Anne Altenried

Wilderer und Jäger Staffel 1


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sondern weise ge­lächelt.

      War das Vieh in den heimischen Stall zurückgekehrt, rüstete man sich für ein festliches Beisammensein in einem großen Gasthof am Talausgang. Dann zeigten die sonst so herben, manchmal derben Dörfler sich vielseitig und fröhlich. Anita freute sich, als der Bertrammer ärgerlich verkündete: »Ich muß genau dann zur Beerdigung eines Onkels! Daß der auch net a bissel hat warten können mit seinem Ableben…«

      Jetzt konnte sie ohne ihn an einer Feier teilnehmen und wollte es doppelt genießen. Sie ahnte nicht, daß der Mann, dem sie Rache geschworen hatte, ebenfalls dort erscheinen würde.

      Apollonia hatte den Kronseder-Lukas dazu überredet. »Mach das Spektakel ruhig amal mit«, hatte sie schmunzelnd geraten und versprochen, gut aufs Jägerhaus aufzupassen.

      Eigentlich war Lukas froh über diese Abwechslung in dem manchmal eintönigen Einerlei des Alltages und des Ärgers mit Vorgesetzten. Er würde nun Gelegenheit haben, auch ein paar von denen kennenzulernen, die in den beiden tiefer gelegenen kleinen Dörfern lebten.

      Lukas kam allein zu diesem Fest. Er wirkte keineswegs befangen oder unsicher, als er den Saal betrat. Der Lärm, der ihm entgegenbrandete, betäubte ihn beinahe. Um nicht zu nah bei der fünfköpfigen Musikkapelle zu sitzen, hielt er sich ganz links und nahm am letzten der längsseits aufgestellten, langen Tische Platz. Höflich stellte er sich denen vor, die am nächsten saßen. Er bestellte ein Bier, schaute sich das Gedränge auf der Tanzfläche an und fand, daß es im Jägerhaus doch gemütlicher sei.

      »Willst net tanzen?« fragte ein Bursche mit pickeligem Kinn und schon leicht glasigen Augen.

      »Später«, erwiderte Lukas freundlich. Er ließ den Blick durch den Saal schweifen, von Tisch zu Tisch, von Gast zu Gast. Plötzlich sah er in zwei dunkle Augen, die zu einem hübschen schwarzhaarigen jungen Madl gehörten. Es war, als blende ihn jäh ein Feuerstrahl.

      Lukas fühlte das Prickeln nicht nur auf der Haut, sondern bis ins Herz hinein. Er lächelte dem Madl so lange zu, bis sein Lächeln erwidert wurde. Nun schaute er mehr zu jenem Madl hin, als sich für das Unterhaltungsprogramm zu interessieren, das geboten wurde. Es gab eine Verlosung, für die Lukas drei Lose kaufte, ohne sie sofort zu öffnen. Ein junges Paar trug Lieder der Berge vor. Volkstänze wurden aufgeführt, daß der Boden vom Stampfen erzitterte.

      »Wer macht mit?« rief der Musiker in den Saal, der Akkordeon spielte. »Der beste Tänzer erhält einen schönen Preis!« setzte er noch lauter hinzu und erntete Beifall.

      Lukas jedoch blickte zu dem Madl hin, sah die roten Blütenornamente auf dessen Dreieckstuch seidig schimmern und überlegte, wie er da rasch und erfolgreich Bekanntschaft schließen könnte.

      »Seids am End feig, schüchtern oder zu ungeschickt?« rief der Musiker jetzt und blickte vorwurfsvoll auf die männlichen Gäste.

      Fünf Burschen erhoben sich und gingen zu ihm. Lukas schaute nachdenklich dem Madl ins Gesicht und hatte das Gefühl, als würde es sich heimlich über ihn belustigen.

      »Zu feig – schüchtern – zu ungeschickt«, so hallte es in ihm nach. Er nahm die innere Herausforderung an, stand auf und folgte den fünf Burschen.

      Jetzt bildeten sie eine Gruppe von sechs Mann und wurden kurz vom Akkordeonspieler unterwiesen. Als wäre es verabredet, waren sie fast gleich angezogen. Nur daß die Strümpfe und Schuhe sich von den schwarzen und grünen Kniebundhosen unterschieden. Die kunstvoll bestickten Hosenträger über den blütenweißen Hemden und die jeweilige Größe machten sie ebenfalls unterschiedlich.

      Lukas Kronseder überragte alle. Er legte los, als wäre er ein Profi. Zum Takt der Musik schlug er mit den Händen auf Schenkel, Knie und die Absätze der Haferlschuhe.

      Er machte Drehfiguren, zu denen man Beifall klatschte. Es wurde »Bravo!« gerufen und von einigen auch sein Vornamen. Immer wieder aber blickte Lukas zu jenem Madl hin und freute sich, als er es die Hände schließen sah, wie um ihm die Daumen zu drücken.

