Gustav Wied

Die Bosheit-Trilogie


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      "Ist dir denn jemand erschienen?"

      "Ja!"

      "Das ist doch des Satans!" Der Alte nahm die Pfeife aus dem Munde. "Was hast du denn gesehen?"

      "Vater!"

      "Deinen Vater? Das ist doch des Satans!"

      "Und er sagte mir, ich sollte das Gehöft zurückkaufen."

      "Sagte er das?"

      "Ja. Wenn erst drei neue Besitzer dagewesen wären, sagte er, sollte ich den Mühlenhof wiederhaben."

      Mortensen richtete sich ein wenig in seinem Stuhl auf, reckte seinen langen Hals nach Manuel hinüber und sagte in flüsterndem Ton: "Ich hab' ihn auch gesehen!"

      "Du hast ihn auch gesehen?"

      "Ja! – Ich sah ihn in der Nacht, nachdem sie das Taufbecken umgestoßen hatten. Ich saß in der Mühle auf einem Sack und schlief. Da hörte ich die Tür nach draußen knarren, das hatte der Wind getan. Aber als ich mich umwende, steht er an der Treppe, ganz leibhaftig, und sieht mich mit seinen Augen an, so daß es mir eiskalt am Rücken herunterlief. – Das war, hol' mich der Teufel, das Schrecklichste, was mir in meinem ganzen Leben passiert ist."

      "Sagte er denn nichts?" fragte Manuel; und auch seine Stimme war zum Flüsterton herabgesunken.

      "Nein!"

      "Tat er denn nichts?"

      "Nein. – Er stand nur da. Und dann war er auf einmal weg! – Ich glaubte, es sei eine Mahnung, daß ich bald davon müßte. Denn die Jahre hat man ja!"

      "Nein, das war es nicht!" sagte Manuel sehr bestimmt.

      "Nein, natürlich nicht, natürlich nicht, wenn du ihn auch gesehen hast!"

      Der Mühlen-Mortensen war ganz feierlich geworden. Und seine Pfeife war ausgegangen.

      "Du solltest den Mühlenhof haben, wenn Cornelius fort wäre?" fragte er dann, bekam aber im selben Augenblick einen Anfall. Ahem, ahem, krrr, krrr, krrr! "Der Teufel hole meinen Husten! – Krrr, Pfui Teufel. – Nee, das ist wahr, ich sollte ja in den Ofen spucken! – Du solltest den Mühlenhof haben, sagte er, wenn dieser Didrik weg wäre?"

      Thomsen nickte zerstreut. Sein Gehirn war ganz erfüllt von der Frage, was es wohl zu bedeuten haben könne, daß auch Mads Mortensen eine Offenbarung gehabt hatte.

      "Ach, du hast aber kein Geld, um ihm den Hof abzukaufen?" fragte der Alte weiter.

      Emanuel schüttelte den Kopf.

      "Nein. Aber der liebe Gott wird mir schon helfen."

      "Ja–a! Er hilft uns allen ja! – Nein, wir müssen sehen, daß wir Cornelius auf eine andere Art und Weise beseitigen."

      "Wie sollte das wohl zugehen?"

      "Ach, das läßt sich schon machen! – Darf ich mir die Pfeife noch einmal stopfen?"

      "Ja, gern!"

      Thomsen hatte sich auf seinen Stuhl an den Tisch gesetzt und verfolgte mit den Augen die Bewegungen des Alten, der durch das Zimmer humpelte, bis an den Ofen und wieder zurück.

      "Nun?" fragte er dann, als Mortensen sich gesetzt und die Pfeife angezündet hatte. Was meinst du denn?"

      Mortensen zwinkerte mit seinen klugen Vogelaugen und sah äußerst nachdenklich aus.

      "Ja–a – Paff, paff!" fing er an und nahm ein paar Züge aus der Pfeife, die so kurz war, daß sie ihm ganz unter der Nase saß. – "Weißt du. – eine Maschine ist ja immer eine Maschine, Manuel!"

