erhöhten sein Interesse schon darum, weil er ihre Wirkung beobachten und Bemerkungen darüber äußern konnte, die von seinen Professoren oft bewundert wurden. Die günstigen Zeugnisse, die sie ihm erteilten, hatten für ihn die angenehme Folge, daß er mit dem Antritt seines zweiundzwanzigsten Jahres über eine von ihm selbst geschriebene Abhandlung öffentlich disputieren durfte und für fähig gehalten ward, nicht nur aus der Akademie treten, sondern auch eine ärztliche Anstellung in herzoglichen Diensten bekleiden zu können. Er erhielt zu Ende des Jahres 1780 bei dem in Stuttgart liegenden Grenadierregiment Augé die Stelle eines Arztes mit monatlicher Besoldung von achtzehn Gulden Reichswährung oder fünfzehn Gulden im Zwanzig-Gulden-Fuß.
Obwohl die Berufsfähigkeiten Schillers eine würdigere Auszeichnung verdient hätten und auch die Stelle nebst ihrem kleinen Sold sehr tief unter der Erwartung der Eltern war, die dem gegebenen Versprechen des Herzogs gemäß auf eine weit bessere Versorgung gezählt hatten, so durfte doch von keiner Seite ein Widerspruch erhoben oder eine Einwendung dagegen gemacht werden.
Und derjenige, der die größte Ursache zu klagen gehabt hätte, war am besten mit dieser Entscheidung zufrieden, weil nun seine Tätigkeit freien Raum hatte und weil ihm der ungehinderte Gebrauch seiner Dichtergabe gestattet schien, die sich von Tag zu Tag stärker entwickelte; denn je mehr ihm der Zwang und die unabänderliche Regelmäßigkeit mißfiel, in welcher er sieben Jahre seiner schönsten Jugendzeit zubringen mußte, um so öfter und leidenschaftlicher beschäftigte er sich mit Entwürfen, wie er einst seine Freiheit genießen wolle; und als endlich die Hoffnung zur Selbständigkeit, sowohl ihm als seinen jungen Freunden in Gewißheit überzugehen anfing, war es ihre einzige, angenehmste Unterhaltung, sich ihre Wünsche und Vorsätze hierüber mitzuteilen. Die letzteren betrafen jedoch hauptsächlich literarische Gegenstände, die so tätig ins Werk gesetzt wurden, daß Schiller sogleich nach dem Antritt seines Amtes das Schauspiel, die Räuber, das er in den vier letzten Jahren seines akademischen Aufenthaltes schrieb, gänzlich in Ordnung brachte und solches zu Anfang des Sommers 1781 im Druck herausgab.
Es wäre vergeblich, den Eindruck schildern zu wollen, den diese Erstgeburt eines Zöglings der hohen Karlsschule und, wie man wußte, eines Lieblings des Herzogs in dem ruhigen, harmlosen Stuttgart hervorbrachte, wo man nur mit den frommen, sanften Schriften eines Gellert, Hagedorn, Ramler, Rabener, Utz, Kramer, Schlegel, Cronegk, Haller, Klopstock, Stollberg und ähnlicher den Geist nährte; wo man die Gedichte von Bürger, die Erzählungen von Wieland als das Äußerste anerkannte, was die Poesie in sittlichen Schilderungen sich erlauben darf – wo man Ugolino für das schauderhafteste und Götz von Berlichingen für das ausschweifendste Produkt erklärte; – wo Shakespeare kaum einigen Personen bekannt war und wo gerade die Leiden Siegwarts, Karl von Burgheim und Sophiens Reise von Memel nach Sachsen das höchste Interesse der Leseliebhaber erregt hatten. Nur derjenige, der die genannten Schriften kennt, sich den ruhigen, stillen Eindruck, den sie einst auf ihn machten, zurückruft und dann einige Auftritte aus den Räubern liest; nur der allein kann sich die Wirkung lebhaft genug vorstellen, welche diese – in Rücksicht ihrer Fehler sowohl als ihrer Schönheiten – außerordentliche Dichtung hervorbrachte. Die jüngere Welt besonders wurde durch die blendende Darstellung, durch die natürliche, ergreifende Schilderung der Leidenschaften in die höchste Begeisterung versetzt, welche sich unverhohlen auf das lebhafteste äußerte.
Der Ruhm des Dichters blieb aber nicht auf sein Vaterland beschränkt. Ganz Deutschland ertönte von Bewunderung und Erstaunen, daß ein Jüngling seine Laufbahn mit einem Werk eröffne, womit andere sich glücklich preisen würden, die ihrige beschließen zu können.
Diese Lobeserhebungen, so schmeichelhaft sie auch seinem Ehrgeize waren, konnten ihn jedoch nicht in dem Grade berauschen, daß er geglaubt hätte, schon vieles oder gar alles erreicht zu haben, sondern waren eher ein Sporn für ihn, noch Größeres zu leisten.
