Фридрих Вильгельм Ницше

Gesammelte Werke


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käme, da­von eben­so be­schäf­tigt wür­den, als von den Din­gen, die wir je­den Tag se­hen: »wenn ein Hand­wer­ker ge­wiß wäre, jede Nacht zu träu­men, vol­le zwölf Stun­den hin­durch, daß er Kö­nig sei, so glau­be ich, sagt Pas­cal, daß er eben­so glück­lich wäre, als ein Kö­nig, wel­cher alle Näch­te wäh­rend zwölf Stun­den träum­te, er sei Hand­wer­ker«. Der wa­che Tag ei­nes my­thisch er­reg­ten Vol­kes, etwa der äl­te­ren Grie­chen, ist durch das fort­wäh­rend wir­ken­de Wun­der, wie es der My­thus an­nimmt, in der That dem Trau­me ähn­li­cher als dem Tag des wis­sen­schaft­lich er­nüch­ter­ten Den­kers. Wenn je­der Baum ein­mal als Nym­phe re­den oder un­ter der Hül­le ei­nes Stie­res ein Gott Jung­frau­en weg­schlep­pen kann, wenn die Göt­tin Athe­ne selbst plötz­lich ge­sehn wird, wie sie mit ei­nem schö­nen Ge­spann, in der Beglei­tung des Pi­si­stra­tus, durch die Märk­te Athens fährt – und das glaub­te der ehr­li­che Athe­ner –, so ist in je­dem Au­gen­bli­cke, wie im Trau­me, Al­les mög­lich, und die gan­ze Na­tur um­schwärmt den Men­schen, als ob sie nur die Mas­ke­ra­de der Göt­ter wäre, die sich nur einen Scherz dar­aus mach­ten, in al­len Ge­stal­ten den Men­schen zu täu­schen.

      Der Mensch selbst aber hat einen un­be­sieg­ba­ren Hang, sich täu­schen zu las­sen, und ist wie be­zau­bert vor Glück, wenn der Rhap­so­de ihm epi­sche Mär­chen wie wahr er­zählt oder der Schau­spie­ler im Schau­spiel den Kö­nig noch kö­nig­li­cher agirt, als ihn die Wirk­lich­keit zeigt. Der In­tel­lekt, je­ner Meis­ter der Ver­stel­lung, ist so lan­ge frei und sei­nem sons­ti­gen Skla­ven­diens­te ent­ho­ben, als er täu­schen kann, ohne zu scha­den, und fei­ert dann sei­ne Sa­tur­na­li­en. Nie ist er üp­pi­ger, rei­cher, stol­zer, ge­wand­ter und ver­we­ge­ner: mit schöp­fe­ri­schem Be­ha­gen wirft er die Me­ta­phern durch­ein­an­der und ver­rückt die Grenz­stei­ne der Abstrak­tio­nen, so daß er zum Bei­spiel den Strom als den be­weg­li­chen Weg be­zeich­net, der den Men­schen trägt, dort­hin, wo­hin er sonst geht. Jetzt hat er das Zei­chen der Dienst­bar­keit von sich ge­wor­fen: sonst mit trüb­sin­ni­ger Ge­schäf­tig­keit be­müht, ei­nem ar­men In­di­vi­du­um, dem es nach Da­sein ge­lüs­tet, den Weg und die Werk­zeu­ge zu zei­gen, und wie ein Die­ner für sei­nen Herrn auf Raub und Beu­te aus­zie­hend, ist er jetzt zum Herrn ge­wor­den und darf den Aus­druck der Be­dürf­tig­keit aus sei­nen Mie­nen weg­wi­schen. Was er jetzt auch thut, Al­les trägt im Ver­gleich mit sei­nem frü­he­ren Thun die Ver­stel­lung, wie das frü­he­re die Ver­zer­rung an sich. Er co­pirt das Men­schen­le­ben, nimmt es aber für eine gute Sa­che und scheint mit ihm sich recht zu­frie­den zu ge­ben. Je­nes un­ge­heu­re Ge­bälk und Bret­ter­werk der Be­grif­fe, an das sich klam­mernd der be­dürf­ti­ge Mensch sich durch das Le­ben ret­tet, ist dem frei­ge­w­ord­nen In­tel­lekt nur ein Gerüst und ein Spiel­zeug für sei­ne ver­we­gens­ten Kunst­stücke: und wenn er es zer­schlägt, durch­ein­an­der­wirft, iro­nisch wie­der zu­sam­men­setzt, das Frem­des­te paa­rend und das Nächs­te tren­nend, so of­fen­bart er, daß er jene No­th­be­hel­fe der Be­dürf­tig­keit nicht braucht und daß er jetzt nicht von Be­grif­fen son­dern von In­tui­tio­nen ge­lei­tet wird. Von die­sen In­tui­tio­nen aus führt kein re­gel­mä­ßi­ger Weg in das Land der ge­spens­ti­schen Sche­ma­ta, der Abstrak­tio­nen: für sie ist das Wort nicht ge­macht, der Mensch ver­stummt, wenn er sie sieht, oder re­det in lau­ter ver­bo­te­nen Me­ta­phern und un­er­hör­ten Be­griffs­fü­gun­gen, um we­nigs­tens durch das Zer­trüm­mern und Ver­höh­nen der al­ten Be­griffs­schran­ken dem Ein­dru­cke der mäch­ti­gen ge­gen­wär­ti­gen In­tui­ti­on schöp­fe­risch zu ent­spre­chen.