      "Ja!"

      "Da sind Räder, und da sind Walzen, und da sind Krummhölzer, und da sind Zapfen? – Und das alles greift ineinander und kann schnappen wie die Finger an einer Hand und festhalten – ahem – krrr, krrr! – Wie? – Und sich rund herumdrehen und mahlen und in Stücke zerreißen und zerquetschen!"

      "Du sprichst von der Mühle?"

      Thomsen starrte den Alten verständnislos an und ahnte nicht, wohinaus der mit seinem Gerede wollte.

      "Ich spreche von der Mühle, ja!" nickte Mortensen,

      – "denn, weißt du, das ist ja auch eine Maschine."

      "Ja – ja!"

      "Weiß Gott, das ist eine Maschine! – Ich kam einmal mit meinem Rock zu nahe heran, und die Zähne faßten danach, und wäre dein Vater nicht dagewesen und hatte das Rad schnell angehalten, so hätte ich nicht mehr viel Hornfische gegessen – Krrr, Pfui Teufel!"

      "Ja, die Eltern waren auch immer so bange, daß man der Mühle zu nahe kommen könnte, als man noch klein war."

      "Ja, Großvater und Mutter Karen! Ja, das weiß ich noch ganz gut. – Aber was ich sagen wollte – (Mortensens Augen wurden trübe und unsicher) – Cornelius kommt ja manchmal in die Mühle, wenn er auch seine Hauptzeit im Krug zubringt –"

      Manuel schauderte. Es fing an, ihm zu dämmern.

      "Cornelius?"

      "Ja, Cornelius! Er ist eigentlich immer besoffen, – nicht? – Wenn man ein bißchen bei ihm herumfingerierte – wie?"

      "Nein, nein!" sagte Thomsen hastig. Er war leichenblaß geworden. "Mit solchen Dingen darfst du keinen Scherz treiben, Mads Mortensen!"

      "Scherz! – Ich treibe, weiß Gott, keinen Scherz!"

      "Ja – aber –"

      "Muß er denn nicht weg, ehe du den Hof bekommst?"

      "Ja – aber –"

      "Nun, da siehst du! – Ach was, ob so ein Maulesel auf diese oder jene Art –"

      "Nein, nein, das will ich nicht!"

      "Gut, Manuel, gut! Dann lassen wir die Krauseminze wachsen! – Aber dann kriegst du den Hof auch nicht! – Darf ich mir noch eine Pfeife stopfen?"

      "Ja, gern!"

      Mortensen kratzte und stopfte zum dritten Male.

      "Paff, Paff!" begann er dann wieder. – "Nein? Soll ich ihm nicht einen kleinen Schubs geben?"

      "Nein, hab' ich dir ja gesagt! Laß den Unsinn!"

      "Na ja, dann halten wir den Mund! – Aber es war eigentlich nur um deinetwillen, daß man die Arbeit auf sich nehmen wollte! – Und natürlich auch ein klein wenig um meinetwegen; denn ich hab' ja zur Familie gehört, seit ich aus einer Kumme trinken konnte."

      "Man bekommt den Hof wohl auch auf andere Weise."

      "Na ja –"

      "Und wenn es dann nachher da draußen spukte?"

      "Dann brächten wir ihn noch einmal um. Manuel! Dafür gibt es Mittel!"

      "Nein, nein, man würde weder Tag noch Nacht Ruhe haben."

      "Na, du wirst doch nicht gleich seekrank, wenn du eine Laus totknackst?"

      Thomsen steckte die Finger in die Ohren und hätte am liebsten laut aufgeschrien.

      "Ich will nichts mehr davon hören!"

      "Dann schweigen wir davon, dann schweigen wir davon", nickte der Alte.

      "Du sagtest ja vorhin selber, daß er sich bis zum Dezembertermin noch halten würde."

      "Ja, das hab' ich gesagt!"