Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 5 – Liebesroman


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anderen Angestellten nicht gestattet war. Aber wozu waren ihre Mutter und sie mit dem Herrlichsten von allen befreundet?

      Also fand sie sich oft in seinem Hause ein, war so lieb und bescheiden, daß man sie zuletzt recht gern sah. Aufatmend stellte man fest, daß vielleicht doch ein guter Kern in dieser reizenden Hülle stecken könnte, der sich nun langsam herauszuschälen begann.

      Am glücklichsten jedoch war die Mutter über ihr verändertes Kind. Wie gut, daß sie damals ihr Herz fest in beide Hände genommen und damit ihren Willen durchgesetzt hatte.

      Ebba ließ sie in dem Glauben.

      Von Egolf begann sie sich langsam zurückzuziehen. Zuerst machte sie ihm vorsichtig klar, daß sie sich mehr der Mutter widmen wollte. Zweimal in der Woche könnte sie fort, aber mehr ginge es wirklich nicht mehr. Das sah der arglose junge Mann auch sofort ein. Denn daß Ebba Heimlichkeiten vor ihrer Mutter hatte, war ihm schon längst unbehaglich.

      So legten sie denn zwei Tage in der Woche für ihre Ausflüge fest, an den andern hielt Ebba sich fast immer im Hadebrandthause auf. Dadurch zog sie ihre Mutter mit sich, was Holger sehr beglückte. Es herrschte eine traute Harmonie unter den vier Menschen – und in ihren Herzen sprießte ein frohes Hoffen.

      Das Ebbas stand sogar in voller Blüte. Weil Holger herzlich zu ihr war, bildete sie sich ein, daß er sie genauso liebe wie sie ihn. Zwar hatte er vor Jahren ihre Mutter heiraten wollen, doch nun hegte er diesen lächerlichen Wunsch nicht mehr, wie sie bestimmt zu wissen meinte. Wäre ja auch schön dumm, wenn er sich eine alte Frau erwählen sollte, wo er eine junge, schöne bekommen konnte. Eine bildschöne sogar – und kluge noch dazu – wie sie sich selber einschätzte.

      So gingen die Wochen dahin. Es war bereits Sommer geworden, den Ebba aus vollem Herzen genoß. Im Dienst gab sie sich alle Mühe, ihrer Arbeit exakt nachzukommen. Und ihre Freizeit gehörte teils Egolf, teils ihrem süßen Holger, wie sie ihn längst bei sich nannte. Ach, wenn doch erst die Stunde da wäre, wo sie ihn auch öffentlich so nennen durfte! Ihre Ungeduld ließ sich kaum zügeln.

      Und doch sollte sie einen Fehler machen, der wiederum unberechenbar genannt werden konnte.

      Holger Hadebrandt mußte wieder einmal eine Geschäftsreise antreten, die ihn auf unbestimmte Zeit von zu Hause fernhalten würde. Darüber war Ebba ehrlich betrübt. An nichts mehr hatte sie Freude, nicht einmal an den Autofahrten mit Egolf.

      Als nun Ebba an einem Sonntagvormittag allein zu Hause war – ihre Mutter hatte Frau Hadebrandt zur Kirche begleitet –, begehrte jemand draußen Einlaß. Sie öffnete die Tür.

      »Holger!« jubelte sie auf – und tat dann eben das Unberechenbare. Sie fiel ihm um den Hals, küßte sein Gesicht, wohin nur die Lippen trafen.

      Zuerst stand der Mann wie erstarrt. Dann trat er in den Korridor, schloß hinter sich die Tür und versuchte erst einmal die Hände des Mädchens von seinem Nacken zu lösen, was nach einiger Mühe gelang. Prüfend sah er in die strahlenden Augen seines Gegenübers.

      War das kindliche Freude oder?

      Weiter brauchte er nicht zu grübeln; denn schon beantwortete sie seine stumme Frage.

      »Holger, wie habe ich mich nach dir gesehnt! Wie liebe ich dich doch – wie so sehr.«

      Holger Hadebrandt war gewiß ein weltgewandter Mann, der sich jeder Situation gewachsen zeigte. Doch jetzt fühlte er sich so ratlos wie noch nie in seinem Leben zuvor. Schweigend betrat er das Zimmer, das Mädchen folgte ihm – und schon hing es wieder an seinem Halse.

