Anne Altenried

Wilderer und Jäger Staffel 1


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in Umrissen hervor. Mond und Sterne waren hinter Wolken verborgen, die schneeverdächtig waren.

      Grad günstig für einen, der mit bösen Absichten zu dieser Stund hier herumschleicht! sagte sich Apollonia. Sie jedoch trat fest auf, als wolle sie kundtun, daß sie sich in der einsamen Finsternis nicht fürchtete.

      Unterhalb des Jägerhauses blieb sie stehen, um kurz zu verschnaufen. Sie sah erleuchtete Fenster vor sich und hinter einem den Schatten des Alois Schaidhammer. Er war es also net gewesen, der den Hund zum Winseln gebracht und von seinem Stammplatz gelockt hatte.

      Da! Verharrte dort net jemand im Schatten des tief herabreichenden Daches? Apollonia hielt sekundenlang den Atem an und überlegte. Sie war mit nicht mehr als nur einer Laterne und ihrem eigenen Mut bewaffnet. Derjenige aber, der so dicht beim Haus lauerte, hatte eine gute Sicht ins Innere und ein klares Ziel, falls er schießen wollte. Mit einemmal spürte Apollonia einen so glü­henden Zorn in sich, daß ihr warm wie lange nicht wurde. Nun schlich auch sie, leicht geduckt und im Schatten der Felsen bleibend, näher.

      Parallel zum Jägerhaus blieb sie stehen, stellte die Laterne ab, machte einen Satz – und warf sich mit ausgebreiteten Armen auf die schattenhafte Gestalt. Sie fühlte einen unmännlich weichen Körper, während ihr gleichzeitig ein Schreckensschrei betäubend in die Ohren gellte.

      Apollonia sprang zurück, um die Laterne zu holen und deren Licht höher zu schrauben. Schon leuchtete das Licht über der Haustür auf. Alois Schaidhammer stürzte, das Gewehr im Anschlag, ins Freie. Mit den baumelnden Hosenträgern und im Unterhemd sah er wenig dienstlich aus, aber sein grimmiges Gesicht war deutlich zu erkennen. Mit einer Kommandostimme, die die Tiere des Waldes aufschreckte, brüllte er: »Halt! Wer da! Stehenbleiben, oder ich schieß!«

      Apollonia kam ein Lachen an, während sie das Licht ihrer Lampe nun auf die Gestalt richtete, die sie gerade noch im Arm gehabt hatte. Es beleuchtete ein junges, nicht schuldbewußtes, sondern höchste Em­pörung ausdrückendes Antlitz.

      »Ja – ja – ist denn das möglich? Du – Söllner-Madl?!« stieß Apollonia überrascht hervor.

      Nun war auch der Jager herangekommen. »Kruzitürken!« schimpfte er. »Was führt ihr Weiberleut denn hier für ein Theater auf? Und das fast bei der Nacht!«

      »Das ist das Madl vom Söllner-Bauern«, erklärte Apollonia.

      »Kommt erst amal herein, ihr zwei!« forderte der Jager sie auf und ging kopfschüttelnd voraus.

      Im helleren Licht der Jägerstube fand er beide dann harmlos und ziemlich verschreckt. Aber er schnalzte unwillkürlich mit der Zunge, als er feststellte, welch bildsauberes Madl ihm zu dieser Stund ins Haus geschneit war. Schon hielt er Apollonias Anwesenheit für überflüssig. Dennoch vergaß er seine Pflicht nicht. Mit ernster Miene und betont dienstlich sagte er: »Also – heraus mit der Sprach, selbst wenn es euch die verschlagen hat. Was habt ihr zu melden? Gibt es gar einen Hinweis auf den Halunken, der uns Jagern das Leben schwermacht?«

      Apollonia sah, wie sich das Gesicht des Madls glutrot färbte, und wartete gespannt ab. Anita dagegen erwiderte in hochmütigem Ton: »Wir Söllner interessieren uns net für Jager. Ich hab mich lediglich verirrt und bin bei der Dunkelheit einen Pfad zu hoch und zu weit links gegangen.«

      »Ach«, mischte sich Apollonia ein, »man sollt doch meinen, daß du dich hier bestens auskennst und selbst im Stockfinsteren direkt nach Haus findest. Könnt es sein, daß du was verloren hast?«

      »Was sollt ich in der Einöd hier zu suchen haben?« gab Anita in schnippischem Ton zurück.

      »Zum Beispiel etwas, das dir in der Eile abhanden gekommen ist, was du net sofort bemerkt hast«, antwortete Apollonia mit hintergründigem Lächeln.

      Anita öffnete den Mund, als wollte sie widersprechen, schloß ihn jedoch wieder. Der Schaidhammer-Alois blickte verständnislos von einer zur anderen.

