Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 5 – Liebesroman


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an dem Schleier haften und hingen nun schwer herab wie Blutstropfen. Atemlos betrachtete die Kleine ihr spontanes Werk, bis sie dann aufweinte und zum Vater flüchtete.

      Langsam führte der Baron seine junge Gattin aus der Kapelle, immer wieder besorgt nach ihr schauend. Sie hatte sich tapfer gehalten. Jetzt war sogar eine leichte Röte in dem Antlitz. Die Augen leuchteten zum Gatten hin, der auffallend blaß war.

      Im Schloß stand schon eine Festtafel gedeckt, an der sich die Gäste niederließen. Es waren nur wenige. Die Familie Ragnitz – die allerdings vollzählig –, der Pfarrer, der Oberinspektor mit seiner Gattin und der beste Freund des Schloßherrn, der Weltenbummler Dr. Jörn von Jührich. Gerade heute war er wieder einmal aufgetaucht und hatte es sich nicht nehmen lassen, bei des Intimus Hochzeit dabei zu sein.

      Frau Fränze benahm sich heute untadelig. Die Kunde von der Hochzeit des Schwagers empörte sie natürlich bis in die tiefsten Tiefen. Aber sie hatte ja einige Tage Zeit gehabt, sich mit dem Unabänderlichen abzufinden. Sie waren dem armen Herrn Julius nebst Kindern arg genug gewesen, aber nun atmeten sie alle auf, daß sie hier wenigstens Ruhe hatten.

      Mächtig schien sie der überaus kostbare Ring an Sölves Hand zu wurmen. Der glatte Goldreif an der Rechten interessierte sie nicht, der gehörte ja dem Theater, das der unberechenbare Jobst wieder einmal in Szene setzen mußte. Aber der andere, der bestimmt ein Vermögen wert war. So einen hatte ihre arme Schwester niemals besessen.

      Nein, jetzt nur nicht nachdenken sonst –.

      Die Hochzeit hatte eigentlich schon am Tage vorher stattfinden sollen, war dann aber ausgerechnet auf den Reisetag Götteruns festgelegt worden. So zog er sich gleich nach dem Essen zurück, um die letzte Stunde vor der Abreise seiner jungen Frau zu widmen.

      Sölve war sehr erschöpft. Sie schaffte es kaum, die Treppe hinaufzugehen. So nahm er sie auf den Arm, trug sie nach ihrem Zimmer und legte sie dort auf den Diwan. Wie in einer Wolke aus Schnee, so lag sie in dem duftigen Schleier. Unter der Myrtenkrone sah durchsichtig blaß das Gesichtchen hervor, aber die Augen strahlten glückselig zu ihm auf.

      »Jobst, ist es auch wirklich wahr, daß ich nun die Herrin hier bin? Ich kann es noch immer nicht fassen.«

      »Natürlich, schönste Schloßherrin. Alles, was hier im Schlosse lebt, muß deinem leisesten Wink gehorchen.«

      »Und daß es so ist, das danke ich dir, du gütiger Mann. Mein Mann – wie sich das anhört. Schön! Wirst du mir auch oft schreiben?«

      »Sooft ich kann. Wenn jedoch eine Nachricht mal länger ausbleiben sollte, dann beunruhige dich nicht, sondern denke daran, daß der Postverkehr dort nicht so geregelt ist wie hier.«

      »Wirst du auch zurückkehren, sobald du kannst?«

      »Ehrenwort, meine kleine Frau.«

      »Nun setze dich zu mir und erzähle was Schönes. Ich bin zu faul zum Sprechen.«

      So erzählte er dann leise, wie es sein würde, wenn er wiederkäme. Sie ließ sich von dieser verhaltenen Stimme eindämmern, und die Augen fielen ihr zu.

      Und das war gut; denn es war höchste Zeit, daß er sie verließ. Wenn sie erwachte, war er längst fort – und ihr blieb die bittere Abschiedsstunde erspart.

      Er beugte sich zu ihr nieder – sah ihr lange ins Gesicht.

      Dann schritt er schnell davon.

      Als er sich im Ankleidezimmer zur Reise umzog, trat sein Freund Jörn von Jührich ein.

      »Nur herein, alter Junge. Leider kann ich mich dir nicht widmen. In spätestens einer halben Stunde muß ich fort. Nimm also hier Platz.«

      Jührich ließ sich in einem Sessel nieder und streckte seine langen Beine behaglich von sich. Er erzählte, daß er vor einigen Tagen von einer Expedition zurückgekehrt sei. Als er erst deutschen Boden betreten, da habe ihn das Heimweh derart gepackt, daß er nicht schnell genug nach Hause kommen konnte.

