aufwächst: lang, schweigend, hart, allein, besten biegsamsten Holzes, herrlich, –
– zuletzt aber hinausgreifend mit starken grünen Ästen nach seiner Herrschaft, starke Fragen fragend vor Winden und Wettern und was immer auf Höhen heimisch ist,
– stärker antwortend, ein Befehlender, ein Siegreicher: oh wer sollte nicht, solche Gewächse zu schaun, auf hohe Berge steigen?
Deines Baumes hier, oh Zarathustra, erlabt sich auch der Düstere, der Missrathene, an deinem Anblicke wird auch der Unstäte sicher und heilt sein Herz.
Und wahrlich, zu deinem Berge und Baume richten sich heute viele Augen; eine grosse Sehnsucht hat sich aufgemacht, und Manche lernten fragen: wer ist Zarathustra?
Und wem du jemals dein Lied und deinen Honig in’s Ohr geträufelt: alle die Versteckten, die Einsiedler, die Zweisiedler sprachen mit Einem Male zu ihrem Herzen:
»Lebt Zarathustra noch? Es lohnt sich nicht mehr zu leben, Alles ist gleich, Alles ist umsonst: oder – wir müssen mit Zarathustra leben!«
»Warum kommt er nicht, der sich so lange ankündigte? also fragen Viele; verschlang ihn die Einsamkeit? Oder sollen wir wohl zu ihm kommen?«
Nun geschieht’s, dass die Einsamkeit selber mürbe wird und zerbricht, einem Grabe gleich, das zerbricht und seine Todten nicht mehr halten kann. Überall sieht man Auferstandene.
Nun steigen und steigen die Wellen um deinen Berg, oh Zarathustra. Und wie hoch auch deine Höhe ist, Viele müssen zu dir hinauf; dein Nachen soll nicht lange mehr im Trocknen sitzen.
Und dass wir Verzweifelnde jetzt in deine Höhle kamen und schon nicht mehr verzweifeln: ein Wahr- und Vorzeichen ist es nur, davon, dass Bessere zu dir unterwegs sind, –
– denn er selber ist zu dir unterwegs, der letzte Rest Gottes unter Menschen, das ist: alle die Menschen der grossen Sehnsucht, des grossen Ekels, des grossen Überdrusses,
– Alle, die nicht leben wollen, oder sie lernen wieder hoffen – oder sie lernen von dir, oh Zarathustra, die grosse Hoffnung!«
Also sprach der König zur Rechten und ergriff die Hand Zarathustra’s, um sie zu küssen; aber Zarathustra wehrte seiner Verehrung und trat erschreckt zurück, schweigend und plötzlich wie in weite Fernen entfliehend. Nach einer kleinen Weile aber war er schon wieder bei seinen Gästen, blickte sie mit hellen, prüfenden Augen an und sprach:
Meine Gäste, ihr höheren Menschen, ich will deutsch und deutlich mit euch reden. Nicht auf euch wartete ich hier in diesen Bergen.
(»Deutsch und deutlich? Dass Gott erbarm! sagte hier der König zur Linken, bei Seite; man merkt, er kennt die lieben Deutschen nicht, dieser Weise aus dem Morgenlande!
Aber er meint »deutsch und derb« – wohlan! Das ist heutzutage noch nicht der schlimmste Geschmack!«)
»Ihr mögt wahrlich insgesammt höhere Menschen sein, fuhr Zarathustra fort: aber für mich – seid ihr nicht hoch und stark genug.
Für mich, das heisst: für das Unerbittliche, das in mir schweigt, aber nicht immer schweigen wird. Und gehört ihr zu mir, so doch nicht als mein rechter Arm.
Wer nämlich selber auf kranken und zarten Beinen steht, gleich euch, der will vor Allem, ob er’s weiss oder sich verbirgt: dass er geschont werde.
Meine Arme und meine Beine aber schone ich nicht, ich schone meine Krieger nicht: wieso könntet ihr zu meinem Kriege taugen?
Mit euch verdürbe ich mir jeden Sieg noch. Und Mancher von euch fiele schon um, wenn er nur den lauten Schall meiner Trommeln hörte.
Auch seid ihr mir nicht schön genug und wohlgeboren. Ich brauche reine glatte Spiegel für meine Lehren; auf eurer Oberfläche verzerrt sich noch mein eignes Bildniss.
Eure Schultern drückt manche Last, manche Erinnerung; manch schlimmer Zwerg hockt in euren Winkeln. Es giebt verborgenen Pöbel auch in euch.
Und seid ihr auch hoch und höherer Art: Vieles an euch ist krumm und missgestalt. Da ist kein Schmied in der Welt, der euch mir zurecht und gerade schlüge.
Ihr seid nur Brücken: mögen Höhere auf euch hinüber schreiten! Ihr bedeutet Stufen: so zürnt Dem nicht, der über euch hinweg in seine Höhe steigt!
Aus eurem Samen mag auch mir einst ein ächter Sohn und vollkommener Erbe wachsen: aber das ist ferne. Ihr selber seid Die nicht, welchen mein Erbgut und Name zugehört.
Nicht auf euch warte ich hier in diesen Bergen, nicht mit euch darf ich zum letzten Male niedersteigen. Als Vorzeichen kamt ihr mir nur, dass schon Höhere zu mir unterwegs sind, –
– nicht die Menschen der grossen Sehnsucht, des grossen Ekels, des grossen Überdrusses und Das, was ihr den Überrest Gottes nanntet.
– Nein! Nein! Drei Mal Nein! Auf Andere warte ich hier in diesen Bergen und will meinen Fuss nicht ohne sie von dannen heben,
– auf Höhere, Stärkere, Sieghaftere, Wohlgemuthere, Solche, die rechtwinklig gebaut sind an Leib und Seele: lachende Löwen müssen kommen!
Oh, meine Gastfreunde, ihr Wunderlichen, – hörtet ihr noch Nichts von meinen Kindern? Und dass sie zu mir unterwegs sind?
Sprecht mir doch von meinen Gärten, von meinen glückseligen Inseln, von meiner neuen schönen Art, – warum sprecht ihr mir nicht davon?
Diess Gastgeschenk erbitte ich mir von eurer Liebe, dass ihr mir von meinen Kindern sprecht. Hierzu bin ich reich, hierzu ward ich arm: was gab ich nicht hin,
– was gäbe ich nicht hin, dass ich Eins hätte: diese Kinder, diese lebendige Pflanzung, diese Lebensbäume meines Willens und meiner höchsten Hoffnung!«
Also sprach Zarathustra und hielt plötzlich inne in seiner Rede: denn ihn überfiel seine Sehnsucht, und er schloss Augen und Mund vor der Bewegung seines Herzens. Und auch alle seine Gäste schwiegen und standen still und bestürzt: nur dass der alte Wahrsager mit Händen und Gebärden Zeichen gab.
Das Abendmahl
An dieser Stelle nämlich unterbrach der Wahrsager die Begrüssung Zarathustra’s und seiner Gäste: er drängte sich vor, wie Einer, der keine Zeit zu verlieren hat, fasste die Hand Zarathustra’s und rief: »Aber Zarathustra!
Eins ist nothwendiger als das Andre, so redest du selber: wohlan, Eins ist mir jetzt nothwendiger als alles Andere.
Ein Wort zur rechten Zeit: hast du mich nicht zum Mahle eingeladen? Und hier sind viele, die lange Wege machten. Du willst uns doch nicht mit Reden abspeisen?
Auch