Anne Altenried

Wilderer und Jäger Staffel 1


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um dem Jager Lukas wie zufallsmäßig zu begegnen. Daß auch das stolze Söllner-Madl dazu gehörte, war erstaunlich und kaum zu glauben.

      »Hast schon gepfiffen und gerufen?« fragte Apollonia plötzlich.

      »Wem?« gab Anita zerstreut zurück.

      »Na, deinem Hundl!«

      »Ach so! Oh, der – der ist halt noch zu jung, um auf einen Pfiff hin zu folgen«, behauptete Anita.

      Im Denken der alten Frau ging es wie ein Licht auf. Sie bohrte ihren Blick in den des Madls und meinte, wie in einem offenen Buch lesen zu können. Aber sie gab ihre Vermutung nicht preis, sondern erklärte nur seufzend: »Ich schau hier nach dem Rechten, wenn der Jager unterwegs ist. Neuerdings scheint sich einiges Gesindel hier herumzutreiben. ’s ist besser, wenn ich’s erwisch und net der Jager. Denn wo der zuschlägt, da wächst bestimmt kein Gras mehr.«

      Anita war bei diesen Worten zusammengeschreckt und blaß geworden.

      »Er – er wird im Wald sein, weil er’s Wild wittert«, murmelte sie und wandte sich ab.

      »Gib auch auf dich acht – net nur auf den Hund!« rief Apollonia ihr nach, als sie sich verräterisch eilig entfernte.

      »Ich kenn mich bei der eigenen Tochter nimmer aus!« so klagte der Söllner-Bauer dem Bertrammer sein Leid. Obwohl Hannes wußte, worauf angespielt wurde, tat er verwundert und fragte ungläubig: »Wieso denn das? Ihr habt doch bisher ein gutes Verhältnis zueinand gehabt – oder?«

      »Ja, soweit schon, bis das Unglück mit Leo geschehen ist!« stieß der Söllner verzweifelt hervor. Es klang nicht überzeugend, weil er daran dachte, wieviel Streit es zwischen Anita und ihrem Bruder in der letzten Zeit vor dessen Tod gegeben hatte.

      »’s wird halt noch der Kummer sein, der sie so schwierig macht«, mutmaßte Hannes, bekümmert dreinschauend. »Nix scheint Anita aus dieser Trauer zu reißen. Ich versuch noch immer mein möglichstes. Wenn ich auch nix gesagt hab – wegen der Tanzerei mit dem Burschen – so hat’s mich doch tief getroffen. Mir hat Anita jedesmal eine Absage gegeben, wenn ich sie hab einladen wollen, um sie abzulenken. Mit einem Fremden aber scheint sie erstaunlich viel Spaß gehabt zu haben. Ich laß mich net zum Narren halten, Söllner. Lang möcht ich net mehr vergeblich werben. Ich will baldmöglichst heiraten. Mein Hof braucht eine Bäuerin und ich selber endlich ein eheliches Glück!«

      Der Söllner nickte schwer. Er hätte in jeder Weise gern mit dem Bertrammer getauscht. Wieder grollte er seiner störrischen Tochter, weil diese all seine schönen Pläne wie Seifenblasen zum Platzen brachte.

      »Und was hab ich net alles versucht«, begann nun auch Hannes zu klagen. »Ich weiß net mehr, was ich noch unternehmen soll. Kann ein Mensch mehr Geduld und Verständnis aufbringen?«

      »Wohl kaum«, gab der Söllner seufzend zur Antwort. »Ich weiß auch net mehr weiter.«

      »So red halt ein Machtwort!« riet Hannes schnell. »Bist doch der Vater und Erzieher. Bist noch immer der Herr auf deinem Hof!«

      Wieder seufzte der Söllner vernehmlich. Er hatte jedesmal eine Niederlage erlitten, wenn er Anita gegenüber seine Autorität hatte geltend machen wollen.

      »An mir liegt’s wahrhaftig net, daß du noch net mein Schwiegersohn bist«, beteuerte er, und das hörte sich echt verzweifelt an.

      »Am End steckt’s dem Madl noch wie Gift im Blut, daß Leo mich net zum Schwager hat haben wollen«, sagte Hannes und sah den Söllner lauernd an.

      »Mein Leo?« fragte dieser verdutzt.

      Hannes Bertrammer ließ sich nicht weiter darüber aus. Doch er machte ganz den Eindruck, als wäre er tief betrübt und untröstlich.

      »Und du hast mir schon – im Hinblick­ auf die baldige Hochzeit – ein zinsloses Darlehen geben wollen«, sagte der Söllner in bittendem Ton.

