von dem wir im Ovid ("Her." 10, 103; "Met." 8, 172; "Fast." 3, 462) und Hygin (42) lesen. Danach nennen wir ein handliches Büchlein, das uns durch die verschlungenen Pfade einer Wissenschaft führt, einen
Leitfaden.—
Bei Ovid (43 v.-17 n. Chr.) finden wir auch ("Met." 8, 183-235; vrgl. Hygin 40) die Erzählung von Ikarus, der trotz des Daedalus väterlicher Warnung mit den wachsverklebten Flügeln der Sonne zu nahe flog, so dass sie schmolzen und er im Meere ertrank. Hiernach nennen wir ein tollkühnes, missglückendes Wagnis einen
Ikarusflug.—
Das Urbild aller greisen, frommen und treuliebenden Ehepaare ist für uns
Philemon und Baucis,
die nach Ovid ("Met." 8, 620-725) Jupiter und Merkur gastlich aufnahmen, ohne sie noch als Götter erkannt zu haben, die dafür ihre Hütte zum Tempel verwandelt sahen, dessen Diener sie werden durften, und die, auf Verlangen zur selbigen Stunde sterbend, in eine Eiche und eine Linde umgestaltet wurden, welche gepaart an Phrygiens Höhen wuchsen, von Gläubigen bekränzt. Hagedorn ("Werke" 1793; II, 197) und danach Goethe (1802 "Was wir bringen"; 1809 "Wahlverwandtschaften" II, 1 und 1833 "Faust" II, 5) brachten weiteren Kreisen Deutschlands den Stoff nahe, den bereits La Fontaine ("Philemon et Baucis") verwertet hatte.—
Morpheus,
in dessen Armen wir Schlafende ruhen lassen, besitzt nach Ovid ("Met." 11, 634-693), als ein Sohn des Schlafgottes Somnus, die Macht, Traumgestalten hervorzurufen ("μορφή", die Gestalt; danach: "Μορφεύς", der Gestaltende).—
In der 107. Fabel des Hyginus (bl. um 10 v. Chr.) tötet Apoll in der Gestalt des Paris den Achill durch einen Pfeilschuss in die Ferse. Hier war die Stelle, wo er sterblich war; denn bis auf die Ferse, an der sie ihn hielt, hatte Thetis den Neugeborenen in den unverwundbar machenden Styx getaucht (s. Fulgentius 3, 7). Wir nennen daher die schwache, verwundbare Stelle eines Menschen seine
Achillesferse
(von den Ärzten wird der sich von der Wade zur Ferse hinziehende Sehnenstrang "Achillessehne" genannt).—
Nach Hyginus (Fab. 178) tötete Cadmus den Drachen, der den kastalischen Quell bewachte, und säete dessen Zähne aus und pflügte sie unter. Daraus entsprossen dann Krieger, die sich, bis auf fünf, einander erschlugen. Hiernach nennen wir eine Saat der Zwietracht
Drachensaat,
obwohl es richtig wäre, von einer "Drachenzahnsaat" zu reden.—
Wir pflegen zu sagen, dass ein neubelebt aus dem Zusammenbruch des Bestehenden hervorgehender Staat oder Mensch sich erhebe, wie ein
Phönix aus der Asche;
denn also schildert Claudian (44 "Phoenix", 102: "origo per cinerem") die Wiedergeburt des indischen Wundervogels, der, alt geworden, sich im eigenen Neste verbrenne, um verjüngt aus der Asche zu erstehen. Die weiteren Phönixmythen s. b. Creuzer ("Symbolik" II, 163ff.; 3. Aufl. 1841) und bei Th. Graesse ("Sagen des Mittelalters" Dresd. 1850).—
Die Märchensammlung "Tausend und ein Nacht" liefert uns aus "Aly Baba und die vierzig Räuber" die schatzerschliessende Zauberformel:
Sesam! öffne dich!
Dieser Sesamblüte der orientalischen Sage ähnelt
die blaue Blume
der deutschen, von der J. Grimm ("Deutsche Mythol." 3. Aufl. Gött. 1854, S. 1152) schreibt:
"Die ungenannte blaue Wunderblume (S. 916, 924), die dem Hirten, wenn er sie unversehens aufgesteckt hat, plötzlich seine Augen öffnet und den bisher verborgenen Eingang zum Schatz entdeckt (S. 923), erscheint desto geheimnisvoller, weil sie gar nicht angegeben werden kann. Der Name Vergissmeinnicht, den sie sich gleichfalls selbst beilegt, soll bloss ihre Bedeutsamkeit ausdrücken und mag erst im Verlauf der Zeit auf Myosotis angewandt worden sein".