      Es giebt Zeit­al­ter, in de­nen der ver­nünf­ti­ge Mensch und der in­tui­ti­ve Mensch ne­ben ein­an­der stehn, der Eine in Angst vor der In­tui­ti­on, der An­de­re mit Hohn über die Abstrak­ti­on; der Letz­te­re eben­so un­ver­nünf­tig, als der Ers­te­re un­künst­le­risch ist. Bei­de be­geh­ren über das Le­ben zu herr­schen: die­ser, in­dem er durch Vor­sor­ge, Klug­heit, Re­gel­mä­ßig­keit den haupt­säch­lichs­ten Nö­then zu be­geg­nen weiß, je­ner, in­dem er als ein «über­fro­her Held« jene Nö­the nicht sieht und nur das zum Schein und zur Schön­heit ver­stell­te Le­ben als real nimmt. Wo ein­mal der in­tui­ti­ve Mensch, etwa wie im äl­te­ren Grie­chen­land sei­ne Waf­fen ge­wal­ti­ger und sieg­rei­cher führt als sein Wi­der­spiel, kann sich güns­ti­gen Falls eine Cul­tur ge­stal­ten und die Herr­schaft der Kunst über das Le­ben sich grün­den: jene Ver­stel­lung, je­nes Ver­leug­nen der Be­dürf­tig­keit, je­ner Glanz der me­ta­pho­ri­schen An­schau­un­gen und über­haupt jene Un­mit­tel­bar­keit der Täu­schung be­glei­tet alle Äu­ße­run­gen ei­nes sol­chen Le­bens. We­der das Haus, noch der Schritt, noch die Klei­dung, noch der thö­ner­ne Krug ver­rat­hen, daß die No­th­durft sie er­fand: es scheint so, als ob in ih­nen Al­len ein er­ha­be­nes Glück und eine olym­pi­sche Wol­ken­lo­sig­keit und gleich­sam ein Spie­len mit dem Erns­te aus­ge­spro­chen wer­den soll­te. Wäh­rend der von Be­grif­fen und Abstrak­tio­nen ge­lei­te­te Mensch durch die­se das Un­glück nur ab­wehrt, ohne selbst aus den Abstrak­tio­nen sich Glück zu er­zwin­gen, wäh­rend er nach mög­lichs­ter Frei­heit von Schmer­zen trach­tet, ern­tet der in­tui­ti­ve Mensch, in­mit­ten ei­ner Cul­tur ste­hend, be­reits von sei­nen In­tui­tio­nen, au­ßer der Ab­wehr des Übels, eine fort­wäh­rend ein­strö­men­de Er­hel­lung, Auf­hei­te­rung, Er­lö­sung. Frei­lich lei­det er hef­ti­ger, wenn er lei­det: ja er lei­det auch öf­ter, weil er aus der Er­fah­rung nicht zu ler­nen ver­steht und im­mer wie­der in die­sel­be Gru­be fällt, in die er ein­mal ge­fal­len. Im Lei­de ist er dann eben­so un­ver­nünf­tig wie im Glück, er schreit laut und hat kei­nen Trost. Wie an­ders steht un­ter dem glei­chen Miß­ge­schick der stoi­sche, an der Er­fah­rung be­lehr­te, durch Be­grif­fe sich be­herr­schen­de Mensch da! Er, der sonst nur Auf­rich­tig­keit, Wahr­heit, Frei­heit von Täu­schun­gen und Schutz vor be­rücken­den Über­fäl­len sucht, legt jetzt, im Un­glück, das Meis­ter­stück der Ver­stel­lung ab, wie je­ner im Glück; er trägt kein zu­cken­des und be­weg­li­ches Men­schen­ge­sicht, son­dern gleich­sam eine Mas­ke mit wür­di­gem Gleich­ma­ße der Züge, er schreit nicht und ver­än­dert nicht ein­mal sei­ne Stim­me: wenn eine rech­te Wet­ter­wol­ke sich über ihn aus­gießt, so hüllt er sich in sei­nen Man­tel und geht lang­sa­men Schrit­tes un­ter ihr da­von.

Der Antichrist

       (Frag­ment)

      Vor­wort und Ers­tes Buch:

       Der An­ti­christ

      Al­fred Krö­ner Ver­lag in Leip­zig

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      Letz­ter Plan, Herbst 1888.

      *

      Ers­tes Buch.

       Der An­ti­christ. Ver­such ei­ner Kri­tik des Chris­tent­hums.

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      Zwei­tes Buch.

       Der freie Geist. Kri­tik der Phi­lo­so­phie als ei­ner ni­hi­lis­ti­schen Be­we­gung.

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      Drit­tes Buch.

       Der Im­mo­ra­list. Kri­tik der ver­häng­niß­volls­ten Art von Un­wis­sen­heit, der Moral.

      *

      Vier­tes Buch. Dio­ny­sos.

       Phi­lo­so­phie der ewi­gen Wie­der­kunft.