Фридрих Вильгельм Ницше

Gesammelte Werke


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den un­be­sieg­ba­ren Glau­ben, die­se Son­ne, die­ses Fens­ter, die­ser Tisch sei eine Wahr­heit an sich, kurz nur da­durch, daß der Mensch sich als Sub­jekt, und zwar als künst­le­risch schaf­fen­des Sub­jekt, ver­gißt, lebt er mit ei­ni­ger Ruhe, Si­cher­heit und Con­se­quenz: wenn er einen Au­gen­blick nur aus den Ge­fäng­niß­wän­den die­ses Glau­bens her­aus könn­te, so wäre es so­fort mit sei­nem »Selbst­be­wußt­sein« vor­bei. Schon dies kos­tet ihm Mühe, sich ein­zu­ge­ste­hen, wie das In­sekt oder der Vo­gel eine ganz an­de­re Welt per­ci­pi­ren als der Mensch, und daß die Fra­ge, wel­che von bei­den Welt­per­cep­tio­nen rich­ti­ger ist, eine ganz sinn­lo­se ist, da hier­zu be­reits mit dem Maaß­sta­be der rich­ti­gen Per­cep­ti­on, das heißt mit ei­nem nicht vor­han­de­nen Maaß­sta­be ge­mes­sen wer­den müß­te. Über­haupt aber scheint mir «die rich­ti­ge Per­cep­ti­on« – das wür­de hei­ßen: der ad­äqua­te Aus­druck ei­nes Ob­jekts im Sub­jekt – ein wi­der­spruchs­vol­les Un­ding: denn zwi­schen zwei ab­so­lut ver­schied­nen Sphä­ren, wie zwi­schen Sub­jekt und Ob­jekt, giebt es kei­ne Cau­sa­li­tät, kei­ne Rich­tig­keit, kei­nen Aus­druck, son­dern höchs­tens ein äs­the­ti­sches Ver­hal­ten, ich mei­ne eine an­deu­ten­de Über­tra­gung, eine nach­stam­meln­de Über­set­zung in eine ganz frem­de Spra­che: wozu es aber je­den­falls ei­ner frei dich­ten­den und frei er­fin­den­den Mit­tel­sphä­re und Mit­tel­kraft be­darf. Das Wort »Er­schei­nung« ent­hält vie­le Ver­füh­run­gen, wes­halb ich es mög­lichst ver­mei­de: denn es ist nicht wahr, daß das We­sen der Din­ge in der em­pi­ri­schen Welt er­scheint. Ein Ma­ler, dem die Hän­de feh­len und der durch Ge­sang das ihm vor­schwe­ben­de Bild aus­drücken woll­te, wird im­mer noch mehr bei die­ser Ver­tau­schung der Sphä­ren ver­rat­hen, als die em­pi­ri­sche Welt vom We­sen der Din­ge ver­räth. Selbst das Ver­hält­niß ei­nes Ner­ven­rei­zes zu dem her­vor­ge­brach­ten Bil­de ist an sich kein nothwen­di­ges: wenn aber das­sel­be Bild mil­lio­nen­mal her­vor­ge­bracht und durch vie­le Men­schen­ge­schlech­ter hin­durch ver­erbt ist, ja zu­letzt bei der ge­samm­ten Mensch­heit je­des­mal in Fol­ge des­sel­ben An­las­ses er­scheint, so be­kommt es end­lich für den Men­schen die­sel­be Be­deu­tung, als ob es das ein­zig nothwen­di­ge Bild sei und als ob je­nes Ver­hält­niß des ur­sprüng­li­chen Ner­ven­rei­zes zu dem her­ge­brach­ten Bil­de ein stren­ges Cau­sa­li­täts­ver­hält­niß sei: wie ein Traum, ewig wie­der­holt, durch­aus als Wirk­lich­keit emp­fun­den und be­urt­heilt wer­den wür­de. Aber das Hart- und Starr-Wer­den ei­ner Me­ta­pher ver­bürgt durch­aus Nichts für die No­thwen­dig­keit und aus­schließ­li­che Be­rech­ti­gung die­ser Me­ta­pher.