      Mittlerweile war der Baron angekleidet.

      »Begleite mich nach meinem Arbeitszimmer, Jörn, wo ich auch noch eine Kleinigkeit zu ordnen habe. Für eine Zigarettenlänge wird es noch reichen.«

      Als sie dann bei der Zigarette saßen, kam Jührich darauf zu sprechen, was ihm am Herzen lag.

      »Sag mal, Jobst, was hast du dir eigentlich dabei gedacht, als du – eine Halbtote heiratetest?« sprach der sonst so ruhige Mann heftig. »Ist dein Leben noch nicht genug verpfuscht, muß es immer noch mehr werden? Ich kann mir denken, daß du es aus Mitleid getan hast, um Elgas Tochter eine Heimat zu geben. Aber das Gefühl, aus dem heraus du dieses Elendsbündel zu deiner Frau machtest, ist nicht Mitleid, sondern Dummheit. Konntest du ihr hier nicht auf andere Weise Heimatrechte verschaffen?«

      »Nein, das wäre doch nichts Ganzes geworden. Die kurze Zeit, die sie noch zu leben hat, soll sie hier Herrin sein. Eine richtige Ehe käme für mich sowieso nicht in Frage.«

      »Wie hast du deine Werbung eigentlich motiviert. Glaubt sie etwa, daß du sie liebst?«

      »Was denn sonst?«

      »Ach, du lieber Gott, du bleibst doch ein unveränderlicher Idealist.«

      Die Worte verklangen, denn die Herren hatten das Zimmer schon verlassen. Sölve, die in der Tür stand und alles mithören mußte, blieb ungesehen. Sie war erwacht und nach dem Zimmer des Gatten geeilt, um Abschied von ihm zu nehmen.

      Nun stand sie da – die Hände in die Portiere gekrallt, in den Augen ein qualvolles Grauen.

      Mit einem dumpfen Stöhnen sank sie zusammen, während sich ihr Gatte von den Gästen verabschiedete. Und als man sie vermißte und voller Angst das Schloß durchsuchte, da fand man sie. Und ebenso schneeweiß wie Hochzeitskleid und Schleier war ihr qualverzerrtes Gesicht.

      *

      Nirwana, du Land der Vergsessenheit,

      bring du mir Frieden, das Glück.

      Mein Herz ist so müd’,

      es findet nicht mehr

      zu den Freuden der Erde zurück.

      Die Gäste waren fort. Nur Doktor Jührich blieb. Er trug die leblose Gestalt nach ihrem Zimmer und legte sie dort auf das Bett. Wie eine Tote lag sie da, die man mit Brautgewand und Schleier geschmückt.

      Als Sölve entkleidet dalag und er sie untersuchte, schüttelte er betroffen den Kopf. Er stellte dieselbe Diagnose wie später Doktor Fels, den man herbeigerufen hatte: Nervenfieber, das sich um so schlimmer auswirken würde, da es ein Rückfall war und die Kranke völlig entkräftet wäre. Sie warf sich in ihrem Bett herum und jammerte laut heraus, was sich in ihrem kranken Hirn herumwälzte.

      »Nein, laß mich los, ich will nicht!« wehrte sie sich verzweifelt gegen etwas, von dem sie Grauen zu empfinden

      schien. »Ich will nicht aus – Mitleid – geheiratet sein – ich will nicht! Sag deinem Freund eine Halbtote – heiratet man nicht! Pfui, seid ihr schlecht! Eine Halbtote heiratet man doch nicht! Seid doch barmherzig und laß mich los! Ich liebe dich doch so sehr – und du – hast mich belogen!« plagte sie sich ab, den Kopf im Kissen hin und herwerfend.

      Doktor Fels hatte sich tief zu ihr niedergebeugt und lauschte fast atemlos den abgehackten Worten, die er gut verstehen konnte. Er fuhr erschrocken herum, als sich Jührich plötzlich in einen Sessel fallen ließ und aufstöhnend sein Gesicht in den Händen barg.

      »Was ist denn mit dir los?« fragte Fels den früheren Korpsbruder, mit dem er so manche fidele Stunde verlebt hatte und dem er auch den Durchzieher auf der Wange verdankte. »Willst du dich etwa nebenbeilegen, alter Freund? Das laß nur bleiben; denn die kleine Baronin hier macht mir gerade genug zu schaffen!«

      »Edgar, weißt du, was ein Kamel mit Hörnern ist?« fragte er verzweifelt, und der andere sah ihn verblüfft an.

      »Was ist denn das für eine Kuriosität?«

      »Sieh mich an, dann hast du eins. Ich