Heinrich Zschokke

Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke


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es, Prinz, daß Sie sich für Pilzow so lebhaft interessieren? Sonst war's doch nicht so.«

      »Es geschieht, Gräfin, weil ich ihn vorher nicht kannte, noch weniger seine traurige Lage, in die Sie ihn stürzten. Ich schwöre Ihnen, er ist unschuldig. Sie haben ihm nichts zu verzeihen, aber wohl er Ihnen.«

      »Still!« lispelte die Karmeliterin mit erheiterten Mienen: »Man achtet auf uns. Kommen Sie hinweg von hier!« – Sie legte ihre Larve vor, stand auf und gab dem vermeinten Prinzen den Arm. Beide gingen den Saal entlang, dann in ein leeres Seitenkabinett. Hier führte die Gräfin bittere Klagen gegen den Kammerherrn; aber es waren nur Klagen eifersüchtiger Liebe. Sie trocknete eine Träne ab. Da trat schüchtern der zärtliche Brahmine herein. Es entstand tiefe Stille. Philipp wußte hier nichts Besseres zu tun, als er führte den Kammerherrn zur Karmeliterin, legte beider Hände ineinander ohne ein Wort zu sagen, und überließ sie ihrem Schicksal. Er selbst ging in den Saal zurück.

      4.

       Inhaltsverzeichnis

      Hier stieß ihn ein Mameluk an und sagte hastig: »Gut, Domino, daß ich Sie finde. Ist das Rosenmädchen hier im Kabinett?« – Der Mameluk trat hinein, und kam den Augenblick wieder zurück. »Auf ein Wort allein, Domino!« und führte Philipp in einen entlegenen Teil des Saales ans Fenster.

      »Was steht zu Befehl?« fragte Philipp.

      »Ich beschwöre Sie,« sagte der Mameluk mit gedämpfter, aber fürchterlicher Stimme, »wo ist das Rosenmädchen?«

      »Was geht mich das Rosenmädchen an?«

      »Aber mich desto mehr!« entgegnete der Mameluk, dessen gepreßte Stimme, dessen unruhige Bewegungen eine schreckliche Gärung seines ganzen Innern verrieten: »Mich desto mehr! Es ist mein Weib. Sie wollen mich unglücklich, machen. Prinz, ich beschwöre Sie, treiben Sie mich nicht zum Wahnsinn. Lassen Sie von meinem Weibe.«

      »Von Herzen gern!« antwortete Philipp trocken: »Was habe ich mit Ihrer Gemahlin zu schaffen?«

      »O! Prinz! Prinz!« rief der Mameluk: »Ich bin zum Aeußersten entschlossen, und sollte es mir das Leben kosten. Verstellen Sie sich keinen Augenblick länger vor mir. Ich habe alles entdeckt. Hier, da – sehen Sie – hier ist das Billett, das Ihnen das falsche Weib in die Hand drückte, und Sie, ohne es gelesen, zu haben, im Gedränge verloren.«

      Philipp nahm den Zettel. Mit Bleistift war von einer weiblichen Hand darauf geschrieben: »Aendern Sie die Maske. Alles kennt Sie. Mein Mann beobachtet Sie. Mich kennt er nicht. Wenn Sie artig sind, lohn' ich's Ihnen.«

      »Hm!« brummte Philipp: »Das ist, so wahr ich lebe, nicht an mich geschrieben. Ich bekümmere mich um Ihre Gemahlin wenig.«

      – »Himmel und Hölle, Prinz, machen Sie mich nicht rasend. Wissen Sie, wen Sie vor sich haben? Ich bin der Marschall Blankenschwerd. Daß Sie meinem Weibe nachstellen, ist mir seit der letzten Redoute am Hofe nicht mehr unbekannt.«

      »Herr Marschall,« versetzte Philipp, »nehmen Sie mir's nicht übel, die Eifersucht blendet Sie. Wenn Sie mich recht kennten, Sie würden von mir so tolles Zeug gar nicht denken. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, Ihre Gemahlin soll Ruh vor mir haben.«

      – »Ist es Ihr Ernst, Prinz?«

      »Vollkommen.«

      – »Geben Sie mir den Beweis.«

      »Wie verlangen Sie ihn?«

      – »Sie haben sie bisher abgehalten, ich weiß es, zu ihren Verwandten nach Polen mit mir zu reisen. Bereden Sie sie jetzt dazu.«

      »Von Herzen gern, wenn Ihnen damit gedient ist.«

      –»Alles, königliche Hoheit, alles! Sie verhüten entsetzliches, unvermeidliches Unglück.«

      Der Mameluk plauderte noch ein Langes und Breites, bald weinerlich, bald flehend, bald drohend, daß dem guten Philipp bange ward, der Mensch könne in seiner Tollheit mit ihm vor aller Welt Händel beginnen. Und das war ihm eben nicht gelegen. Er war froh, als er von ihm abkam.

