Büchmann Georg

Geflügelte Worte: Der Citatenschatz des deutschen Volkes


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bist du, Sonne (ge)blieben?—

      

      Auch citiert man die erste Zeile seines 1649 gedichteten Liedes vom Folgenden abgelöst, also:

      Wach auf, mein Herz, und singe!—

      Ein Weihnachtslied von Johann Rist (1607-67) beginnt:

      Ermunt're dich, mein schwacher Geist.—

      Nürnberger Trichter

      beruht auf dem Titel eines Buches von Harsdörffer (1607-58): "Poetischer Trichter, die Teutsche Dicht- und Reimkunst, ohne Behuf der lateinischen Sprache, in VI Stunden einzugiessen", das 1648 ohne Namen in Nürnberg erschien.

      Das Bild vom Trichter ist nicht seine Erfindung, da er sich in der Vorrede auf "H. Schickards Hebreischen Trichter" (Tüb. 1627) bezieht, und ein solcher Trichter schon in der lateinischen Komödie "Almansor, sive ludus literarius" des Mart. Hayneccius (Lpz. 1578) 5, 5, genannt wird. Vrgl. Zincgref-Weidner ("Apophthegmata", T. 3, Amst. 1653, S. 227): "Der Drechter Almansoris, mit welchem man den Leuten ingegossen, ist lang verlohren". "Mit einem Trichter eingiessen" steht bereits bei Sebast. Franck ("Sprichw." 1541, II, 107 b). "Eintrichtern" sagen wir jetzt. Franz Trautmann gab 1849-50 in Nürnberg ein humoristisches Blatt "der Nürnberger Trichter" heraus.—

      Philipp von Zesen (1619-89), wendete

      lustwandeln

      in "Der Adriatischen Rosemund" (1645) zum ersten Male für "spazieren gehen" an. Mit seinen anderen, S. 366 daselbst zusammengestellten Verdeutschungen drang er nicht durch; aber "lustwandeln" erhielt sich, weil es den Spott ganz besonders hervorrief. Christian Weise macht sich in dem satirischen Romane (1672) "Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt", Kap. 11 darüber lustig, sowie Grimmelshausen in "Des weltberühmten Simplicissimi Pralerey und Gepräng mit seinem Teutschen Michel u. s. w." (o. O. u. J. Kap. 5 g. E.). Im obengenannten Verzeichnisse bildete Zesen das Wort

      wohl mit Anlehnung an 1. Kor. 10, 21 "Teilhaftig sein des Herrn Tisches".—

      Samuel Rodigast (1649-1708) dichtete das evangelische Gesangbuchlied:

      Was Gott thut, das ist wohlgethan.—

      Wenn in unfeinen Kreisen die Geliebte eines Menschen als seine

      Charmante

      Das Ende der 2. Strophe im Liede Erdmann Neumeisters (1671-1756): "Herr Jesu Christ, mein Fleisch und Blut" lautet:

      Herr Jesu Christ! wo du nicht bist,

      Ist Nichts, das mir erfreulich ist;

      

      was geschmacklos umgestaltet wurde in:

      Wo du nicht bist, Herr Organist,

      Da schweigen alle Flöten.—

      Als Bezeichnung Berlins findet sich

      Spree-Athen

      wohl zuerst in dem Gedichte des Erdmann Wircker zu Friedrichs I. Lobe "An seiner königl. Majestät zu Preussen im Nahmen eines andern", worin es heisst:

      "Die Fürsten wollen selbst in deine Schule gehn,

      Drumb hastu auch für Sie ein Spree-Athen gebauet".

      (In dem Buche "Märkische neun Musen, welche sich unter dem allergrossmächtigsten Schutz Sr. koenigl. Majestät in Preussen als Ihres allergnädigsten Erhalters und ändern Jupiters bey glücklichen Anfang Ihres Jubel-Jahres auff dem Franckfurtischen Helicon frohlockend aufgestellt" Erste Assemblée verlegts Johann Völcker 1706. S. 59.)—

      Bramarbas

      für "Prahlhans" ist dem satirischen Gedichte eines nicht bekannten Verfassers "Cartell des Bramarbas an Don Quixote" entnommen, das Philander von der Linde (Burchard Menke 1675-1732) in der zu seinen "Vermischten Gedichten", (Leipz. 1710) den Anhang bildenden "Unterredung von der deutschen Poesie" mitteilt. Hiernach gab Gottsched ("Deutsche Schaubühne", Leipz. 1741, III) dem Lustspiele Holbergs "Jacob von Tyboe eller den stortalende Soldat" (oder der grosssprecherische Soldat), das er in der Übersetzung Dethardings veröffentlichte, den Titel "Bramarbas oder der grosssprecherische Officier", weil, wie er sich in der Vorrede äussert, der Name Tyboe "in unserer Sprache keine Anmut gehabt haben würde"; er setzt hinzu, dass er diesen Namen dem Philander von der Linde entlehnt habe.—

      

      Ein sorglos bei seinem Tagewerk Singender und überhaupt ein laut Vergnügter wird gern

      Johann, der muntre Seifensieder

      genannt nach der Anfangs- und Schlusszeile des Friedrich von Hagedornschen (1708-54) Gedichtes "Johann der Seifensieder" ("Versuch in poetischen Fabeln und Erzehlungen" 1. Buch, Hamb. 1738). Auch spricht man kurzweg von einem

      muntren Seifensieder,

      wie denn schon Gleim ("An die Freude". S. Voss: "Musenalm." f. 1798; S. 88) dichtet:

      "Alle muntren Seifensieder

      Sind verschwunden aus der Welt!

      Hagedorns und meine Lieder

      Singt kein Trinker und kein Held!"

      Hagedorn schöpfte den Stoff aus La Fontaines ("Fables" VIII, 2) "Le savetier et le financier", nur machte er aus dem "Schuhflicker" einen "Seifensieder", indem er wohl "savetier" von "savon" ableitete. Die Moral der Geschichte stammt aus Horaz (Epist. 1, 7, 95): "vitae me redde priori"; "gieb mich meiner alten Lebensart zurück!"—

      von Haller (1708-77) sagt in dem Gedichte "Falschheit menschlicher Tugenden" im "Versuche schweizerischer Gedichte" (1732 in Bern zuerst anonym erschienen):

      "Ins Innre der Natur dringt kein erschaffner Geist;

      Zu glücklich, wann sie noch die äussre Schale weist".

      Dieser Behauptung widerspricht Goethe heftig in den Gedichten "Allerdings" (1820, 3. Heft der Morphologie) und "Ultimatum" (zuerst in der Ausg. von 1827). Aus dem Ersteren citieren wir Hallers Wort also:

      In's Innre der Natur

      Dringt kein erschaffner Geist,

      Glückselig! wem sie nur

      Die äussre Schale weis't!—

      

      In demselben Buche Hallers (S. 47) steht zu lesen:

      "Unselig Mittelding von Engeln und von Vieh!

      Du prahlst mit der Vernunft und du gebrauchst sie nie".

      Brockes trat in seinem "Irdischen Vergnügen in Gott" (1748; 133. 9, S. 344) diesen Gedanken breit, dem der Altonaer Goldschmied Joachim Lorenz Evers die knappe Form gab:

      Was ist der Mensch? Halb Tier, halb Engel.

      So nämlich beginnt seine Nr. 369 der 1797 erschienenen "Vierhundert Lieder", die "der geselligen