      Es hat ge­wiß je­der Mensch, der in sol­chen Be­trach­tun­gen hei­misch ist, ge­gen je­den der­ar­ti­gen Idea­lis­mus ein tie­fes Miß­trau­en emp­fun­den, so oft er sich ein­mal recht deut­lich von der ewi­gen Con­se­quenz, All­ge­gen­wär­tig­keit und Un­fehl­bar­keit der Na­tur­ge­set­ze über­zeug­te; er hat den Schluß ge­macht: hier ist Al­les, so­weit wir drin­gen, nach der Höhe der te­le­sko­pi­schen und nach der Tie­fe der mi­kro­sko­pi­schen Welt, so si­cher, aus­ge­baut, end­los, ge­setz­mä­ßig und ohne Lücken; die Wis­sen­schaft wird ewig in die­sen Schach­ten mit Er­folg zu gra­ben ha­ben, und al­les Ge­fun­de­ne wird zu­sam­men­stim­men und sich nicht wi­der­spre­chen. Wie we­nig gleicht Dies ei­nem Phan­ta­sie­er­zeug­niß: denn wenn es dies wäre, müß­te es doch ir­gend­wo den Schein und die Un­rea­li­tät er­rat­hen las­sen. Da­ge­gen ist ein­mal zu sa­gen: hät­ten wir noch, Je­der für sich, eine ver­schie­den­ar­ti­ge Sin­nes­emp­fin­dung, könn­ten wir selbst nur bald als Vo­gel, bald als Wurm, bald als Pflan­ze per­ci­pi­ren, oder sähe der Eine von uns den­sel­ben Reiz als roth, der An­de­re als blau, hör­te ein Drit­ter ihn so­gar als Ton, so wür­de Nie­mand von ei­ner sol­chen Ge­setz­mä­ßig­keit der Na­tur re­den, son­dern sie nur als ein höchst sub­jek­ti­ves Ge­bil­de be­grei­fen. So­dann: was ist für uns über­haupt ein Na­tur­ge­setz? Es ist uns nicht an sich be­kannt, son­dern nur in sei­nen Wir­kun­gen, das heißt in sei­nen Re­la­tio­nen zu an­dern Na­tur­ge­set­zen, die uns wie­der nur als Sum­men von Re­la­tio­nen be­kannt sind. Also ver­wei­sen alle die­se Re­la­tio­nen im­mer nur wie­der auf ein­an­der und sind uns ih­rem We­sen nach un­ver­ständ­lich durch und durch; nur Das, was wir hin­zu­brin­gen, die Zeit, der Raum, also Suc­ces­si­ons­ver­hält­nis­se und Zah­len, sind uns wirk­lich dar­an be­kannt. Al­les Wun­der­ba­re aber, das wir ge­ra­de an den Na­tur­ge­set­zen an­stau­nen, das un­se­re Er­klä­rung for­dert und uns zum Miß­trau­en ge­gen den Idea­lis­mus ver­füh­ren könn­te, liegt ge­ra­de und ganz al­lein nur in der ma­the­ma­ti­schen Stren­ge und Un­ver­brüch­lich­keit der Zeit- und Raum-Vor­stel­lun­gen. Die­se aber pro­du­ci­ren wir in uns und aus uns mit je­ner No­thwen­dig­keit, mit der die Spin­ne spinnt; wenn wir ge­zwun­gen sind, alle Din­ge nur un­ter die­sen For­men zu be­grei­fen, so ist es dann nicht mehr wun­der­bar, daß wir an al­len Din­gen ei­gent­lich nur eben die­se For­men be­grei­fen: denn sie Alle müs­sen die Ge­set­ze der Zahl an sich tra­gen, und die Zahl ge­ra­de ist das Er­staun­lichs­te in den Din­gen. Alle Ge­setz­mä­ßig­keit, die uns im Ster­nen­lauf und im che­mi­schen Pro­ceß so im­po­nirt, fällt im Grun­de mit je­nen Ei­gen­schaf­ten zu­sam­men, die wir selbst an die Din­ge her­an­brin­gen, so daß wir da­mit uns sel­ber im­po­ni­ren. Da­bei er­giebt sich al­ler­dings, daß jene künst­le­ri­sche Me­ta­ph­er­bil­dung, mit der in uns jede Emp­fin­dung be­ginnt, be­reits jene For­men vor­aus­setzt, also in ih­nen voll­zo­gen wird; nur aus dem fes­ten Ver­har­ren die­ser Ur­for­men er­klärt sich die Mög­lich­keit, wie nach­her wie­der aus den Me­ta­phern selbst ein Bau der Be­grif­fe con­sti­tu­irt wer­den konn­te. Die­ser ist näm­lich eine Nach­ah­mung der Zeit-, Raum- und Zah­len­ver­hält­nis­se auf dem Bo­den der Me­ta­phern.

      2.

      An dem Bau der Be­grif­fe ar­bei­tet ur­sprüng­lich, wie wir sa­hen, die Spra­che, in spä­te­ren Zei­ten die Wis­sen­schaft. Wie die Bie­ne zu­gleich an den Zel­len baut und die Zel­len mit Ho­nig füllt, so ar­bei­tet die Wis­sen­schaft un­auf­halt­sam an je­nem großen Co­lum­ba­ri­um der Be­grif­fe, der Be­gräb­niß­stät­te der An­schau­un­gen, baut im­mer neue und hö­he­re Stock­wer­ke, stützt, rei­nigt, er­neut die al­ten Zel­len, und ist vor Al­lem be­müht, je­nes in’s Un­ge­heu­re auf­get­hürm­te Fach­werk zu fül­len und die gan­ze em­pi­ri­sche Welt, das heißt die an­thro­po­mor­phi­sche Welt, hin­ein­zu­ord­nen. Wenn schon der han­deln­de Mensch sein Le­ben an die Ver­nunft und ihre Be­grif­fe bin­det, um nicht fort­ge­schwemmt zu wer­den und sich nicht selbst zu ver­lie­ren, so baut der For­scher sei­ne Hüt­te dicht an den Thurm­bau der Wis­sen­schaft, um an ihm mit­hel­fen zu kön­nen und selbst Schutz un­ter dem vor­han­de­nen Boll­werk zu fin­den. Und Schutz braucht er: denn es giebt furcht­ba­re Mäch­te, die fort­wäh­rend auf ihn ein­drin­gen, und die der wis­sen­schaft­li­chen »Wahr­heit« ganz an­ders ge­ar­te­te »Wahr­hei­ten« mit den ver­schie­den­ar­tigs­ten Schild­zei­chen ent­ge­gen­hal­ten.

      Je­ner Trieb zur Me­ta­ph­er­bil­dung, je­ner Fun­da­men­tal­trieb des Men­schen, den man kei­nen Au­gen­blick weg­rech­nen kann, weil man da­mit den Men­schen selbst weg­rech­nen wür­de, ist da­durch, daß aus sei­nen ver­flüch­tig­ten Er­zeug­nis­sen, den Be­grif­fen, eine re­gu­lä­re und star­re neue Welt als eine Zwing­burg für ihn ge­baut wird, in Wahr­heit nicht be­zwun­gen und kaum ge­bän­digt. Er sucht sich ein neu­es Be­reich