahe an den Pater gestellt hatte, sodass sich Suitbertus jedes Mal weit vorbeugen musste, um an die begehrten Köstlichkeiten zu kommen. Er schmatzte vernehmlich und zufrieden.
Auch Martin war nicht nach Essen zumute. Noch immer gellten ihm die Schmerzensschreie des