Фридрих Вильгельм Ницше

Gesammelte Werke


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– ein Ver­häng­nis im Schlaf­rock.

      Auch den Ge­gen­satz zu schme­cken wis­sen. – Um ein Werk der Ver­gan­gen­heit so zu ge­nie­ßen, wie es sei­ne Zeit­ge­nos­sen emp­fan­den, muß man den da­mals herr­schen­den Ge­schmack, ge­gen den es sich ab­hob, auf der Zun­ge ha­ben.

      Wein­geist-Au­to­ren. – Man­che Schrift­stel­ler sind we­der Geist noch Wein, aber Wein­geist: sie kön­nen in Flam­men ge­ra­ten und ge­ben dann Wär­me.

      Der Mitt­ler-Sinn. – Der Sinn des Ge­schmacks, als der wah­re Mitt­ler-Sinn, hat die an­de­ren Sin­ne oft zu sei­nen An­sich­ten der Din­ge über­re­det und ih­nen sei­ne Ge­set­ze und Ge­wohn­hei­ten ein­ge­ge­ben. Man kann bei Ti­sche über die feins­ten Ge­heim­nis­se der Küns­te Auf­schlüs­se er­hal­ten: man be­ach­te, was schmeckt, wann es schmeckt, wo­nach und wie lan­ge es schmeckt.

      Les­sing. – Les­sing hat eine echt fran­zö­si­sche Tu­gend und ist über­haupt als Schrift­stel­ler bei den Fran­zo­sen am flei­ßigs­ten in die Schu­le ge­gan­gen: er ver­steht sei­ne Din­ge im Schau­la­den gut zu ord­nen und auf­zu­stel­len. Ohne die­se wirk­li­che Kunst wür­den sei­ne Ge­dan­ken so­wie de­ren Ge­gen­stän­de ziem­lich im Dun­kel ge­blie­ben sein, und ohne daß die all­ge­mei­ne Ein­bu­ße groß wäre. An sei­ner Kunst ha­ben aber vie­le ge­lernt (na­ment­lich die letz­ten Ge­ne­ra­tio­nen deut­scher Ge­lehr­ten) und Un­zäh­li­ge sich er­freut. Frei­lich hät­ten jene Ler­nen­den nicht nö­tig ge­habt, wie so oft ge­sche­hen ist, ihm auch sei­ne un­an­ge­neh­me Ton-Ma­nier, in ih­rer Mi­schung von Zank­teu­fe­lei und Bie­der­keit, ab­zu­ler­nen. – Über den "Ly­ri­ker" Les­sing ist man jetzt ein­mü­tig: über den Dra­ma­ti­ker wird man es wer­den.

      U­ner­wünsch­te Le­ser. – Wie quä­len den Au­tor jene bra­ven Le­ser mit den dick­lich­ten, un­ge­schick­ten See­len, wel­che im­mer, wenn sie wor­an an­sto­ßen, auch um­fal­len und sich je­des­mal da­bei wehe tun!

      Dich­ter-Ge­dan­ken. – Die wirk­li­chen Ge­dan­ken ge­hen bei wirk­li­chen Dich­tern alle ver­schlei­ert ein­her wie die Ägyp­te­rin­nen: nur das tie­fe Au­ge des Ge­dan­kens blickt frei über den Schlei­er hin­weg. – Dich­ter-Ge­dan­ken sind im Durch­schnitt nicht so viel wert, als sie gel­ten: man be­zahlt eben für den Schlei­er und die ei­ge­ne Neu­gier­de mit.

      Schreibt ein­fach und nütz­lich. – Über­gän­ge, Aus­füh­run­gen, Far­ben­spie­le des Af­fekts, – al­les das schen­ken wir dem Au­tor, weil wir dies mit­brin­gen und sei­nem Bu­che zu­gu­te kom­men las­sen, falls er sel­ber uns et­was zu­gu­te tut.

      Wie­land. – Wie­land hat bes­ser als ir­gend je­mand deutsch ge­schrie­ben und da­bei sein rech­tes meis­ter­li­ches Ge­nü­gen und Un­ge­nü­gen ge­habt (sei­ne Über­set­zun­gen der Brie­fe Ci­ce­ros und des Lu­ci­an sind die bes­ten deut­schen Über­set­zun­gen); aber sei­ne Ge­dan­ken ge­ben uns nichts mehr zu den­ken. Wir ver­tra­gen sei­ne hei­te­ren Mora­li­tä­ten eben­so­we­nig wie sei­ne hei­te­ren Im­mo­ra­li­tä­ten: bei­de ge­hö­ren so gut zu ein­an­der. Die Men­schen, die an ih­nen ihre Freu­de hat­ten, wa­ren doch wohl im Grun­de bes­se­re Men­schen als wir, – aber auch um ein gut Teil schwer­fäl­li­ge­re, de­nen ein sol­cher Schrift­stel­ler eben not tat. – Goethe tat den Deut­schen nicht not, da­her sie auch von ihm kei­nen Ge­brauch zu ma­chen wis­sen. Man sehe sich die Bes­ten un­se­rer Staats­män­ner und Künst­ler dar­auf­hin an: sie alle ha­ben Goe­the nicht zum Er­zie­her ge­habt – nicht ha­ben kön­nen.

