Фридрих Вильгельм Ницше

Gesammelte Werke


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Jude bin.

      Wie? Muss ich im­mer­dar un­ter­wegs sein? Von je­dem Win­de ge­wir­belt, un­stät, fort­ge­trie­ben? Oh Erde, du wardst mir zu rund!

      Auf je­der Ober­flä­che sass ich schon, gleich mü­dem Stau­be schlief ich ein auf Spie­geln und Fens­ter­schei­ben: Al­les nimmt von mir, Nichts giebt, ich wer­de dünn, – fast glei­che ich ei­nem Schat­ten.

      Dir aber, oh Za­ra­thustra, flog und zog ich am längs­ten nach, und, ver­barg ich mich schon vor dir, so war ich doch dein bes­ter Schat­ten: wo du nur ge­ses­sen hast, sass ich auch.

      Mit dir bin ich in ferns­ten, käl­tes­ten Wel­ten um­ge­gan­gen, ei­nem Ge­s­pens­te gleich, das frei­wil­lig über Win­ter­dä­cher und Schnee läuft.

      Mit dir streb­te ich in je­des Ver­bo­te­ne, Schlimms­te, Ferns­te: und wenn ir­gend Et­was an mir Tu­gend ist, so ist es, dass ich vor kei­nem Ver­bo­te Furcht hat­te.

      Mit dir zer­brach ich, was je mein Herz ver­ehr­te, alle Grenz­stei­ne und Bil­der warf ich um, den ge­fähr­lichs­ten Wün­schen lief ich nach, – wahr­lich, über jed­we­des Ver­bre­chen lief ich ein­mal hin­weg.

      Mit dir ver­lern­te ich den Glau­ben an Wor­te und Wert­he und gros­se Na­men. Wenn der Teu­fel sich häu­tet, fällt da nicht auch sein Name ab? der ist näm­lich auch Haut. Der Teu­fel sel­ber ist viel­leicht – Haut.

      »Nichts ist wahr, Al­les ist er­laubt«: so sprach ich mir zu. In die käl­tes­ten Was­ser stürz­te ich mich, mit Kopf und Her­zen. Ach, wie oft stand ich darob nackt als ro­ther Krebs da!

      Ach, wo­hin kam mir al­les Gute und alle Scham und al­ler Glau­be an die Gu­ten! Ach, wo­hin ist jene ver­lo­gne Un­schuld, die ich einst be­sass, die Un­schuld der Gu­ten und ih­rer ed­len Lü­gen!

      Zu oft, wahr­lich, folg­te ich der Wahr­heit dicht auf dem Fus­se: da trat sie mir vor den Kopf. Manch­mal mein­te ich zu lü­gen, und sie­he! da erst traf ich – die Wahr­heit.

      Zu Viel klär­te sich mir auf: nun geht es mich Nichts mehr an. Nichts lebt mehr, das ich lie­be, – wie soll­te ich noch mich sel­ber lie­ben?

      »Le­ben, wie ich Lust habe, oder gar nicht le­ben«: so will ich’s, so will’s auch der Hei­ligs­te. Aber, wehe! wie habe ich noch – Lust?

      Habe ich – noch ein Ziel? Ei­nen Ha­fen, nach dem mein Se­gel läuft?

      Ei­nen gu­ten Wind? Ach, nur wer weiss, wo­hin er fährt, weiss auch, wel­cher Wind gut und sein Fahr­wind ist.

      Was blieb mir noch zu­rück? Ein Herz müde und frech; ein un­stä­ter Wil­le; Flat­ter-Flü­gel; ein zer­broch­nes Rück­grat.

      Diess Su­chen nach mei­nem Heim: oh Za­ra­thustra, weisst du wohl, diess Su­chen war mei­ne Heim­su­chung, es frisst mich auf.

      »Wo ist – mein Heim?« Dar­nach fra­ge und su­che und such­te ich, das fand ich nicht. Oh ewi­ges Über­all, oh ewi­ges Nir­gend­wo, oh ewi­ges – Um­sonst!«

      Also sprach der Schat­ten, und Za­ra­thustra’s Ge­sicht ver­län­ger­te sich bei sei­nen Wor­ten. »Du bist mein Schat­ten! sag­te er end­lich, mit Trau­rig­keit.

      Dei­ne Ge­fahr ist kei­ne klei­ne, du frei­er Geist und Wan­de­rer! Du hast einen schlim­men Tag ge­habt: sieh zu, dass dir nicht noch ein schlim­me­rer Abend kommt!

      Sol­chen Un­stä­ten, wie du, dünkt zu­letzt auch ein Ge­fäng­niss se­lig. Sahst du je, wie ein­ge­fang­ne Ver­bre­cher schla­fen? Sie schla­fen ru­hig, sie ge­mes­sen ihre neue Si­cher­heit.

      Hüte dich, dass dich nicht am Ende noch ein en­ger Glau­be ein­fängt, ein har­ter, stren­ger Wahn! Dich näm­lich ver­führt und ver­sucht nun­mehr Jeg­li­ches, das eng und fest ist.

