Seitenstück, das sich die historische Klugheit nennen ließe. Letztere wirkt höchst geheimnisvoll ist aber z T. nichts als erstere. Die Affekte, die das Leben treiben und verhüllen, sind zur Ruhe gekommen. Soweit ist das sehr verständlich, aber ein Weniges läßt sich noch dazu beitragen: Die Klugheit und Gerechtigkeit trauen sich nämlich nur über dauernd Vergangenes zu sprechen. Trachtet einer sie auf das Mitlebende anzuwenden, wie ich zb., so gilt er als Querkopf, Außenseiter u. ärgerlicher Störenfried der «Weltanschauung».
Stehr, Kolbenheyer würden nicht genug geschätzt, klagt der Völkische Beobachter, man lese noch immer Thomas Mann. Mit Recht, glossiert der Tag. An mich denkt keiner.
Die Irrealität des Films wird mit der des Märchens verglichen. Das sich über die dringendste Wahrscheinlichkeit Hinwegsetzen. Es ist Logik des Gefühls, der Wünsche. Aber heute sind es die Wünsche von Mittelständlern.
Geistreich und gemütvoll kann man (im Deutschen) oft loben hören, ohne daß die Tautologie bemerkt würde. Ohne daß bemerkt wird,
daß etwas nicht wirklich geistreich sein kann, ohne – zu sein, u ebenso gilt das Umgekehrte
Nachtrag: .. ohne daß bemerkt wird, daß es das gleiche sein sollte
Kulturpolitisches Wirken nannte man es früher, wenn beispielsweise ein Schleiermacher als Rat im preussischen Ministerium Denkschriften verfaßte, eine Analogie zum kirchenpolitischen Wirken, der Organisation des Kirchentums.
Wir als Übersetzervolk. Man leitet unsere Aufgeschlossenheit davon ab und manchmal auch ein mystisches Psychologem. Aber gibt es nicht auch eine handfeste u. nüchterne Erklärung, die wir soeben erleben?! Der deutschen Literatur mangelt es nicht an bedeutenden Männern, aber es kommen immer wieder die andern über sie. Meine Altersgenossen u ihre unmittelbaren Anrainer haben sich selbst an der skandin. russ. französ. Literatur entdecken müssen, weil die deutsche Tradition so ruiniert war. Unseren Nachfolgern wird es wieder so ergehn!
Wie sagt Lichtenberg? «Mich dünkt, der Deutsche hat seine Stärke vorzüglich in Originalwerken, worin ihm schon ein sonderbarer Kopf vorgearbeitet hat; oder mit andern Worten: er besitzt die Kunst, durch Nachahmen original zu werden, in der größten Vollkommenheit. Er besitzt eine Empfindlichkeit, augenblicklich die Formen zu haschen, u. kann sein Murki aus allen Tönen spielen, die ihm ein ausländischer Originalkopf angibt.» Vor rund 150 Jahren! und wie auf Im-u Expressionismus abgesehn!
Ist das ein Erbstück? Ich glaube es ist der Mangel am Eines aufs andere Baun, die völlig geistlose Tradierung unserer Literatur. Wir sind bedeutend, aber wir wissen nichts davon!
Unsterblichkeit der Kunstwerke, Die: ist ihre Unverdaulichkeit.
Führe das aus! Ebenso Geschichte noch im Stadium der Bilderschrift (s. heute die zahllosen biographischen Romane u romanhaften Biographien) u. a. aus Bl. vor Sua 1 in II R Fr.
Wie wird man aufs einfachste Prophet? (kann man P. werden?) Indem man die Zukunft voraussieht? Nein. Indem man ihren Weg weist? Nein. Wenn man eine Dummheit ausspricht u. andere sie nachmachen.
Es ist das sicherste, einen Unsinn zu sagen: irgendwann geschieht er! Es genügt, eine Dummheit auf den Markt zu werfen
Nur für Feinschmecker (auf mich angewandt!): sagte die Sau zu den Säuen, als sie einen Laib Hausbrod fand. (od. ähnl.)
Zu jeder kräftigen künstlerischen Bewegung gehört es, daß auch Werke gut (schlecht) gefunden werden, die es nicht verdienen. Was Bewegung macht, macht auch dies. Aber gehört es nicht auch zum Ende, das jede Bewegung vorzeitig findet?
Internationalität der Kunst. Ist es so oder nicht? daß Kunst immer an der Berührung günstiger nationaler Umstände mit einer andersnationalen Überlieferung entstanden ist. Griechenland. Renaissance. Deutsch-französische Gotik. Die «Moderne». Der Geist (Fortschritt, die Kunst dem Wesen nach) ist nur international; national ist das Hegende und das Einengende (Besondernde).
