sein? Der moralische Fanatiker, welcher meint, daß das Gute nur aus dem Guten, auf dem Guten wachsen könne.
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Schreibart der Vorsicht. – A: Aber, wenn alle dies wüßten, so würde es den meisten schädlich sein! Du selber nennst diese Meinungen gefährlich für die Gefährdeten, und doch teilst du sie öffentlich mit? B: Ich schreibe so, daß weder der Pöbel, noch die populi, noch die Parteien aller Art mich lesen mögen. Folglich werden diese Meinungen nie öffentliche sein. A.: Aber wie schreibst du denn? B.: Weder nützlich noch angenehm – für die genannten drei.
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Göttliche Missionäre. – Auch Sokrates fühlt sich als göttlicher Missionär: aber ich weiß nicht, was für ein Anflug von attischer Ironie und Lust am Spaßen auch selbst hierbei noch zu spüren ist, wodurch jener fatale und anmaßende Begriff gemildert wird. Er redet ohne Salbung davon: seine Bilder, von der Bremse und dem Pferd, sind schlicht und unpriesterlich, und die eigentlich religiöse Aufgabe, wie er sie sich gestellt fühlt, den Gott auf hunderterlei Weise auf die Probe zu stellen, ob er die Wahrheit geredet habe, läßt auf eine kühne und freimütige Gebärde schließen, mit der hier der Missionär seinem Gotte an die Seite tritt. Jenes Auf-die-Probe-Stellen des Gottes ist einer der feinsten Kompromisse zwischen Frömmigkeit und Freiheit des Geistes, welche je erdacht worden sind. – Jetzt haben wir auch diesen Kompromiß nicht mehr nötig.
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Ehrliches Malertum. – Raffael, dem viel an der Kirche (sofern sie zahlungsfähig war), aber wenig, gleich den Besten seiner Zeit, an den Gegenständen des kirchlichen Glaubens gelegen war, ist der anspruchsvollen ekstatischen Frömmigkeit mancher seiner Besteller nicht einen Schritt weit nachgegangen: er hat seine Ehrlichkeit bewahrt, selbst in jenem Ausnahme-Bild, das ursprünglich für eine Prozessions-Fahne bestimmt war, in der Sixtinischen Madonna. Hier wollte er einmal eine Vision malen: aber eine solche, wie sie edle junge Männer ohne "Glauben" auch haben dürfen und haben werden, die Vision der zukünftigen Gattin, eines klugen, seelisch-vornehmen, schweigsamen und sehr schönen Weibes, das ihren Erstgeborenen im Arme trägt. Mögen die Alten, die an das Beten und Anbeten gewöhnt sind, hier, gleich dem ehrwürdigen Greise zur Linken, etwas Übermenschliches verehren: wir Jüngeren wollen es, so scheint Raffael uns zuzurufen, mit dem schönen Mädchen zur Rechten halten, welche mit ihrem auffordernden, durchaus nicht devoten Blicke den Betrachtern des Bildes sagt: "Nicht wahr? Diese Mutter und ihr Kind – das ist ein angenehmer einladender Anblick?" Dies Gesicht und dieser Blick strahlt von der Freude in den Gesichtern der Betrachter wieder; der Künstler, der dies alles erfand, genießt sich auf diese Weise selber und gibt seine eigene Freude zur Freude der Kunst-Empfangenden hinzu. – In betreff des "heilandhaften" Ausdrucks im Kopfe eines Kindes hat Raffael, der Ehrliche, der keinen Seelenzustand malen wollte, an dessen Existenz er nicht glaubte, seine gläubigen Betrachter auf eine artige Weise überlistet; er malte jenes Naturspiel, das nicht selten vorkommt, das Männerauge im Kindskopfe, und zwar das Auge des wackeren, hilfereichen Mannes, der einen Notstand sieht. Zu diesem Auge gehört ein Bart; daß dieser fehlt und daß zwei verschiedene Lebensalter hier aus einem Gesichte sprechen, dies ist die angenehme Paradoxie, welche die Gläubigen sich im Sinne ihres Wunderglaubens gedeutet haben: so wie es der Künstler von ihrer Kunst des Deutens und Hineinlegens auch erwarten durfte.
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Das Gebet. – Nur unter zwei Voraussetzungen hatte alles Beten – jene noch nicht völlig erloschene Sitte älterer Zeiten – einen Sinn: es müßte möglich sein, die Gottheit zu bestimmen oder umzustimmen, und der Betende müßte selber am besten wissen, was ihm not tue, was für ihn wahrhaft wünschenswert sei. Beide Voraussetzungen, in allen anderen Religionen angenommen und hergebracht, wurden aber gerade vom Christentum geleugnet; wenn es trotzdem das Gebet beibehielt, bei seinem Glauben an eine allweise und allvorsorgliche Vernunft in Gott, durch welche eben dies Gebet im Grunde sinnlos, ja gotteslästerlich wird, – so zeigte es auch darin wieder seine bewunderungswürdige Schlangen-Klugheit; denn ein klares Gebot "du sollst nicht beten" hätte die Christen durch die Langeweile zum Unchristentum geführt. Im christlichen ora et labora vertritt nämlich das ora die Stelle des Vergnügens: und was hätten ohne das ora jene Unglücklichen beginnen sollen, die sich das labora versagten, die Heiligen! – aber mit Gott sich unterhalten, ihm allerlei angenehme Dinge abverlangen, sich selber ein wenig darüber lustig machen, wie man so töricht sein könne, noch Wünsche zu haben, trotz einem so vortrefflichen Vater, – das war für Heilige eine sehr gute Erfindung.
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Eine heilige Lüge. – Die Lüge, mit der auf den Lippen Arria starb (Paete, non dolet), verdunkelt alle Wahrheiten, die je von Sterbenden gesprochen wurden. Es ist die einzige heilige Lüge, die berühmt geworden ist; während der Geruch der Heiligkeit sonst nur an Irrtümern haften blieb.
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Der nötigste Apostel. – Unter zwölf Aposteln muß immer einer hart wie Stein sein, damit auf ihm die neue Kirche gebaut werden könne.
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Was ist das Vergänglichere, der Geist oder der Körper? – In den rechtlichen, moralischen und religiösen Dingen hat das Äußerlichste, das Anschauliche, also der Brauch, die Gebärde, die Zeremonie, am meisten Dauer: sie ist der Leib, zu dem immer eine neue Seele hinzukommt. Der Kultus wird wie ein fester Wort-Text immer neu ausgedeutet; die Begriffe und Empfindungen sind das Flüssige, die Sitten das Harte.
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Der Glaube an die Krankheit, als Krankheit. – Erst das Christentum hat den Teufel an die Wand der Welt gemalt; erst das Christentum hat die Sünde in die Welt gebracht. Der Glaube an die Heilmittel, welche es dagegen anbot, ist nun allmählich bis in die tiefsten Wurzeln hinein erschüttert: aber immer noch besteht der Glaube an die Krankheit, welchen es gelehrt und verbreitet hat.
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Rede und Schrift der Religiösen. – Wenn der Stil und Gesamtausdruck des Priesters, des