großes Talent sowohl für komische als ernsthafte Darstellungen zeigte.
Diese war – Herr Haller, ein wahrer Sohn der Natur. Wäre ihm damals das Glück geworden in einer andern Umgebung zu sein, gute Vorbilder und Beispiele zu sehen, so hätte er einer der besten Schauspieler Deutschlands werden können, und sein Name wäre mit den Vorzüglichsten dieser Kunst zugleich genannt worden.
Je tiefer nun diese vaterländische Schaubühne unter dem Ideale stand, das Schillern von einem guten, besonders aber tragischen Schauspiel vorschwebte, um so lebhafter ergriff er den Vorschlag, sein Stück für eine Bühne zu bearbeiten, die nicht nur einen sehr großen Ruf hatte, sondern sich auch um so mehr als die erste in Deutschland achten durfte, da fast alle ihre Mitglieder in der Schule von Ekhof gebildet waren. Mit all dem Eifer, den Jugend und Begeisterung zur Erreichung eines Zweckes, der für ihn das höchste seiner Wünsche war, nur immer hervorbringen können, ging Schiller an die Umarbeitung seines Trauerspiels, die er sich weniger schwer dachte, als er in der Folge fand. Denn wäre es ihm auch leicht geworden, seinen hohen, dichterischen Flug den Schranken der Bühne und den Forderungen des Publikums gemäß einzurichten; oder hätte er auch ohne Bedauern manche Szenen und Stellen aufgeopfert, die er und seine Freunde sehr hoch geschätzt hatten, so raubten ihm seine Berufsgeschäfte den ungehinderten Gebrauch der Zeit sowie die nötige Stimmung, die eine solche Arbeit erfordert. Seinem ganzen Wesen, das nicht den mindesten Zwang ertragen konnte, war das immerwährende Einerlei der Lazarettbesuche und ebenso das tägliche und genaue Erscheinen auf der Wachtparade, um seinem General den Rapport über die Kranken abzustatten, im höchsten Grad zuwider. Die unpoetische Uniform, aus einem blauen Rock mit schwarzem Samtkragen, weißen Beinkleidern, steifem Hut und einem Degen ohne Quaste bestehend, sah er als ein Abzeichen an, das ihn unablässig an die Subordination erinnern solle. Am härtesten fiel ihm jedoch, daß er ohne ausdrückliche Erlaubnis seines Generals sich nicht aus der Stadt entfernen und seine nur eine Stunde von Stuttgart wohnenden Eltern und Geschwister besuchen durfte. In seiner schönsten Jugendzeit mußte er diesen Umgang meistens nur auf schriftliche Unterhaltung beschränken, und jetzt, da er sich frei glauben durfte, war es ihm um so schmerzlicher, den Besuch seiner nächsten Angehörigen von der Laune seines Chefs erbitten zu müssen.
Die ganze Familie fand sich durch seine Anstellung als Regimentsarzt getäuscht, indem sie, als der Sohn seiner Neigung zur Theologie entsagen mußte, auf das von dem Herzog gegebene Versprechen fest baute, daß er ihn für die gemachte Aufopferung auf die vorteilhafteste Art schadlos halten würde.
Jedoch mußten alle sich fügen, und dem Sohne blieb nur der Trost, den er in seinen dichterischen Beschäftigungen fand, und nebenbei die Aussicht, sich dadurch im Auslande bekannt und seinen Wirkungskreis bedeutender zu machen. Er schrieb daher auch an Wieland, den er nicht allein wegen seiner Vielseitigkeit, sondern vorzüglich wegen der hohen Vollendung seiner Dichtungen außerordentlich hochschätzte, und war überglücklich, als er von diesem großen Mann eine Antwort erhielt, die nicht nur das Ungewöhnliche und Seltene der frühzeitigen Leistungen Schillers in vollem Maß anerkannte, sondern auch überhaupt sehr geistreich und schmeichelhaft war. Für die Freunde von Schiller, die an allem, was ihn betraf, mit dem wärmsten Eifer Anteil nahmen, war es eine Art von Fest, diesen Brief zu lesen; sowohl die schöne, reine Schrift als die fließende Schreibart zu bewundern und sich über dessen Inhalt zu besprechen. Mit Stolz hoben sie es heraus, daß der Sänger der Musarion auch ein Schwabe sei und von diesem Schwaben die Sprache der Grazien der feinsten, gebildetsten Welt vorgetragen werde.
Ähnliche Ermunterungen vom Auslande nebst dem Drange, die Geschöpfe seiner Einbildungskraft verwirklicht zu sehen, stärkten den Mut des jungen Dichters und erhoben ihn über die Widerwärtigkeiten, welche ihm seine Lage täglich verursachte. Außer den vielen Unterbrechungen aber, die ihm sein Stand zur Pflicht machte, waren auch die Einwürfe des Baron Dalberg nichts weniger als dazu geeignet, ihn bei guter Laune für seine Arbeit zu erhalten, und man darf sich daher auch nicht wundern, daß er zur Umschmelzung seines Schauspiels so viele Monate brauchte, als es bei minderer Störung Wochen bedurft hätte.
Er besiegte jedoch alle Schwierigkeiten, so sehr sich auch sein ganzes Wesen anfangs dagegen sträubte, und fühlte sich wie von der schwersten Last erleichtert, als er sein Manuskript für fertig halten und nach Mannheim absenden konnte. Um aber dem Leser das Gesagte anschaulicher zu machen, sei es erlaubt einen Teil des Schreibens, welches die Umarbeitung begleitete, aus den, bei D. R. Marx in Karlsruhe erschienenen Briefen Schillers an Baron Dalberg hier einzurücken, indem es zur Bestätigung des Obigen dient, und zugleich den Beweis liefert, wie streng und mit wie wenig Schonung er bei der Abänderung verfuhr. Selten wird wohl ein Dichter bei seinem ersten Werke schon alles für so wichtig angesehen oder so scharf beurteilt haben, als es hier von einem zweiundzwanzigjährigen Jüngling geschehen ist.
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