Фридрих Вильгельм Ницше

Gesammelte Werke


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»Zum Glück, wie we­nig ge­nügt schon zum Glücke!« So sprach ich einst, und dünk­te mich klug. Aber es war eine Läs­te­rung: das lern­te ich nun. Klu­ge Narrn re­den bes­ser.

      Das We­nigs­te ge­ra­de, das Lei­ses­te, Leich­tes­te, ei­ner Ei­dech­se Ra­scheln, ein Hauch, ein Husch, ein Au­gen-Blidk – We­nig macht die Art des bes­ten Glücks. Still!

      – Was ge­sch­ah mir: Horch! Flog die Zeit wohl da­von? Fal­le ich nicht? Fiel ich nicht – horch! in den Brun­nen der Ewig­keit?

      – Was ge­schieht mir? Still! Es sticht mich – wehe – in’s Herz? In’s Herz! Oh zer­brich, zer­brich, Herz, nach sol­chem Glücke, nach sol­chem Sti­che!

      – Wie? Ward die Welt nicht eben voll­kom­men? Rund und reif? Oh des gol­de­nen run­den Reifs – wo­hin fliegt er wohl? Lau­fe ich ihm nach! Husch!

      Still – – (und hier dehn­te sich Za­ra­thustra und fühl­te, dass er schla­fe.) –

      Auf! sprach er zu sich sel­ber, du Schlä­fer! Du Mit­tags­schlä­fer! Wohl­an, wohl­auf, ihr al­ten Bei­ne! Zeit ist’s und Über­zeit, manch gut Stück Wegs blieb euch noch zu­rück –

      Nun schlieft ihr euch aus, wie lan­ge doch? Eine hal­be Ewig­keit! Wohl­an, wohl­auf nun, mein al­tes Herz! Wie lan­ge erst darfst du nach sol­chem Schlaf – dich aus­wa­chen?

      (Aber da schlief er schon von Neu­em ein, und sei­ne See­le sprach ge­gen ihn und wehr­te sich und leg­te sich wie­der hin) – »Lass mich doch! Still! Ward nicht die Welt eben voll­kom­men? Oh des gold­nen run­den Balls!« –

      »Steh auf, sprach Za­ra­thustra, du klei­ne Die­bin, du Ta­ge­die­bin! Wie? Im­mer noch sich stre­cken, gäh­nen, seuf­zen, hin­un­ter­fal­len in tie­fe Brun­nen?

      Wer bist du doch! Oh mei­ne See­le!« (und hier er­schrak er, denn ein Son­nen­strahl fiel vom Him­mel her­un­ter auf sein Ge­sicht)

      »Oh Him­mel über mir, sprach er seuf­zend und setz­te sich auf­recht, du schaust mir zu? Du horchst mei­ner wun­der­li­chen See­le zu?

      Wann trinkst du die­sen Trop­fen Thau’s, der auf alle Er­den-Din­ge nie­der­fiel, – wann trinkst du die­se wun­der­li­che See­le –

      – wann, Brun­nen der Ewig­keit! du hei­te­rer schau­er­li­cher Mit­tags-Ab­grund! wann trinkst du mei­ne See­le in dich zu­rück?«

      Also sprach Za­ra­thustra und er­hob sich von sei­nem La­ger am Bau­me wie aus ei­ner frem­den Trun­ken­heit: und sie­he, da stand die Son­ne im­mer noch ge­ra­de über sei­nem Haup­te. Es möch­te aber Ei­ner dar­aus mit Recht ab­neh­men, dass Za­ra­thustra da­mals nicht lan­ge ge­schla­fen habe.

      Die Begrüssung

      Am spä­ten Nach­mit­tage war es erst, dass Za­ra­thustra, nach lan­gem um­sons­ti­gen Su­chen und Um­her­strei­fen, wie­der zu sei­ner Höh­le heim­kam. Als er aber der­sel­ben ge­gen­über­stand, nicht zwan­zig Schritt mehr von ihr fer­ne, da ge­sch­ah das, was er jetzt am we­nigs­ten er­war­te­te: von Neu­em hör­te er den gros­sen Noth­schrei. Und, er­staun­lich! diess Mal kam der­sel­bi­ge aus sei­ner eig­nen Höh­le. Es war aber ein lan­ger viel­fäl­ti­ger selt­sa­mer Schrei, und Za­ra­thustra un­ter­schied deut­lich, dass er sich aus vie­len Stim­men zu­sam­men­set­ze: moch­te er schon, aus der Fer­ne ge­hört, gleich dem Schrei aus ei­nem ein­zi­gen Mun­de klin­gen.