Der vollentwickelte Antisemit ist eine vollkommen paranoide Geistesverfassung. Sieht in allem Bestätigungen; ist nicht zu widerlegen .. Man darf es nicht dahin kommen lassen! Die Wurzel des Antis. sind: Unkenntnis des Begriffs der Objektivität. Glaube, daß alles Höhere falsch oder verdorben sei (Respektlosigkeit des Unwissenden). Nichtbesitz der Kulturhemmung …
Man bemüht sich um ein Ideal des heroischen Geistes. Man macht es sich und anderen nicht leicht beim Schreiben. Und die Unverschämtheit ist wahrhaft grenzenlos, mit der sie Schriftsteller, die so schreiben, wie sie sind, für große Dichter (Geister) erklären.
Oe. als Wildgansgesellschaft Ein Dr J R, der im Tag vom 24. V 36 über Nahum Sokolow (Präsident der Zionistischen Weltorganisation) (†) schreibt: «Als einer der ersten, die schriftlich ihre Zustimmung zu der Gründung [eines österr. Pro-Palästina-Komitees] gaben, befand sich der große österreichische Dichter Hofrat Anton W., damals Direktor des Burgtheaters.»
Ich bin überzeugt, daß man mit der Kielfeder ein besseres Deutsch geschrieben hat als mit der Stahlfeder, und mit der Stahlfeder ein besseres als mit der Füllfeder. Wenn einmal das Parlophon ausgebildet sein wird, wird man überhaupt kein Deutsch mehr schreiben.
Das Seitenstück dazu: daß man schon heute bei Dummköpfen für einen klassischen Dichter gilt, wenn man bloß ein halbwegs postklassisches Deutsch schreibt. Ich will keine Beispiele nennen, aber täte ich es, so wiese ich auf Stössel, L. Frank u … Josef Roth hin
Der Dichter eilt der polit. Entwicklung voraus. (Was Dichtung ist, ist etwas später Politik.) In Deutschland suchen sie noch den Dichter, der Ausdruck der polit. Errungenschaft ist, in österr. hatten sie ihn schon vor dieser: A. Wildgans! Der Als-ob-Dichter des zur absoluten Regentschaft gekommenen Durchschnittsmenschen. Die Spießbürger aller Parteien, die heroisch sein wollten, vereinigten sich in ihm.
Beim Lesen von George Meredith, Der Egoist, deutsch v. Hans Reisiger, Paul List Verlag Lpzg. Stelle (S. 135): «… Wie Vernon sagt: ‹Ein Nichts, von den Geiern aufgelesen u. in der Wüste gebleicht› …»: fiel mir zum Stil einer überschwänglichen Zeit ein: Der Satz will tatsächlich nur «nichts» ausdrücken (vielleicht, da von einem nichtssagenden Gesicht gemeint, ist auch weiß, hell .. dabei; wahrscheinlich aber nicht, da das Zitat gar nicht stimmen soll); aber er umgibt das «nichts», er drapiert es, er nimmt es zum Anlaß, etwas Schönes zu sagen, wenn es auch kaum eine Beziehung dazu hat. Unerträglich in belangloser Ausführung, ist das doch recht schön, wenn mit Talent geübt. – Erschienen 1877, war es nicht die Zeit der großen Tüllmaschen unter dem Frauenkinn? Als meine Eltern ein junges Ehepaar waren.
Zu scharfen Strafgesetzen sind zwei Betrachtungsweisen zulässig: 1) Der Spießbürger ist scharf, weil er sich den andern nicht vorstellt. Darum ist er grausam (Burcardus berichtet, daß man einen Attentäter auf den span. König so verurteilt hat, daß man ihm ein Glied – selbst Fingerglied – nach dem andern abschlug. Auf Intervention der Königin wurde er vorher durch einen Schlag auf den Kopf betäubt) (Dieses Bspl. beweist aber wohl etwas anderes) 2) Der selbstbewußte Staat, der glühende Staatsbürger muß es unerträglich fühlen, daß ein Dieb od. ähnl. den Namen Deutscher trägt. – Wie ist zw. dem Einwand 1) u der Forderung 2) der Ausgleich zu finden?
Nebenbei: Der neue Mensch will nicht das Recht, sondern das Rechte.
Als Lyriker hat der Mensch größere Frühreife denn als Erzähler; es scheint nur, daß die Kindergedichte denen der Erwachsenen näher stehen als die Geschichten, die sich Kinder erzählen. Diese seien denn Märchen, von denen ich zu wenig Erfahrung habe.
Es mag sein, daß sich die Form, und das gilt bestimmt vom Märchen, leichter einprägt als die Form des Erzählens einer Geschichte, die ja auch dem Erwachsenen selten klar ist. Kindergeschichten haben sogar eine eigene Form. Meine Geschichten waren alle endlos.
Naive Begehrlichkeit des Denkens. Ein Prominenter (Frank II) schreibt heute, neben Hitler gebe es nur noch einen zweiten Mann von weltgeschichtlicher Bedeutung: Marschall Pilsudski. Bisher war es Mussolini. (Nach dem N. Wr. Tagblatt v. 20. III 34.) Es geht also bis zum Selbstdesaveu.
Nach dem gleichen Blatt erzählt Landeshauptmann Reither, daß die Sozialdemokr. in diesem Jahr immer wieder einen