treu und aufopfernd an ihm festgehalten. Und gerade jenen Zeitraum, so wichtig für die Darstellung von Schillers Charakter, als er es für die Entwicklung desselben und seiner äußern Lage gewesen, fand der Verfasser in allen Biographien des Verewigten fast nur erwähnt, nur kurz und unvollständig behandelt. Er wußte, daß wenige der Überlebenden in dem Falle waren, so richtig und ausführlich darüber zu berichten als er, und es drängte ihn, die Feder zu ergreifen, um das Seinige zur Charakteristik des für Deutschland und die Menschheit denkwürdigen Mannes beizutragen. In weit vorgerückten Jahren begann er mit der strengsten Wahrhaftigkeit und sorgsamer, gewissenhafter Liebe die folgenden Mitteilungen auszuarbeiten. Diese Sorgfalt bewog ihn, immer noch daran zu bessern; diese Liebe machte, daß er zuletzt auch Materialien über spätere Lebensabschnitte seines Jugendfreundes sammelte, und über dem Sammeln, Sichten, Ordnen – ereilte ihn der Tod.
Er hatte sich oft und gern mit Entwürfen in Hinsicht auf die Verwendung des Ertrages seiner Schrift zu einer passenden Stiftung, einem Dichterpreis, irgend einem gemeinnützigen Zwecke beschäftigt. Seine Hinterbliebenen halten es für ihre Pflicht gegen ihn und das Publikum, die Herausgabe des Werkes zu besorgen, an welcher den Erblasser selbst ein unerwartetes Ende hinderte. Überzeugt, ganz in seinem Sinne zu handeln, legen sie das Honorar, welches die Verlagshandlung ihnen dafür zugesagt, als Beitrag zu dem Denkmale Schillers, auf den Altar des Vaterlandes nieder.
Sie geben das Werk, wie sie es in Reinschrift in seinem Nachlasse fanden.
Sie befürchten nicht, daß der Titel »Flucht« auch nur einen leisen Schatten auf das Andenken oder den Namen Schillers werfen dürfte, da es allbekannt ist, wie dessen Entfernung von Stuttgart keineswegs Folge irgend eines Fehltrittes war, sondern ganz gleich der Flucht seines »Pegasus,« der mit der Kraft der Verzweiflung das Joch bricht, um ungehemmten Fluges himmelan zu steigen.
Wie an dem Titel, so glauben sie auch an dem Inhalte, ja selbst an dem Stile nichts willkürlich ändern zu dürfen, um das Eigentümliche nicht zu verwischen, woran man den Zeitgenossen der frühesten Periode und den Landsmann unsers gefeierten Dichters erkennen mag. Der Verfasser war Musiker, nicht Schriftsteller, und was ihm die Feder in die Hand gegeben, nur seine glühende Verehrung Schillers und der frohe und gerechte Stolz, ihm einst nahe gestanden zu sein.
Aus diesem Gesichtspunkte betrachtet, den sie festzuhalten bitten, wird seine Leistung nachsichtige Beurteiler in den geneigten Lesern finden.
Schillers Flucht von Stuttgart
und
Aufenthalt in Mannheim von 1782–1785.
Johann Kaspar Schiller, geboren 1723, war der Vater unseres Dichters und ein Mann von sehr vielen Fähigkeiten, die er auf die beste, würdigste Weise verwendete, und die sowohl von seiner Umgebung als auch von seinem Fürsten auf das vollständigste anerkannt wurden.
In seiner Jugend wählte er zum Beruf die Wundarzneikunde und ging, nachdem er sich hierin ausgebildet, in seinem zweiundzwanzigsten Jahre mit einem bayrischen Husarenregiment nach den Niederlanden, von wo er, nach geschlossenem Frieden, in sein Vaterland Württemberg zurückkehrte und sich 1749 zu Marbach, dem Geburtsorte seiner Gattin, verheiratete. Dem höher strebenden und mehr als zu seinem Fache damals nötig war, ausgebildeten Geiste dieses Mannes konnte aber der kleine, enge Kreis, in dem er sich jetzt bewegen mußte, um so weniger zusagen, als er durchaus nichts Erfreuliches für die Zukunft erwarten ließ, und er auch bei früheren Gelegenheiten, wo er gegen den Feind als Anführer in den Vorpostengefechten diente, Kräfte in sich hatte kennen lernen, deren Gebrauch ihm edler sowie für sich und seine Familie nützlicher schien als dasjenige, was er bisher zu seinem Geschäft gemacht hatte. Er verließ daher bei dem Ausbruch des Siebenjährigen Krieges, an welchem der Herzog gegen Preußen teilnahm, die Wundarzneikunde gänzlich, suchte eine militärische Anstellung und erhielt solche 1757 als Fähnrich und Adjutant bei dem Regiment Prinz Louis um so leichter, da er schon früher den Ruhm eines tapfern Soldaten und umsichtigen Anführers sich erworben hatte.