      »Mich hat es net gefreut, deine Bekanntschaft zu machen«, erklärte das Madl, das ihm so gut gefiel. »Ich will so schnell wie möglich heim.«

      »Findest den richtigen Weg zurück?« erkundigte er sich, die Kränkung einer bitteren Pille gleich hinunterschluckend.

      »Ich nehm sie a Stückerl mit und hab ja das Licht dabei«, sagte Apollonia.

      Anita schwieg trotzig, während die Gedanken hinter ihrer Stirn zu rasen schienen. Sie fühlte sich durchschaut, beinahe ertappt und hatte sich den Jager anders vorgestellt, der ihren Bruder erschossen hatte. Vielleicht hat er ihn in Notwehr getötet? so überlegte sie, die ihn ein Leben lang hatte hassen wollen.

      »Ich würd euch lieber begleiten und mich versichern, daß das Madl gut heimkommt«, sagte Alois.

      »Wennst im Haus bleibst, kannst auf keinen schießen«, meinte Anita.

      Er sah sie verblüfft an, indes Apollonia ihr einen mißbilligenden Blick zuwarf und mahnte: »Tu keinem ein Unrecht, Madl, solang du dir net ganz sicher bist, daß er eine Schuld trägt.«

      Das Madl verzog spöttisch die Lippen und ging zur Tür. Es wehrte mit einer heftigen Handbewegung ab, als Alois folgen wollte.

      »Sorg dich net, Jager«, sagte Apollonia zu ihm und lächelte ihm beruhigend zu. Er jedoch begriff noch nicht so recht, was er da erlebte. Zwei Weiberleut auf einmal im einsamen Jägerhaus! Und jede verwirrte ihn auf eine andere Weise.

      Als sie sich tatsächlich ohne ihn auf den Weg machten, schaute er ihnen von der Haustür aus nach und horchte hin und wieder. Er ließ die Lampe über der Tür so lange brennen, bis die zwei nicht mehr zu sehen und auch ihre Schritte verhallt waren.

      »Hast dich jetzt davon überzeugt, daß du kein Recht hast, Rache zu üben?« fragte Apollonia, als ihr Häusl schon schemenhaft in Sicht kam.

      Anita blieb abrupt stehen und schnaufte vor Empörung. »Laß dein Eifern und geheimnisvolles Reden, Apollonia!« verlangte sie in drohendem Ton.

      »Und wenn ich gefunden hab, wonach du gesucht hast?« erwiderte das alte Weib, hob die Lampe und ließ das Licht wieder auf das Gesicht des Madls fallen. Dieses drückte Wut und auch Furcht aus. Die Augen glühten darin, als hätte Anita Fieber.

      Apollonia ließ die Lampe langsam sinken und seufzte. »Laß dich net länger von dem treiben, was du vermutest und was dir eingeredet worden ist«, riet sie. »Nie und nimmer ist dein Bruder von einem Jager erschossen worden. Drum solltest aufhören, ihnen Schwierigkeiten zu bereiten.«

      »Was hätt ich mit denen zu tun?« erwiderte Anita in schroffem Ton.

      »Sehr viel – das weißt selber besser als ich.«

      Das Madl schritt nun schneller aus, als wollte es die lästige Alte rasch loswerden.

      Im Häusl drinnen bellte heiser der Hund, kratzte mit den Pfoten innen an der Tür.

      »Wart«, bat Apollonia. »Ich möcht dir was geben und werd dazu keine Fragen stellen. Wennst in Ruh über dich selber nachdenkst, wird dir ein helleres Licht aufgehen als aus dieser alten Lampe hier.«

      Anita war so verdutzt, daß sie tatsächlich stehenblieb und wartete. Ein schwacher Lichtstrahl fiel aus der Tür des Häusls. Der Hund drinnen winselte und sprang an Apollonia hoch. Dann kläffte er heiser zu ihr, Anita, heraus. Diese fühlte sich beleidigt, drehte sich um und wollte weitergehen.

      »So wart doch!« rief Apollonia, winkte ihr zu und machte eine einladende Bewegung ins Innere ihres Häusls.

      »Nein!« wehrte Anita. »Es ist zu spät für einen Besuch. Du willst mir nur aus der Hand lesen. Darauf aber pfeif ich.«

      Apollonia hob langsam die linke Hand. Anita sah einen Gegenstand, der im matten Licht blitzte, und erkannte ihn sofort. Einen schweren Atemzug lang glaubte sie zu träumen, stand mit weit aufgerissenen Augen da und wußte nichts zu sagen.­

      »Ich hab das Silberketterl gleich wiedererkannt«, verriet Apollonia, während sie langsam näher kam und den Blick scharf auf das entgeisterte Gesicht des Madls heftete. »Und leider hab ich es an einer Stell gefunden, die eine Gedankenverbindung