Фридрих Вильгельм Ницше

Gesammelte Werke


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ler­nen: es hilft nichts, und wenn er selbst in Deutsch­land ge­bo­ren ist, wo man das Schlecht-schrei­ben als na­tio­na­les Vor­recht be­han­delt. Bes­ser schrei­ben aber heißt zu­gleich auch bes­ser den­ken; im­mer Mit­tei­lens­wer­te­res er­fin­den und es wirk­lich mit­tei­len kön­nen; über­setz­bar wer­den für die Spra­chen der Nach­barn; zu­gäng­lich sich dem Ver­ständ­nis­se je­ner Aus­län­der ma­chen, wel­che un­se­re Spra­che ler­nen; da­hin wir­ken, daß al­les Gute Ge­mein­gut wer­de und den Frei­en al­les frei ste­he; end­lich, je­nen jetzt noch so fer­nen Zu­stand der Din­ge vor­be­rei­ten, wo den gu­ten Eu­ro­pä­ern ihre große Auf­ga­be in die Hän­de fällt: die Lei­tung und Über­wa­chung der ge­sam­ten Erd­kul­tur. – Wer das Ge­gen­teil pre­digt, sich nicht um das Gut­schrei­ben und Gut­le­sen zu küm­mern – bei­de Tu­gen­den wach­sen mit­ein­an­der und neh­men mit­ein­an­der ab –, der zeigt in der Tat den Völ­kern einen Weg, wie sie im­mer noch mehr na­tio­nal wer­den kön­nen: er ver­mehrt die Krank­heit die­ses Jahr­hun­derts und ist ein Feind der gu­ten Eu­ro­pä­er, ein Feind der frei­en Geis­ter.

      Die Leh­re vom bes­ten Sti­le. – Die Leh­re vom Stil kann ein­mal die Leh­re sein, den Aus­druck zu fin­den, ver­mö­ge des­sen man jede Stim­mung auf den Le­ser und Hö­rer über­trägt; so­dann die Leh­re, den Aus­druck für die wün­schens­wer­tes­te Stim­mung ei­nes Men­schen zu fin­den, de­ren Mit­tei­lung und Über­tra­gung also auch am meis­ten zu wün­schen ist: für die Stim­mung des von Her­zens­grund be­weg­ten, geis­tig freu­di­gen, hel­len und auf­rich­ti­gen Men­schen, der die Lei­den­schaf­ten über­wun­den hat. Dies wird die Leh­re vom bes­ten Sti­le sein: er ent­spricht dem gu­ten Men­schen.

      Auf den Gang acht ge­ben. – Der Gang der Sät­ze zeigt, ob der Au­tor er­mü­det ist; der ein­zel­ne Aus­druck kann des­sen­un­ge­ach­tet im­mer noch stark und gut sein, weil er für sich und frü­her ge­fun­den wur­de: da­mals als der Ge­dan­ke dem Au­tor zu­erst auf­leuch­te­te. So ist es häu­fig bei Goe­the, der zu oft dik­tier­te, wenn er müde war.

      Schon und noch. – A: Die deut­sche Pro­sa ist noch sehr jung: Goe­the meint, daß Wie­land ihr Va­ter sei. B: So jung und schon so häß­lich! C: Aber – so­viel mir be­kannt, schrieb schon der Bi­schof Ul­fi­las deut­sche Pro­sa; sie ist also ge­gen 1500 Jah­re alt. B: So alt und noch so häß­lich!

      O­ri­gi­nal-deutsch. – Die deut­sche Pro­sa, wel­che in der Tat nicht nach ei­nem Mus­ter ge­bil­det ist und wohl als ori­gi­na­les Er­zeug­nis des deut­schen Ge­schmacks zu gel­ten hat, dürf­te den eif­ri­gen An­wäl­ten ei­ner zu­künf­ti­gen, ori­gi­na­len, deut­schen Kul­tur einen Fin­ger­zeig ge­ben, wie etwa, ohne Nach­ah­mung von Mus­tern, eine wirk­lich deut­sche Tracht, eine deut­sche Ge­sel­lig­keit, eine deut­sche Zim­mer­ein­rich­tung, ein deut­sches Mit­tag­ses­sen aus­se­hen wer­de. – Je­mand, der län­ge­re Zeit über die­se Aus­sich­ten nach­ge­dacht hat­te, rief end­lich in vol­lem Schre­cken aus: "Aber, um des Him­mels wil­len, viel­leicht ha­ben wir schon die­se ori­gi­na­le Kul­tur – man spricht nur nicht ger­ne da­von!"