      Du hast das Ziel ver­lo­ren: wehe, wie wirst du die­sen Ver­lust ver­scher­zen und ver­schmer­zen? Da­mit – hast du auch den Weg ver­lo­ren!

      Du ar­mer Schwei­fen­der, Schwär­me­n­der, du mü­der Schmet­ter­ling! willst du die­sen Abend eine Rast und Heim­stät­te ha­ben? So gehe hin­auf zu mei­ner Höh­le!

      Dor­thin führt der Weg zu mei­ner Höh­le. Und jet­zo will ich Schnell wie­der von dir da­von­lau­fen. Schon liegt es wie ein Schat­ten auf mir.

      Ich will al­lein lau­fen, dass es wie­der hell um mich wer­de. Dazu muss ich noch lan­ge lus­tig auf den Bei­nen sein. Des Abends aber wird bei mir – ge­tanzt!« – –

      Also sprach Za­ra­thustra.

      Mittags

      – Und Za­ra­thustra lief und lief und fand Nie­man­den mehr und war al­lein und fand im­mer wie­der sich und ge­noss und schlürf­te sei­ne Ein­sam­keit und dach­te an gute Din­ge, – stun­den­lang. Um die Stun­de des Mit­tags aber, als die Son­ne ge­ra­de über Za­ra­thustra’s Haup­te stand, kam er an ei­nem al­ten krum­men und knor­rich­ten Bau­me vor­bei, der von der rei­chen Lie­be ei­nes Wein­stocks rings um­armt und vor sich sel­ber ver­bor­gen war: von dem hien­gen gel­be Trau­ben in Fül­le dem Wan­dern­den ent­ge­gen. Da ge­lüs­te­te ihn, einen klei­nen Durst zu lö­schen und sich eine Trau­be ab­zu­bre­chen; als er aber schon den Arm dazu aus­streck­te, da ge­lüs­te­te ihn et­was An­de­res noch mehr: näm­lich sich ne­ben den Baum nie­der­zu­le­gen, um die Stun­de des voll­komm­nen Mit­tags, und zu schla­fen.

      Diess that Za­ra­thustra; und so­bald er auf dem Bo­den lag, in der Stil­le und Heim­lich­keit des bun­ten Gra­ses, hat­te er auch schon sei­nen klei­nen Durst ver­ges­sen und schlief ein. Denn, wie das Sprich­wort Za­ra­thustra’s sagt: Eins ist nothwen­di­ger als das And­re. Nur dass sei­ne Au­gen of­fen blie­ben: – sie wur­den näm­lich nicht satt, den Baum und die Lie­be des Wein­stocks zu sehn und zu prei­sen. Im Ein­schla­fen aber sprach Za­ra­thustra also zu sei­nem Her­zen:

      Still! Still! Ward die Welt nicht eben voll­kom­men? Was ge­schieht mir doch?

      Wie ein zier­li­cher Wind, un­ge­sehn, auf ge­tä­fel­tem Mee­re tanzt, leicht, fe­der­leicht: so – tanzt der Schlaf auf mir,

      Kein Auge drückt er mir zu, die See­le lässt er mir wach. Leicht ist er, wahr­lich! fe­der­leicht.

      Er über­re­det mich, ich weiss nicht wie?, er be­tupft mich in­ne­wen­dig mit schmei­cheln­der Hand, er zwingt mich. Ja, er zwingt mich, dass mei­ne See­le sich aus­streckt: –

      – wie sie mir lang und müde wird, mei­ne wun­der­li­che See­le! Kam ihr ei­nes sie­ben­ten Ta­ges Abend ge­ra­de am Mit­ta­ge? Wan­del­te sie zu lan­ge schon se­lig zwi­schen gu­ten und rei­fen Din­gen?

      Sie streckt sich lang aus, lang, – län­ger! sie liegt stil­le, mei­ne wun­der­li­che See­le. Zu viel Gu­tes hat sie schon ge­schmeckt, die­se. gol­de­ne Trau­rig­keit drückt sie, sie ver­zieht den Mund.

      – Wie ein Schiff, das in sei­ne stills­te Bucht ein­lief: – nun lehnt es sich an die Erde, der lan­gen Rei­sen müde und der un­ge­wis­sen Mee­re. Ist die Erde nicht treu­er?

      Wie solch ein Schiff sich dem Lan­de an­legt, an­schmiegt: – da ge­nüg­t’s, dass eine Spin­ne vom Lan­de her zu ihm ih­ren Fa­den spinnt. Kei­ner stär­ke­ren Taue be­darf es da.

      Wie solch ein mü­des Schiff in der stills­ten Bucht: so ruhe auch ich nun der Erde nahe, treu, zu­trau­end, war­tend, mit den lei­ses­ten Fä­den ihr an­ge­bun­den.

      Oh Glück! Oh Glück! Willst du wohl sin­gen, oh mei­ne