So lange als das württembergische Korps im Felde stand, machte er diesen Krieg mit, benutzte aber die Zeit der Winterquartiere, um mit Urlaub nach Hause zu kehren, und war im November 1759 bei der Geburt seines Sohnes, der auch der einzige blieb, gegenwärtig. Nach geschlossenem Frieden wurde er in dem schwäbischen Grenzstädtchen Lorch als Werboffizier mit Hauptmannsrang angestellt, bekam aber, sowie die zwei Unteroffiziere, die ihm beigegeben waren, während drei ganzer Jahre nicht den mindesten Sold, sondern mußte diese ganze Zeit über sein Vermögen im Dienste seines Fürsten zusetzen. Erst als er dem Herzog eine nachdrückliche Vorstellung einreichte, daß er auf diese Art unmöglich länger als ehrlicher Mann bestehen oder auf seinem Posten bleiben könne, wurde er abgerufen und in der Garnison von Ludwigsburg angestellt, wo er dann später seinen rückständigen Sold in Terminen nach und nach erhielt. Sowohl während der langen Dauer des Krieges als auch in seinem ruhigen Aufenthalte zu Lorch war sein lebhafter, beobachtender Geist immer beschäftigt, neue Kenntnisse zu erwerben und diejenigen, welche ihn besonders anzogen, zu erweitern. Den Blick unausgesetzt auf das Nützliche, Zweckmäßige gerichtet, war ihm schon darum Botanik am liebsten, weil ihre richtige Anwendung dem Einzelnen, sowie ganzen Staaten Vorteile verschafft, die nicht hoch genug gewürdigt werden können. Da zu damaliger Zeit die Baumzucht kaum die ersten Grade ihrer jetzigen, hohen Kultur erreicht hatte, so verwendete er auf diese seine besondere Aufmerksamkeit und legte in Ludwigsburg eine Baumschule an, welche so guten Erfolg hatte, daß der Herzog – gerade damals mit dem Bau eines Lustschlosses beschäftigt – ihm 1775 die Oberaufsicht über alle herzustellenden Gartenanlagen und Baumpflanzungen übertrug.
Hier hatte er nun Gelegenheit nicht nur alles, was er wußte und versuchen wollte, im großen anzuwenden, sondern auch seine Ordnungsliebe und Menschenfreundlichkeit auf das wirksamste zu beweisen. Um seine Erfahrungen in der Baumzucht, welche nach der Absicht seines Fürsten für ganz Württemberg als Regel dienen sollten, auch dem Auslande nutzbringend zu machen, sammelte er solche in einem kleinen Werke: Die Baumzucht im großen, wovon die erste Auflage zu Neustrelitz 1795 und die zweite 1806 zu Gießen erschien.
Auch außer seinem Berufe war die Tätigkeit dieses seltenen Mannes ganz außerordentlich. Sein Geist rastete nie, stand nie still, sondern suchte immer vorwärts zu schreiten. Er schrieb Aufsätze über ganz verschiedene Gegenstände und beschäftigte sich sehr gern mit der Dichtkunst – zu welcher er eine natürliche Anlage hatte.
Es ist nicht wenig zu bedauern, daß von seinen vielen Schriften und Gedichten weiter nichts als obiges Werkchen unter die Augen der Welt kam; wäre es auch nur, um einigermaßen beurteilen zu können, wie viel der Sohn im Talent zum Dichter und Schriftsteller vom Vater als Erbteil erhalten habe. Der Herzog, der ihm endlich den Rang als Major erteilte, schätzte ihn sehr hoch; seine Untergebenen, die in großer Anzahl aus den verschiedensten Menschen bestanden, liebten ihn ebenso wegen seiner Unparteilichkeit, als sie seine strenge Handhabung der Ordnung fürchteten; Gattin und Kinder bewiesen durch Hochachtung und herzlichste Zuneigung, wie sehr sie ihn verehrten.
Von Person war er nicht groß. Der Körper war untersetzt, aber sehr gut geformt. Besonders schön war seine hohe, gewölbte Stirn, die durch sehr lebhafte Augen beseelt, den klugen, gewandten, umsichtigen Mann erraten ließ. Nachdem er seine heißesten Wünsche für das Glück und den Ruhm seines einzigen Sohnes erfüllt gesehen und den ersten Enkel seines Namens auf den Armen gewiegt hatte, starb er 1796 im Alter von 73 Jahren an den Folgen eines vernachlässigten Katarrhs nach achtmonatlichen Leiden in den Armen seiner Gattin und der ältesten Tochter, die von Meiningen herbeigeeilt war, um mit der Mutter die Pflege des Vaters zu teilen, zugleich auch die schwere Zeit des damaligen Krieges und ansteckender Krankheiten ihnen übertragen zu helfen.
Die Mutter des Dichters, Elisabetha Dorothea Kodweiß, war aus einem alt-adligen Geschlecht entsprossen, das sich von Kattwitz nannte und durch unglückliche Zeitumstände Ansehen und Reichtum verloren hatte. Ihr Vater, der schon den Namen Kodweiß angenommen, war Holzinspektor zu Marbach. Eine fürchterliche Überschwemmung beraubte ihn dort seines ganzen Vermögens. Aus Not griff er nun, um seine Familie nicht darben zu lassen, zu gewerblichen Mitteln, bei welchen er jedoch nichts vernachlässigte, was die