Er veranstaltete im nämlichen Jahre noch die Herausgabe einer Sammlung Gedichte, die teils von ihm selbst, teils von seinen Freunden schon in der Akademie bearbeitet worden waren, und ließ solche unter dem Titel Anthologie 1782 erscheinen. Da auch das von dem Professor Balthasar Haug seit einigen Jahren herausgegebene Schwäbische Magazin sich seinem Ende nahte, so beschloß er, in Gemeinschaft mit seinen Freunden die erlöschende Monatschrift als ein Repertorium für Literatur fortzusetzen; was um so leichter zustande kam, je größer der Vorrat war, den sie schon früher gesammelt hatten. Mit wahrhaft jugendlichem Übermut verfaßte er für diese Schrift in der Folge eine Rezension seiner Räuber, welche so hart und beißend war, daß man nicht begreifen konnte, wie jemand es wagen mochte, eine Arbeit so streng zu tadeln, deren Glanz die meisten Leser verblendet und auch den größten Kennern Achtung abgenötigt hatte. Der über diese Beurteilung häufig geäußerte Tadel gewährte aber ihm desto mehr Belustigung, je weniger jemand – außer einigen Freunden, die darum wußten – vermutete, daß der Verfasser selbst diese scharfe Geißel über sich geschwungen.
Diese literarischen Beschäftigungen, welche eine lang gehegte Sehnsucht befriedigten, und bei welchen sich Schiller ganz in seinem Element befand, hätten ihm wenig zu wünschen übrig gelassen, wenn dadurch seine körperlichen Bedürfnisse ebenso wie seine geistigen gehoben gewesen wären. Allein dies konnte um so weniger der Fall sein, je kleiner in Stuttgart die Anzahl der Buchhändler oder derjenigen Leute war, die nicht nur lesen, sondern auch kaufen wollten. Es ließ sich schon für die Räuber kein Verleger finden, der die Ausgabe auf seine Kosten wagen, noch minder aber etwas dafür honorieren wollte, daher der Dichter genötigt war, sie auf eigne Kosten drucken zu lassen und, da seine Geldkräfte bei weitem nicht hinreichten, den Betrag zu borgen.
Um zu versuchen, ob er nicht zu einigem Ersatz seiner Auslagen gelangen könne, und um sein Werk auch im Ausland bekannt zu machen, schrieb er, noch ehe der Druck ganz beendigt war, an Herrn Hofkammerrat und Buchhändler Schwan zu Mannheim, der durch den vorteilhaftesten Ruf bekannt war, und schickte ihm die fertigen Bogen zu, welche er, mit Bemerkungen begleitet, wieder zurückerhielt.
Ob allein die Ansichten des Herrn Schwan den Verfasser aufmerksam machten, oder ob er selbst darüber erschrak, wie grell und widerlich sich manches dem Auge darstelle, nachdem es nun gedruckt vor ihm lag – genug, in den letzten Bogen wurde einiges geändert, die von der Presse schon ganz fertig gelieferte Vorrede unterdrückt und eine neue mit gemilderten Ausdrücken an deren Stelle gesetzt.
Wer es weiß, wie einseitig ein Dichter oder Künstler wird, wenn er nicht mit andern seines Faches, die höher als er, oder doch mit ihm auf gleicher Stufe stehen, Umgang haben und seine Ideen austauschen kann; wer zugibt, daß bei einem reichen, feurigen Talent, in den ersten Jünglingsjahren nur Begeisterung und Einbildungskraft herrschen, Verstand und Geschmack aber von diesen übertäubt werden; der wird die stärksten Auswüchse in den Räubern um so eher entschuldigen, als der Dichter nicht in der Lage war, einen in der Literatur bedeutenden Mann zum Vertrauten zu haben, und auch schon sein zweites Werk hinlänglich bezeugte, mit welcher Umsicht er die Fehler des ersten zu vermeiden gesucht.
So sehr Herr Schwan als Buchhändler Schillern nützlich zu werden suchte, so eifrig verwendete er sich bei dem damaligen Intendanten des Mannheimer Theaters, Baron von Dalberg, damit dieses Stück für die Bühne brauchbar gemacht und aufgeführt werden könne. Demzufolge forderte Baron von Dalberg den Dichter auf, nicht nur dieses Trauerspiel abzuändern, sondern auch seine künftigen Arbeiten für die Schauspielergesellschaft in Mannheim einzurichten. Schiller willigte um so lieber in diesen Vorschlag, je entfernter der Zeitpunkt war, in welchem eine seiner Dichtungen auf dem Theater in Stuttgart hätte aufgeführt werden können, indem die Leistungen desselben bloß als Versuche von Anfängern gelten konnten.
Vor dem Jahre 1780 war nie ein stehendes deutsches Theater in der Hauptstadt Württembergs. Was man daselbst vom Schauspiel kannte, waren die Opern und Ballette, welche früher, ganz auf herzogliche Kosten, von Italienern und Franzosen, und nachdem diese verabschiedet waren, von den männlichen und weiblichen Zöglingen der Akademie, gleichfalls in italienischer und französischer Sprache gegeben wurden. In Mitte der siebziger Jahre kam Schikaneder nach Stuttgart; durfte aber keine Vorstellung im Opernhause geben, sondern mußte seine Operetten, Lust- und Trauerspiele im Ballhause aufführen. Erst als die Zöglinge der Akademie mehr herangewachsen, und man sie – da sie doch einmal für das Schauspiel bestimmt waren – in Übung erhalten wollte, gaben sie so lange, bis ein neues Theater