      »Schau her!« schien sein Blick zu sagen. »Ich tanz für dich, damit du mich net für feig, schüchtern oder ungeschickt hältst!«

      An die er so dachte, war die Söllner-Anita, die bisher brav und etwas gleichgültig zwischen zwei älteren Bäuerinnen gesessen hatte. Sie hatte ihn hereinkommen sehen und war sofort wie elektrisiert gewesen. Der fesche Bursche zog sie magisch an; sie hatte sein Lächeln ganz einfach erwidern müssen.

      Das Schuhplatteln wurde in diesem Augenblick für sie zu einem besonderen Ereignis. Was ursprünglich das ausgelassene Werben der Burschen um die Gunst ihrer Madln gewesen war, erlebte nun für Anita eine stürmische Wiederauferstehung. Ihr Herz, das eines Mannes wegen bisher nie schneller geschlagen hatte, hämmerte mit einemmal spürbar gegen die Rippen. Jeder Jauchzer von der Bühne her war eine Aufforderung an sie, sich umgarnen und erobern zu lassen.

      Für Anita war es dann keine Überraschung, daß Musiker und Gäste jenen größten und nettesten Tänzer zum Sieger erkoren. Er bekam einen Lorbeerkranz mit Schleife umge­hängt und eine Riesenflasche Sekt.

      Erneut wurde Beifall geklatscht; ein Tusch beendete die Sondereinlage. Die Musiker spielten wieder zum Tanz auf.

      Lukas kehrte nicht an seinen Tisch zurück. Den Blick unverwandt auf jenes Madl gerichtet, näherte er sich. Sein Herz weitete sich, als dunkle Augen und ein Lächeln ihn schon willkommen hießen.

      Er stellte die Flasche vor dem Madl auf den Tisch, nahm den Lorbeerkranz ab und fuhr sich mit dem Sacktuch über das verschwitzte Gesicht. Derweil lachte das Madl auf und meinte in scherzhaftem Ton: »Vorzustellen brauchst dich nimmer, Lukas. Scheinst anderen weniger fremd zu sein als mir.«

      Er wußte selber nicht, warum er nicht sofort seinen Familiennamen nannte und seinen Beruf erwähnte. Irgendwie war es so prickelnd wie ein geheimnisvolles Abenteuer, das er auskosten wollte.

      »Darf ich die Damen einladen? Allein schaff ich die Riesenflasch net«, sagte er so höflich wie ein Stadtmensch. Er verbeugte sich zu den älteren Bäuerinnen hin und kniff dem Madl ein Auge.

      Das wirkte auf alle befreiend. Im Nu war Lukas auch von denen umringt, die sich kostenlos einen Schluck Sekt verschaffen wollten. Bekannte waren für ihn nicht darunter. Es war auch keiner dabei, der ihn über die Söllner aufklärte.

      »Ich bin Anita«, hatte das Madl fröhlich gesagt, und das genügte ihm fürs erste.

      »Magst tanzen mit mir?« erkundigte er sich, als ihre Gläser geleert waren.

      »Mit einem solchen Tänzer kann’s nur ein Vergnügen sein«, gab sie lächelnd zur Antwort.

      Und so war es halt – es hatte zwischen ihnen gefunkt. Sie brauchten nicht viel voneinander zu wissen, weil sie gleich spürten, daß sie sich einig waren – zumindest in den Sehnsüchten, die beim Tanzen heiß in ihnen aufstiegen.

      Lukas wunderte sich, daß er Anita zuvor nirgends gesehen hatte. Doch er dachte an die drei Dörfer und die paar abgelegenen Höfe, die es schon möglich erscheinen ließen, daß er wochenlang am Madl seiner Träume vorbeigelaufen war.

      Keinen der Tänze ließen sie aus, was von einigen Gästen mit Mißbilligung zur Kenntnis genommen wurde. Schließlich sah man das Söllner-Madl bereits mit Hannes Bertrammer verheiratet. Es war allen bekannt, daß er bei den Söllners ein und aus ging und von Anitas Vater schon als künftiger Schwiegersohn bezeichnet wurde.

      Manch einer empfand es als Herausforderung, daß die zwei so eng zusammen tanzten und sich anstarrten, als staunten sie einander wie ein Weltwunder an. Man mußte es dem Bertrammer sofort berichten, wie seine Zukünftige sich heute amüsiert und recht schamlos verhalten hatte.

      Hannes Bertrammer ließ sich von seinem Zorn nichts anmerken, als er von Anitas neuer Bekanntschaft erfuhr. Ruhig hörte er sich an, was man ihm berichtete, und erklärte jedem der übereifrigen Schwätzer: »Anita weiß genau, was sie will – und ganz bestimmt net einen Fremden zum Mann. Warum hätt sie net tanzen sollen, während ich verreist war? Sie ist doch kein Kind von Traurigkeit und sollt sich nie wie gefangen fühlen!«

      Sichtlich