Ehemann nennen wir einen
Blaubart
nach dem ursprünglich altfranzösischen Märchen "Raoul, Le Chevalier Barbe-Bleue", in dem dieser blutdürstige Ritter seine sechs Gemahlinnen wegen ihrer Neugier tötet. Auch seine siebente würde er getötet haben, hätte man ihn nicht erschlagen.—
Aus dem im Anfang des 16. Jahrhunderts auftauchenden Märchen "Von den 7 Schwaben" (herausg. v. Richard Michael Bück in Bartsch-Pfeiffers "Germania". Neue Reihe V. 317) ist die Aufforderung des sechsten unter ihnen, der bald "Gelbfüssler", bald "Jokele", bald "Hansele" heisst, allgemein gebräuchlich geworden:
"Hannemann! geh' du voran!
Du hast die grössten Stiefeln an",
(Dass dich das Tier nicht beissen kann).—
III.
Geflügelte Worte aus deutschen Schriftstellern.
Dem 13. Jahrhundert gehört
Neue Besen kehren gut
an, was zuerst[15] in Freidanks "Bescheidenheit" (W. Grimms Vrîdanc 15: "Von Dieneste" g. E.) in der Form vorkommt:
Der niuwe beseme kert vil wol
ê daz er stoubes werde vol.
(Der neue Besen kehrt sehr wohl,
Eh' dass er Staubes werde voll.)—
[15] Vrgl. über Dieses und Ähnliches die "Einleitung", in der gesagt ist, dass auch Sprichwörter nicht vom Himmel fallen, sondern stets ihren ersten Urheber haben müssen. Falls also nicht aus der Form des ersten Befundes mit Sicherheit hervorgeht, dass ein bereits gebräuchliches Sprichwort vorliegt, kann der Sammler die erste schriftstellerische Quelle getrost anmerken. Die spätere Forschung möge dann untersuchen, ob das Wort schon in früheren Tagen im Volke verbreitet war.
Das fünfte Rad am Wagen
stammt aus Herbort von Fritzlars (1. Decennium des 13. Jahrh.) "Liet von Troye" 83 "so zele man mich zem fünften Rade" oder aus "Vrîdanc" 41 "Von Guote und Uebele":
der wagen hât deheine stat
dâ wol stê daz fünfte rat.
(Der Wagen hat keine Stelle,
Wo das fünfte Rad wohl angebracht wäre.)—
Den Mantel nach dem Winde kehren
findet sich zuerst in Gottfried von Strassburgs (um 1215) "Tristan und Isolt" (262, 32 f. Massmann, Leipz. 1843) in der Form:
man sol den mantel keren,
als ie die winde sint gewant.—
Aus dem "Sachsenspiegel" (1219-1233) Eike von Repkows, eines Schöffen aus der Nähe von Magdeburg, stammt:
Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.
Es lautet bei Homeyer ("Des Sachsenspiegels erster Teil oder das Sächsische Landrecht nach der Berliner Handschrift von 1369"; 3. Ausg., Berlin 1861, 2. Buch, Artikel 59, § 4): "Die ok irst to der molen kumt, die sal erst malen".—
Wer seinen Kindern giebt das Brot
Und leidet nachmals selber Not,
Den soll man schlagen mit der Keule tot,
befindet sich an manchem Stadtthore Norddeutschlands neben einer aufgehängten Keule angebracht. Dieser Spruch ist einer Erzählung des Rüdiger von Hünchhover entnommen, der in Urkunden 1290-1293 erscheint (Herrigs Archiv 7, 340). Sie heisst "Der Schlägel" und lautet also: "Ein alter Mann, der sein ganzes Vermögen seinen Kindern überlassen hat, die ihn nun schlecht behandeln, weiss in ihnen den Glauben zu erwecken, dass er noch einen Schatz zurückbehalten habe, worauf sie ihn wieder in Ehren halten. Nach seinem Tode finden aber die Kinder in der vermeintlichen Schatzkiste nichts als einen Schlägel, mit der Beischrift, dass man einem jeden, der seine ganze Habe seinen Kindern übergiebt und infolgedessen in Not und Elend lebt, mit diesem Schlägel das Gehirn einschlagen müsse".