      Kaum hatte er sich in der Masse der Uebrigen verloren, kniff ihn eine weibliche Maske, die schwarz beflort in tiefen Trauerkleidern einherging, freundlich in den Arm und flüsterte: »Schmetterling, wohin? – Flößt Ihnen die verlassene Witwe kein Mitleiden ein?«

      Philipp erwiderte gar höflich: »Schöne Witwen finden nur der Tröster zu viel – darf ich mich zur Zahl Ihrer Tröster zählen?«

      »Warum sind Sie so ungehorsam und änderten die Maske nicht?« sagte die Witwe, indem sie mit ihm seitwärts ging, wo sie freier mit ihm ins Gespräch treten konnte: »Glauben Sie denn, Prinz, daß Sie nicht von jedem hier erkannt sind?«

      »Die Leute,« versetzte Philipp, »sind doch ungewiß, und irren sich in mir.«

      »Wahrhaftig nicht, Prinz; und kleiden Sie sich nicht auf der Stelle anders, so verlasse ich Sie für den ganzen Abend. Denn ich möchte meinem Mann keinen Anlaß zu einem Auftritte geben.«

      Jetzt wußte Philipp, mit wem er es zu tun hatte. »Sie waren das schöne Rosenmädchen. Sind die Rosen so schnell verblüht?«

      »Was ist nicht vergänglich? Besonders Männertreue! Ich sah wohl, wie Sie mit der Karmeliterin davongeschlichen. Bekennen Sie nur Ihre Flatterhaftigkeit. Sie können nicht mehr leugnen.

      »Hm!« versetzte Philipp trocken: »Klagen Sie mich nicht an, sonst klag' ich Sie auch an.«

      »Zum Beispiel, schöner Schmetterling?«

      »Es gibt, zum Beispiel, doch keinen treuern Mann, als den Marschall.«

      »Das ist er wohl. Und ich habe unrecht, wahrlich großes Unrecht, Sie zu viel angehört zu haben. Ich mache mir Vorwürfe genug. Er hat leider unser Verhältnis ausgespürt.«

      »Seit der letzten Redoute am Hofe, schöne Witwe.« »Wo Sie zu ausgelassen und unvorsichtig waren, schöner Schmetterling.«

      »Machen wir's wieder gut. Trennen wir uns. Ich schätze den Marschall. Ich mag ihn meinetwegen nicht leiden sehen.«

      Die Witwe betrachtete ihn eine Weile sprachlos.

      »Haben Sie,« fuhr Philipp fort, »wirklich einige Achtung für mich, so reisen Sie mit dem Marschall nach Polen zu Ihren Verwandten. Es ist besser, daß wir uns nicht zu viel sehen. Eine schöne Frau ist schön; eine treue, tugendhafte Frau ist aber noch schöner.«

      »Prinz!« rief die bestürzte Marschallin: »Ist das Ihr Ernst? Haben Sie mich je geliebt oder belogen?«

      »Sehen Sie,« sagte Philipp, »ich bin ein Versucher ganz eigner Art. Ich suche die Tugend und Treue unter den Weibern, und finde sie so selten. Die Treueste und Tugendhafteste kann mich allein fesseln – darum fesselt mich keine. Doch, holla, nein, daß ich nicht lüge. Eine hat mich gefesselt. Aber, es tut mir leid, Frau Marschallin, das sind eben Sie gerade nicht.«

      »Sie sind in einer abscheulichen Laune, Prinz!« sagte die Witwe, und das Zittern ihrer Stimme und das Auf- und Abwogen ihres Busens verriet, was in ihr vorging.

      »Nein,« erwiderte Philipp, »ich bin, so wahr ich lebe, in der ehrlichsten Laune von der Welt. Ich möchte gern einen dummen Streich wieder gutmachen. Ich hab' es Ihrem Manne auch gesagt.«

      »Wie?« rief die Witwe erschrocken: »Sie haben dem Marschall alles offenbart?«

      »Nicht eben alles, nur was ich wußte.«

      Die Witwe wandte sich in heftiger Bewegung rechts und links. Sie rang die Hände. Endlich fragte sie: »Wo ist mein Mann?«

      Philipp zeigte auf den Mameluken, der in dem Augenblick mit langsamen Schritten daherkam.

      »Prinz!« sagte die Witwe mit einem Tone voll unaussprechlichen Zorns: »Prinz, verzeihe Ihnen Gott, ich kann Ihnen nie verzeihen. Solcher Abscheulichkeit hielt ich nie das Herz eines