Heinrich Zschokke

Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke


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stolz den Rücken, ging auf den Mameluk zu und verlor sich mit ihm, wie man sah, in eine sehr ernste Unterredung.

      Philipp lachte heimlich vor sich in den Bart und dachte bei sich: »Mein Substitut, der Nachtwächter, mag sehen, wie er zurechtkommt. Ich spiele meine Rolle in seinem Namen so übel nicht. Wenn er nur morgen so ehrlich fortfährt, wie ich angefangen habe.«

      Er trat zu den Tanzenden und erblickte mit Vergnügen die schöne Karmeliterin in den Reihen der Tänzerinnen an der Seite ihres überglücklichen Brahminen. Dieser ward den feuerfarbenen Domino kaum gewahr, so warf er ihm eine Kußhand zu, und bezeichnete pantomimisch die Höhe seiner Seligkeit. Philipp dachte bei sich: »Schade, daß ich nicht Prinz für zeitlebens bin. Die Leute sollten bald alle mit mir zufrieden sein. Es ist in der Welt nichts leichter, als ein Prinz zu sein. Mit einem Worte vermag er mehr, als der beste Advokat mit einer langen Rede. Er hat das Vorrecht, geradezu zu gehen und frei von der Leber weg zu sprechen. Ja, wenn ich Prinz wäre, dann wäre mein Röschen – für mich verloren. Nein, ich möchte nicht Prinz sein.«

      Er sah nach der Uhr, es war erst halb zwölf Uhr.

      Da kam der Mameluk in Hast auf ihn zu, zog ihn auf die Seite und gab ihm ein Papier. »Prinz,« rief der Mameluk, »ich möchte zu Ihren Füßen fallen und Ihnen im Staube danken. Ich bin versöhnt mit meiner Frau. Sie haben Ihr Herz gebrochen; aber es ist gut, daß es geschah. Sie will noch diese Nacht abreisen. Sie will auf den Gütern in Polen bleiben. Leben Sie wohl. In welcher Stunde es auch sei, ich erwarte Ihre Befehle, wenn es darauf ankommt, für Ihre königliche Hoheit in den Tod zu gehen. Mein Dank ist ewig. Leben Sie wohl!«

      »Halt!« rief Philipp, da der Marschall schnell davon wollte: »Was soll ich mit dem Papier?«

      Der Marschall antwortete: »Es ist meine Spielschuld von voriger Woche, die ich fast vergessen hatte und jetzt bei der Abreise nicht vergessen möchte. Ich habe den Wechsel auf Ihre königliche Hoheit endossiert.« Damit verschwand der Marschall.

      5.

       Inhaltsverzeichnis

      Philipp schielte auf das Blatt, las da etwas von fünftausend Gulden, steckte das Papier zu sich und dachte: »Schade, daß ich nicht Prinz bin.«

      Indem wisperte ihm jemand ins Ohr: »Königliche Hoheit, wir sind beide verraten. Ich erschieß mich!.« – Philipp sah sich mit großen Augen um und erblickte einem Neger.

      »Was wollen Sie, Maske?« fragte Philipp ganz gelassen.

      »Ich bin der Oberst Kalt!« antwortete flüsternd der Neger: »Die unselige Marschallin hat dem Herzog Hermann geplaudert, und dieser speit jetzt Feuer und Flammen gegen Sie und mich.«

      »Meinethalben!« versetzte Philipp.

      »Aber der König erfährt alles!« seufzte der Neger ängstlich: »Vielleicht werde ich diese Nacht schon arretiert und morgen auf die Festung gebracht. Ich erhänge mich lieber.«

      »Davon haben Sie keinen Nutzen!« sagte Philipp.

      »Soll ich mich lebenslänglicher Schande preisgeben? Ich bin verloren. Der Herzog wird mutige Genugtuung fordern. Sein Rücken ist gewiß noch blau von der Tracht Schläge, die ich ihm gab. Ich bin verloren und das Bäckermädchen dazu. Ich springe von der Brücke und ersäufe mich noch diese Nacht.«

      »Behüte Gott!« sagte Philipp. »Was hätten Sie und das Bäckermädchen davon?«

      »Ihre königliche Hoheit scherzt, und ich bin in Verzweiflung. Ich flehe untertänigst, nur ein paar Augenblicke unter vier Augen gönnen Sie mir.«

      Philipp folgte dem Neger in ein einsames Seitengemach, wo wenige Kerzen einen düsteren Schein verbreiteten. Der Neger warf sich, wie gelähmt, auf ein Sofa nieder und seufzte laut. Philipp fand auf einem Tische Erfrischungen nebst feinen Weinen und ließ sich´s schmecken.