      Da sprang Za­ra­thustra auf sei­ne Höh­le zu, und sie­he! wel­ches Schau­spiel er­war­te­te ihn erst nach die­sem Hör­spie­le! Denn da sas­sen sie al­le­sammt bei ein­an­der, an de­nen er des Tags vor­über­ge­gan­gen war: der Kö­nig zur Rech­ten und der Kö­nig zur Lin­ken, der alte Zau­be­rer, der Papst, der frei­wil­li­ge Bett­ler, der Schat­ten, der Ge­wis­sen­haf­te des Geis­tes, der trau­ri­ge Wahr­sa­ger und der Esel; der häss­lichs­te Mensch aber hat­te sich eine Kro­ne auf­ge­setzt und zwei Pur­pur­gür­tel um­ge­schlun­gen, – denn er lieb­te es, gleich al­len Häss­li­chen, sich zu ver­klei­den und schön zu thun. In­mit­ten aber die­ser be­trüb­ten Ge­sell­schaft stand der Ad­ler Za­ra­thustra’s, ge­sträubt und un­ru­hig, denn er soll­te auf zu Vie­les ant­wor­ten, wo­für sein Stolz kei­ne Ant­wort hat­te; die klu­ge Schlan­ge aber hieng um sei­nen Hals.

      Diess Al­les schau­te Za­ra­thustra mit gros­ser Ver­wun­de­rung; dann prüf­te er je­den Ein­zel­nen sei­ner Gäs­te mit leut­se­li­ger Neu­gier­de, las ihre See­len ab und wun­der­te sich von Neu­em. In­zwi­schen hat­ten sich die Ver­sam­mel­ten von ih­ren Sit­zen er­ho­ben und war­te­ten mit Ehr­furcht, dass Za­ra­thustra re­den wer­de. Za­ra­thustra aber sprach also:

      »Ihr Verzwei­feln­den! Ihr Wun­der­li­chen! Ich hör­te also eu­ren Noth­schrei? Und nun weiss ich auch, wo Der zu su­chen ist, den ich um­sonst heu­te such­te: der hö­he­re Men­sch – :

      – in mei­ner eig­nen Höh­le sitzt er, der hö­he­re Mensch! Aber was wun­de­re ich mich! Habe ich ihn nicht sel­ber zu mir ge­lockt durch Ho­nig-Op­fer und lis­ti­ge Lock­ru­fe mei­nes Glücks?

      Doch dünkt mir, ihr taugt euch schlecht zur Ge­sell­schaft, ihr macht ein­an­der das Herz un­wirsch, ihr Noth­schrei­en­den, wenn ihr hier bei­sam­men sitzt? Es muss erst Ei­ner kom­men,

      – Ei­ner, der euch wie­der la­chen macht, ein gu­ter fröh­li­cher Hans­wurst, ein Tän­zer und Wind und Wild­fang, ir­gend ein al­ter Narr: – was dün­ket euch?

      Ver­gebt mir doch, ihr Verzwei­feln­den, dass ich vor euch mit solch klei­nen Wor­ten rede, un­wür­dig, wahr­lich!, sol­cher Gäs­te! Aber ihr er­rat­het nicht, was mein Herz muthwil­lig macht: –

      – ihr sel­ber thut es und euer An­blick, ver­gebt es mir! Je­der näm­lich wird muthig, der ei­nem Verzwei­feln­den zu­schaut. Ei­nem Verzwei­feln­den zu­zu­spre­chen – dazu dünkt sich je­der stark ge­nug.

      Mir sel­ber gabt ihr die­se Kraft, – eine gute Gabe, mei­ne ho­hen Gäs­te! Ein recht­schaff­nes Gast­ge­schenk! Wohl­an, so zürnt nun nicht, dass ich euch auch vom Mei­ni­gen an­bie­te.

      Diess hier ist mein Reich und mei­ne Herr­schaft: was aber mein ist, für die­sen Abend und die­se Nacht soll es euer sein. Mei­ne Thie­re sol­len euch die­nen: mei­ne Höh­le sei eure Ru­he­statt!

      Bei mir zu Heim-und-Hau­se soll Kei­ner ver­zwei­feln, in mei­nem Re­vie­re schüt­ze ich je­den vor sei­nen wil­den Thie­ren. Und das ist das Ers­te, was ich euch an­bie­te: Si­cher­heit!

      Das Zwei­te aber ist: mein klei­ner Fin­ger. Und habt ihr den erst, so nehmt nur noch die gan­ze Hand, wohl­an! und das Herz dazu! Will­kom­men hier, will­kom­men, mei­ne Gast­freun­de!«

      Also sprach Za­ra­thustra und lach­te vor Lie­be und Bos­heit. Nach die­ser Be­grüs­sung ver­neig­ten sich sei­ne Gäs­te aber­mals und schwie­gen ehr­fürch­tig; der Kö­nig zur Rech­ten aber ant­wor­te­te ihm in ih­rem Na­men.

      »Da­ran, oh Za­ra­thustra, wie du uns Hand und Gruss bo­test, er­ken­nen wir dich als Za­ra­thustra. Du er­nied­rig­test dich vor uns; fast tha­test du un­se­rer Ehr­furcht wehe –:

      – wer aber ver­moch­te gleich dir sich mit sol­chem Stol­ze zu er­nied­ri­gen? Das rich­tet uns sel­ber auf, ein Lab­sal ist es un­sern Au­gen und Her­zen.

      Diess al­lein nur zu schaun, stie­gen gern wir auf hö­he­re Ber­ge, als die­ser Berg ist. Als Schau­lus­ti­ge