      Ver­bo­te­ne Bü­cher. – Nie et­was le­sen, was jene ar­ro­gan­ten Viel­wis­ser und Wirr­köp­fe schrei­ben, wel­che die ab­scheu­lichs­te Un­art, die der lo­gi­schen Pa­ra­do­xie ha­ben: sie wen­den die lo­gi­schen For­men ge­ra­de dort an, wo al­les im Grun­de frech im­pro­vi­siert und in die Luft ge­baut ist. ("Also" soll bei ih­nen hei­ßen "du Esel von Le­ser, für dich gib es dies al­so’ nicht – wohl aber für mich" – wor­auf die Ant­wort lau­tet: "du Esel von Schrei­ber, wozu schreibst du denn?")

      Geist zei­gen. – Je­der, der sei­nen Geist zei­gen will, läßt mer­ken, daß er auch reich­lich vom Ge­gen­teil hat. Jene Un­art geist­rei­cher Fran­zo­sen, ih­ren bes­ten Ein­fäl­len einen Zug von dédain bei­zu­ge­ben, hat ih­ren Ur­sprung in der Ab­sicht, für rei­cher zu gel­ten, als sie sind: sie wol­len läs­sig schen­ken, gleich­sam er­mü­det vom be­stän­di­gen Spen­den aus über­vol­len Schatz­häu­sern.

      Deut­sche und fran­zö­si­sche Li­te­ra­tur. – Das Un­glück der deut­schen und fran­zö­si­schen Li­te­ra­tur der letz­ten hun­dert Jah­re liegt dar­in, daß die Deut­schen zu zei­tig aus der Schu­le der Fran­zo­sen ge­lau­fen sind – und die Fran­zo­sen, spä­ter­hin, zu zei­tig in die Schu­le der Deut­schen.

      Un­se­re Pro­sa. – Kei­nes der jet­zi­gen Kul­tur­völ­ker hat eine so schlech­te Pro­sa wie das deut­sche; und wenn geist­rei­che und ver­wöhn­te Fran­zo­sen sa­gen: es gib­t kei­ne deut­sche Pro­sa – so dürf­te man ei­gent­lich nicht böse wer­den, da es ar­ti­ger ge­meint ist, als wir’s ver­die­nen. Sucht man nach den Grün­den, so kommt man zu­letzt zu dem selt­sa­men Er­geb­nis, daß der Deut­sche nur die im­pro­vi­sier­te Pro­sa kennt und von ei­ner an­de­ren gar kei­nen Be­griff hat. Es klingt ihm schier un­be­greif­lich, wenn ein Ita­lie­ner sagt, daß Pro­sa ge­ra­de um so viel schwe­rer sei als Poe­sie, um wie viel die Dar­stel­lung der nack­ten Schön­heit für den Bild­hau­er schwe­rer sei als die der be­klei­de­ten Schön­heit. Um Vers, Bild, Rhyth­mus und Reim hat man sich red­lich zu be­mü­hen – das be­greift auch der Deut­sche und ist nicht ge­neigt, der Steg­reif-Dich­tung einen be­son­ders ho­hen Wert zu­zu­mes­sen. Aber an ei­ner Sei­te Pro­sa wie an ei­ner Bild­säu­le ar­bei­ten? – es ist ihm, also ob man ihm et­was aus dem Fa­bel­land vor­er­zähl­te.

      Der große Stil. – Der große Stil ent­steht, wenn das Schö­ne den Sieg über das Un­ge­heu­re da­von­trägt.

      Aus­wei­chen. – Man weiß nicht eher, worin bei aus­ge­zeich­ne­ten Geis­tern das Fei­ne ih­res Aus­drucks, ih­rer Wen­dung liegt, wenn man nicht sa­gen kann, auf wel­ches Wort je­der mit­tel­mä­ßi­ge Schrift­stel­ler beim Aus­drücken der­sel­ben Sa­che un­ver­meid­lich ge­ra­ten sein wür­de. Alle großen Ar­tis­ten zei­gen sich beim Len­ken ih­res Fuhr­werks zum Aus­wei­chen, zum Ent­glei­sen ge­neigt – doch nicht zum Um­fal­len.

      Et­was wie Brot. – Brot neu­tra­li­siert den Ge­schmack an­de­rer Spei­sen, wischt ihn weg; des­halb ge­hört es zu je­der län­ge­ren Mahl­zeit. In al­len Kunst­wer­ken muß es et­was wie Brot ge­ben, da­mit es ver­schie­de­ne Wir­kun­gen in ih­nen ge­ben kön­ne: wel­che, un­mit­tel­bar und ohne ein sol­ches zeit­wei­li­ges Aus­ru­hen und Pau­sie­ren auf­ein­an­der­fol­gend, schnell er­schöp­fen und Wi­der­wil­len ma­chen wür­den, so daß eine län­ge­re Mahl­zeit der Kunst un­mög­lich wäre.

      Jean