      »Ich begreife nicht, wie Ihre königliche Hoheit so ruhig bei der verdammten Geschichte bleiben kann!« sagte der Neger: »Wäre nur der Schelm, der Neapolitaner Salmoni, noch hier, der den Geisterbeschwörer spielte; der Kerl war voller Ränke von den Zehen an bis zum Scheitel und hätte uns vielleicht mit einer List retten können. Jetzt hat er sich aus dem Staube gemacht.«

      »Desto besser!« erwiderte Philipp und füllte sein Glas von neuem. »So schieben Sie alle Schuld auf ihn. Er ist davon.«

      »Wie auf ihn schieben? Der Herzog weiß nun, daß Sie, ich, die Marschallin und das Bäckermädchen in der Intrigue waren, um aus seinem Aberglauben Nutzen zu ziehen. Er weiß, daß Sie den Salmoni zur Geisterbannerei bestachen; daß ich mein Bäckermädchen, in das er verliebt war, abrichtete, um ihn in die Falle zu locken; daß ich der Geist war, der ihn zu Boden warf und ihm das Fell bläute. Hätte ich nur den Spaß nicht zu weit getrieben! Aber ich wollte ihm die Liebe zu meinem Mädchen ein wenig ausklopfen. Es ist ein verdammter Streich. Ich nehme Gift.«

      »Nehmen Sie lieber ein Glaß Wein; er ist gut!« sagte Philipp und nahm mit großer Eßlust ein frisches Stück Torte. Und überhaupt, setzte er hinzu, muß ich Ihnen offen gestehen, lieber Oberst, daß Sie für einen Obersten sehr feig sind und sich da einer Narrengeschichte willen gleich erschießen, ersäufen, vergiften und aufhängen wollen. Es wäre schon an einem zuviel. Zweitens muß ich Ihnen sagen, daß ich aus Ihrem Geschwätz da untereinander noch zur Stunde nicht klug werde.«

      »Königliche Hoheit halten zu Gnaden, ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Der Kammerjunker des Herzogs – er ist mein alter Freund – vertraute mir diesen Augenblick, die Marschallin sei, vom Teufel geplagt, erst vor wenigen Minuten zum Herzog getreten und habe ihm gesagt: die Komödie im Haus des Bäckers hat Ihnen Prinz Julian gestiftet, der Ihnen seine Schwester nicht gönnte. Die Hexe, die Sie sahen, war ich selbst, als Abgeordnete der Prinzessin, um Zeugin Ihres Aberglaubens zu sein. Prinz Julian hat das Verzeichnis Ihrer Schulden, das Sie in die Gruft warfen, aus welcher Sie die Schätze heben sollten, sowie Ihren Revers gegen das Bäckermädchen, das Sie, nach der Vermählung mit der Prinzessin, als Mätresse zu sich nehmen, und adeln lassen wollten. Und der Geist, der Sie abprügelte, war Oberst Kalt, der Handlanger des Prinzen. Darum ging es mit Ihrer Vermählung dem Krebsgang. Machen Sie sich keine Hoffnung länger; Sie warten vergebens. – So hat die Marschallin dem Herzog gesagt und ist verschwunden.«

      Philipp schüttelte den Kopf und brummte: »Das sind mir auch saubere Geschichten! Solcher Streiche schämt man sich ja im gemeinsten Pöbel. Was Teufeleien und kein Ende!

      »Nein,« rief der Oberst, »Rasenderes, Pöbelhafteres kann man nicht tun als die Marschallin. Das Weib muß eine Furie sein. – Gnädigster Herr, retten Sie mich.«

      »Wo ist denn der Herzog?« fragte Philipp.

      »Der Kammerjunker sagte, er sei schnell aufgestanden und habe bloß gerufen: Ich gehe zum König! Denken Sie, Prinz, wenn der zum König geht und unsere Historie nach seiner Art malt.«

      »Ist denn der König hier?«

      »Allerdings. Er spielt im Nebenzimmer mit dem Erzbischof und dem Polizeiminister l'Hombre.«

      Philipp ging mit großen Schritten durch das Kabinett. Hier war guter Rat teuer.

      »Königliche Hoheit,« sagte der Neger, »retten Sie mich. Es gilt Ihre eigene Ehre. Es wird Ihnen leicht sein. Uebrigens bin ich auf alles gefaßt und beim ersten bösen Wind über die Grenze. Ich packe ein. Morgen erwarte ich Ihre letzten Befehle über mein Verhalten.« – Mit diesen Worten verschwand der Neger.

      6.

       Inhaltsverzeichnis

      »Es ist hohe Zeit, daß du wieder Nachtwächter wirst, Philipp!« dachte Philipp bei sich selber. »Du verwickelst dich und deinen Substitut in gottlose Händel, aus denen dich und ihn weder seine noch meine Klugheit rettet. – Das also wäre der Unterschied zwischen