("Koloczaer Codex altdeutscher Gedichte" von Graf Mailáth und Köffinger, S. 155, und v. der Hagens "Gesamtabenteuer" 49, vrgl. auch "Meister Stephans Schachbuch", ein mittelniederdeutsches Gedicht des 14. Jahrhunderts, herausgegeben von W. Schlüter 1889-90, V. 4730-4881.) Nach Thiele "Danmarks Folkesagen", I, 107 wird in Dänemark diese Geschichte von Olaf Bagger in Odense unter Friedrich II. (1559-1588) erzählt.—
Die Welt will betrogen sein
steht in der Form "die wellt die will betrogen syn" in Sebastian Brants (1458-1521) 1494 erschienenen "Narrenschiff" (Ausg. Zarncke, S. 65, Sp. 1). Man führt es oft in der lateinischen Form an:
Mundus vult decipi.
So heisst es schon in Sebast. Franks 1533 erschienenen "Paradoxa", No. 236 (247): "Die Welt will betrogen und belogen sein und nur mit Wahn geäfft und regiert werden, wie jener Mönch sagt, der für sein Thema hält:
Mundus vult decipi
darumb bin ich hie,
dem man zu Lohn alle Säcke voll stiess". Hierin sieht Dr. Weinkauff (Birlingers "Alemannia", VI, 1. S. 48 u. 49) die Grundlage von
Mundus vult decipi, ergo deciplatur
(Die Welt will betrogen sein, darum sei sie betrogen);
während Thuanus (Bch. 12, anno 1556) dies lateinische Wort auf den päpstlichen Legaten Caraffa (späteren Papst Paul IV., † 1559) zurückführt.—
Grobian
ist auch ein Wort Sebastian Brants aus dem "Narrenschiff" (Zarncke, S. 71 u. 72). Er spricht dort von einem "neuen Heiligen, Grobian geheissen", den er weiterhin "Sankt Grobian" nennt.—
Hanswurst
findet sich zum ersten Male in der Form Hans Worst in der niederdeutschen Übersetzung von Sebastian Brants "Narrenschiff" (Rostock 1519, No. 76, 83, Ausg. Zarncke, S. 75, Sp. 2). Bei Brant selbst steht hans myst. Hans Mist ist auch der Name eines Bauern in einem Fastnachtspiele des 15. Jahrh. (Keller I, S. 342). Hans Worst wiederholt sich bei Luther in der "Vermahnung an die Geistlichen, versammelt auf dem Reichstag zu Augsburg", 1530, im Abschnitte "Vom ehelosen Stande"; in der Predigt über die "Auferstehung der Toten", B. 19, 133; in "Wider den Meuchler zu Dresden" (1531), 25, 105; und in "Wider Hans Worst" (Wittenberg 1541, 26, 4) sagt Luther:
"Dies Wort, Hans Worst, ist nicht mein, noch von mir erfunden, sondern von andern Leuten gebraucht wider die grossen Tölpel, so klug sein wollen, doch ungereimt und ungeschickt zur Sache reden und thun".
Schon hieraus möchte man schliessen, dass Luther an eine volkstümliche Bühnengestalt gedacht hat, besonders aber aus den kurz darauf folgenden Worten:
"Wohl meinen etliche, ihr haltet meinen gnädigen Herrn (den Kurfürsten von Sachsen) darum für Hans Worst, dass er von Gottes, dem ihr feind seid, Gaben stark, fett und volliges Leibes ist. Also hab ichs auch oft gebraucht, sonderlich und allermeist in der Predigt".
Die heut übliche Form "Hans Wurst" steht erst in Fischarts "Gargantua" (1575. c. 8. g. E.): "Trink alzeit for den durst—So tringt dich kain durst—Mein Hans Wurst".—
Calembourg
entstammt nach der von Philarète Chasles ("Études sur l'Allemagne