      »Was soll das, Ebba? Bist du etwa übergeschnappt?«

      »Holger, du liebst mich doch genauso wie ich dich…«

      »Unsinn!« ließ er sie nicht aussprechen. »Benimm dich gefälligst so, wie es sich für ein blutjunges Mädchen geziemt.«

      »Du liebst – mich – nicht?«

      »Nein!« peitschte seine Stimme auf. »Was gibt dir eigentlich die Berechtigung, das anzunehmen?«

      »Weil du es mir offen gezeigt hast«, wurde sie nun böse. »Oder willst du etwa leugnen, daß du mehr als – herzlich zu mir warst?«

      »So hast du das aufgefaßt,« betrachtete er sie nun kopfschüttelnd. »Dann tut mir jedes gute Wort leid, das ich für die Tochter der Frau hatte, der auch heute noch mein ganzes Herz gehört. Es ist sehr bedauerlich, daß ich so zu einem Mädchen sprechen muß, das meine Tochter sein könnte. Aber wenn es so frühreif und – schamlos ist wie du, dann geht es wohl nicht anders.« Erschrocken zuckte er zusammen, als Ebba lachte – ein sehr häßliches, böses Lachen. Ihre Augen funkelten tückisch zu ihm hin.

      »So ein Trottel! Will die Mutter heiraten, wenn er die Tochter haben kann –«

      »Ebba, noch ein Wort – und ich stopfe dir deinen losen Mund mit meinen fünf Fingern!« stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Besitzt du denn keine Spur von Schamgefühl, du mißratenes Geschöpf? Wehe dir, du verrätst deiner Mutter ein Wort von diesem widerwärtigen Auftritt, dann werde ich dafür sorgen, daß du in eine Erziehungsanstalt kommst, wohin du gehörst.«

      Damit ging er, und Ebba heulte auf in ohnmächtiger Wut.

      Und so fand sie die Mutter.

      »Kind, liebes –«, schrie sie auf. »Was ist geschehen, was hat man dir zuleide getan?«

      In ihrer Angst kniete sie vor der Tochter nieder, umschloß sie mit beiden

      Armen, bettelte und schmeichelte, bis sie alles zu hören bekam, was ihr fast den Herzschlag stocken ließ vor Schreck.

      »Ebba – um Gottes willen – wozu hast du dich da hinreißen lassen, du unglückseliges Kind!« stammelte sie, blaß bis in die Lippen. »So zeigte man einem Mann wie Holger Hadebrandt doch seine Liebe nicht. Überhaupt Liebe, was weißt du Kind denn davon?«

      »Ich bin kein Kind mehr!« begehrte Edda böse auf. »Ich werde nächsten Monat achtzehn Jahre alt. Aber ich weiß schon, du gönnst ihn mir nicht, da du ihn selber haben willst. Lächerlich für eine alte Frau mit einer erwachsenen Tochter.«

      Mechthild fuhr zurück, als habe sie ein Schlag getroffen. Langsam erhob sie sich, stand da mit todblassem Gesicht. Die Augen wirkten darin wie erloschen.

      Schweigend wandte sie sich ab, ging in ihr Schlafzimmer, warf sich auf das Bett und verharrte in halber Bewußtlosigkeit. Denn denken konnte sie nicht – auch nicht weinen. Dann krachte die Korridortür zu. Schon stand Mechthild auf dem Boden, der unter ihren Füßen zu wanken schien. Sie taumelte nach Ebbas Zimmer und ergriff mit bebenden Händen den Zettel, der auf dem Tisch lag.

      »Leb wohl, Mutti. Ich kann das Leben ohne Holger nicht ertragen. Weil er mich nicht liebt, so gehe ich ins Wasser, um endlich Ruhe zu finden.«

      Ebba. Einen Augenblick lang stand Mechthild wie gelähmt – doch dann eilte sie wie gehetzt davon, die Treppen hinunter, die Straße entlang – und weiter, immer weiter, bis der Schloßteich erreicht war. Soviel sie auch umherspähte, von Ebba war keine Spur zu entdecken. Nur Spaziergänger traf sie an, die geruhsam die gepflegten Wege dahinschlenderten. Auf dem Wasser wimmelte es von Booten und über allem lag strahlender Sonnenschein.

      *

      Im Hadebrandthause saßen sich Mutter und Sohn einsilbig gegenüber. Frau Anne war von dem, was sich am Vormittag zugetragen, bis ins kleinste unterrichtet und konnte das Gehörte immer noch nicht fassen.

      Nun saßen die beiden da und hingen ihrem schmerzlichen Grübeln nach. Schraken zusammen, als die Frau, mit der sich ihre Gedanken in banger Sorge beschäftigten, plötzlich vor ihnen stand, gehetzt, müde, wie zerbrochen. Holger sprang auf und griff nach den eiskalten Händen, die nun in den seinen flatterten und bebten.

      »Mechthild – um Gott – was ist Ihnen geschehen?«

      Sie sah ihn an mit einem Blick, der seinem Herzen durch und durch ging. Reichte ihm, den Zettel, den er rasch überflog – und dann gleichmütig die Achsel zuckte, als blieb er von ihrer Angst und Not unberührt.