      Sel­te­ne Fes­te. – Kör­ni­ge Ge­drängt­heit, Ruhe und Rei­fe – wo du die­se Ei­gen­schaf­ten bei ei­nem Au­tor fin­dest, da ma­che Halt und feie­re ein lan­ges Fest mit­ten in der Wüs­te: es wird dir lan­ge nicht wie­der so wohl wer­den.

      Der Schatz der deut­schen Pro­sa. – Wenn man von Goe­thes Schrif­ten ab­sieht und na­ment­lich von Goe­thes Un­ter­hal­tun­gen mit Ecker­mann, dem bes­ten deut­schen Bu­che, das es gibt: was bleibt ei­gent­lich von der deut­schen Pro­sa-Li­te­ra­tur üb­rig, das es ver­dien­te, wie­der und wie­der ge­le­sen zu wer­den? Lich­ten­bergs Apho­ris­men, das ers­te Buch von Jung-Stil­lings Le­bens­ge­schich­te, Adal­bert Stif­ters Nach­som­mer und Gott­fried Kel­lers Leu­te von Seld­wy­la, – und da­mit wird es einst­wei­len am Ende sein.

      Schreib­stil und Sprech­stil. – Die Kunst zu schrei­ben ver­langt vor al­lem Er­satz­mit­tel für die Aus­drucks­ar­ten, wel­che nur der Re­den­de hat: also für Ge­bär­den, Ak­zen­te, Töne, Bli­cke. Des­halb ist der Schreib­stil ein ganz an­de­rer als der Sprech­stil, und et­was viel Schwie­ri­ge­res: – er will mit we­ni­ge­rem sich eben­so ver­ständ­lich ma­chen wie je­ner. De­mo­sthe­nes hielt sei­ne Re­den an­ders als wir sie le­sen: er hat sie zum Ge­le­sen­wer­den erst über­ar­bei­tet. – Ci­ce­ros Re­den soll­ten zum glei­chen Zwe­cke erst de­mo­sthe­ni­siert wer­den: jetzt ist viel mehr rö­mi­sches Forum in ih­nen, als der Le­ser ver­tra­gen kann.

      Vor­sicht im Zi­tie­ren. – Die jun­gen Au­to­ren wis­sen nicht, daß der gute Aus­druck, der gute Ge­dan­ke sich nur un­ter sei­nes­glei­chen gut aus­nimmt, daß ein vor­züg­li­ches Zi­tat gan­ze Sei­ten, ja das gan­ze Buch ver­nich­ten kann, in­dem es den Le­ser warnt und ihm zu­zu­ru­fen scheint: "Gib acht, ich bin der Edel­stein und rings um mich ist Blei, blei­ches, schmäh­li­ches Blei!" Je­des Wort, je­der Ge­dan­ke will nur in sei­ner Ge­sell­schaft le­ben: das ist die Moral des ge­wähl­ten Stils.

      Wie soll man Irr­tü­mer sa­gen? – Man kann strei­ten, ob es schäd­li­cher sei, wenn Irr­tü­mer schlecht ge­sagt wer­den oder gut wie die bes­ten Wahr­hei­ten. Ge­wiß ist, daß sie im ers­te­ren Fall auf dop­pel­te Wei­se dem Kop­fe scha­den und schwe­rer aus ihm zu ent­fer­nen sind; aber frei­lich wir­ken sie nicht so si­cher wie im zwei­ten Fal­le: sie sind we­ni­ger an­ste­ckend.

      Be­schrän­ken und ver­grö­ßern. – Ho­mer hat den Um­fang des Stof­fes be­schränkt, ver­klei­nert, aber die ein­zel­nen Sze­nen aus sich wach­sen las­sen und ver­grö­ßert – und so ma­chen es spä­ter die Tra­gi­ker im­mer von neu­em: je­der nimmt den Stoff in noch klei­ne­ren Stücken als sein Vor­gän­ger, je­der aber er­zielt eine rei­che­re Blü­ten­fül­le in­ner­halb die­ser ab­ge­grenz­ten,