In des Novalis Roman "Heinrich von Ofterdingen" (1802) erfüllt die "blaue Blume" die Sehnsucht des Titelhelden. So wurde sie zum Losungswort der Romantik.—
Aus dem Tierepos haben wir den schon um 1200 vorkommenden Namen des Wolfes
Isegrim (Eisenhelm)
zur Bezeichnung eines grimmigen Menschen entnommen.—
Für ein zurückgesetztes, zur niedrigsten Hausarbeit verwendetes Mädchen giebt uns das deutsche Märchen den Namen
Aschenbrödel oder Aschenputtel.—
Eine schwäbische Sage, die Gustav Schwab nach mündlicher Überlieferung in seiner Ballade "Der Reiter und der Bodensee" (1826, s. "Gedichte" Stuttg. 1828-9) dem deutschen Volke schenkte, lautet also: Über die Schneefläche des zugefrorenen Bodensees sprengt ahnungslos ein Reiter, der, jenseits angekommen, tot vom Ross sinkt, als er hört, welcher Gefahr er entronnen. Wir erinnern daher bei ähnlichen Schrecken nach unbewusst überstandenem Unheil an den
Reiter über den Bodensee.—
Aus der norwegisch-isländischen Sage citieren wir für wilde Kampfeswut und Ingrimm die
Berserkerwut;
denn in der "älteren Edda" (16, 23 Simrock) heisst es:
"Zu Sorgen und Arbeit hatte die Söhne
Arngrim gezeugt mit Eyfura,
Das Schauer und Schrecken von Berserkerschwärmen
Über Land und Meer gleich Flammen lohten".—
In der "jüngeren Edda" (1, 27 Simrock) lesen wir von einem der zwölf göttlichen Asen, vom Heimdall: "Er bedarf weniger Schlaf als ein Vogel und sieht sowohl bei Nacht als bei Tag hundert Rasten weit; er hört auch das Gras in der Erde und die Wolle auf den Schafen wachsen, mithin auch alles, was einen stärkeren Laut giebt". Mit der Wendung
Das Gras wachsen hören
bezeichnen wir daher noch heut eine übermenschliche Feinspürigkeit.—
Wenn ein zuverlässiger Hüter und Warner von uns ein
Treuer Eckart oder ein Getreuer Eckart
genannt wird, so entlehnen wir diesen Namen der nordischen, auf deutscher Grundlage ruhenden Wilkinasage. Eckart rettet als Erzieher der Harlunge diese vor einem Überfall. Dann finden wir ihn vor Frau Holles wilder Jagd als Warner, dass die Leute aus dem Wege gehen (s. Grimm: "deutsche Mythol." S. 887), und am Venusberge, dass niemand hineingehe (s. "Heldenbuch" ges. 1472 und "die Mohrin" verf. 1453 von H. v. Sachsenheim). Schon bei Agricola ("Sprichw." Hagenau, 1584) heisst das 667. Sprichwort: "Du bist der treue Eckart; du warnest jedermann", Tieck gab (1799) die romantische Erzählung heraus: "Der getreue Eckart und Der Tannenhäuser" und Goethe schrieb (1813) die Ballade "Der getreue Eckart".—
Einen verführerischen Wüstling nennen wir einen
Don Juan
nach dem Helden einer spanischen Sage des 14. Jahrhunderts, die sich an eine historische Person knüpft, den Don Juan Tenorio, einen Freund Peters des Grausamen. Der Sage nach hatte er die Tochter eines Komturs entführen wollen, den er im Zweikampf erstach. Die dem Gefallenen errichtete Bildsäule ladet er höhnend zum Abendessen, und jener
Steinerne Gast
findet sich wirklich ein und überliefert den Sünder der Hölle. Dies Wort citieren wir im Sinne Schillers, der ("Piccolomini" IV, 6 a. E.) den vor sich hinbrütenden Max einen "steinernen Gast" schelten lässt, "der uns den ganzen Abend nichts getaugt". Die Don-Juan-Sage ging in mannigfacher Gestaltung über die Bühnen Spaniens (zuerst 1634 durch Tirso de Molina), Italiens, Frankreichs und Englands, bis die Musik unseres Mozart (1787) dem Libretto Lorenzo Dapontes (s. Kap.