      »Ja – das war voreilig«, meinte Hannes. »Ich pfleg nur innerhalb der Familie Geld vorzustrecken.«

      Das war für den Söllner ebenso deutlich wie niederschmetternd. Nun war es wohl endgültig vorbei mit dem, was er seine Konjunkturspritz nannte. Aber sein Groll richtete sich jetzt auf die eigene Tochter und nicht auf den wohlhabenden Nachbarn, der aus seinem Geld ständig mehr zu machen verstand.

      »Vielleicht weiß Anita noch net, was alles für euch auf dem Spiel steht«, fuhr Hannes fort. »Du mußt amal energischer mit ihr reden, damit sie endlich erkennt, wieviel von ihr selber abhängt. Aber ich werd nun heimgehen. Ich erwart eine Lieferung Wein, von dem ich mir einiges versprech.«

      Der Söllner ließ ihn nur widerstrebend ziehen. Er wäre gern mitgegangen, um auch von diesem Wein zu kosten. Erneut zürnte er seiner Tochter. Ihr allein schob er die Schuld daran zu, daß der Bertrammer ihn nicht zu einer Weinprobe eingeladen hatte.

      Während der Söllner heut lange auf die Heimkehr seiner Tochter warten mußte, staute sich reichlich Wut in ihm an. Er empfing Anita schließlich mit heftigen Vorwürfen und sprach unbedacht auch das aus, was zu seinen heimlichen Plänen und Hoffnungen gehörte.

      Das Madl hingegen blieb ruhig und lächelte verträumt. Seit es verliebt war, schien Tag und Nacht die Sonne zu scheinen und selbst die laute Stimme des Vaters melodisch zu klingen.

      »Wer hat dich nur so aufgebracht?« fragte sie, als er endlich Luft holte.

      Da schlug er ihr auf den vorlauten Mund und stapfte mit schweren Schritten hinauf in seine Kammer.

      »So etwas Hirnrissiges!« stieß Anita entrüstet hervor. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Unterlippe und wurde wütend, als sie Blut schmeckte.

      Droben schlug eine Tür zu, rumpelte etwas zu Boden. Der Söllner ging heut zu Bett, ohne zu Abend gegessen zu haben.

      Derweil gönnte sich der Bertrammer-Hannes ein kleines, aber delikates Mahl. Anschließend ließ er sich ein großes Stück Käse bringen und trank genüßlich von dem Wein, der in vier edlen Sorten geliefert worden war.

      Er aß stets allein, wenn er keine Gäste hatte. Magd und Knechte duldete er nicht am Tisch in der Eßecke der großen Stube. Seiner Ansicht nach mußte es auch oder sollte es – gerade in der heutigen Zeit – einen deutlichen Unterschied zwischen Bauern und Bediensteten geben. Für deren Arbeit zahlte er über den Tarif hinaus. Das war das Höchste an Gegenleistung, das er aufzubringen vermochte.

      So saß er dann satt und entspannt im neuen ausklappbaren Lehnsessel und dachte über sich selber nach. Bisher hatte er alles erreicht, was er wollte – teils durch sein Geld, teils mit List oder ein bissel Gewalt. Die Söllner-Anita würde er auch bekommen. Es konnte sein, daß sie ihm wie eine reife Frucht zufiel, wenn er sie von dem Burschen befreite, mit dem sie getanzt und sich amüsiert hatte.

      Seit aus dem Söllner-Madl ein hübsches, reizvolles Weiberleut geworden war, wollte er es für sich haben und keinem andern gönnen. Anita sah gesund aus und würde ihm den ersehnten Erben schenken. Daß ihr Bruder gegen solche Pläne gewesen war, hatte nur ihm selber geschadet. Er, Hannes, kannte als einziger die Wahrheit über Leos Tod, nach der noch immer geforscht wurde. Niemals würde er sie verraten – net amal beim Genuß eines guten Weines.

      Während der Bertrammer sich an Vergangenes erinnerte, kicherte er ab und zu vor sich hin. Im stillen gratulierte er sich, weil er geschickt, unauffällig und erfolgreich vorgegangen war. Während er dem Söllner-Leo Freundschaft angeboten hatte, war schon die Überlegung dagewesen, wie er sich von ihm befreien könnte. Leo, der das größte Hindernis auf dem Weg zu Anita bedeutet hatte, war nun tot. Er würde nie wieder mit beißendem Hohne sagen: »Meine Schwester ist zu schad für einen so durchtriebenen Burschen wie dich, Bertrammer! Du würdest sie niemals wirklich lieben, sondern nur ihren Körper besitzen wollen. Ein großer Egoist bist du und ein Maskenträger! Deine Scheinheiligkeit übertrifft alles bisher Dagewesene. Anstatt sich damit abzufinden, daß Anita dich net mag, drängst dich ihr weiterhin auf und steckst dich hinter unseren Vater. Ihm gaukelst was vor, trübst seinen klaren Blick durch den Hinweis auf deinen Reichtum und den modernisierten Hof. Aber Geld allein, Bertrammer, macht net glücklich.«