"Ahem, ahem, krrr, krrr! – Du kannst doch, soviel ich weiß, kein Geld sch –"
"Man wird schon Mittel und Wege finden!" wiederholte Emanuel, "bis zum nächsten Juni ist es noch ein halbes Jahr hin! Was kann nicht inzwischen alles geschehen!"
"Ach ja – das Taufbecken kann verkauft werden –"
"Verkauft werden!"
"Ja, neulich war da ein Quitätshändler draußen auf dem Hof und besah sich das Taufbecken und die Steine."
"Das lügst du!"
Manuel packte seinen Gast beim Kragen und schüttelte ihn so, daß sein Kopf vom Halse herunterbaumelte.
"Aber Manuel, Ma–nu–el!" Thomsen ließ ihn los.
"Das lügst du!" wiederholte er.
"Ja, vielleicht habe ich gelogen, ja!" sagte Mortensen und brachte seinen Hals wieder in Fasson. – "Aber du kannst dich ja selbst danach erkundigen!"
"Das Taufbecken und Großvaters Tische?"
"Ja, Cornelius muß ja was haben, womit er ›Kimi‹ studieren kann, wie er es nennt!"
"Und wer – wer wollte sie kaufen?"
"Dieser haarige Zollverwalter –"
"Knagsted?"
"Ja, heißt er so?"
"Knagsted? Was wollte er mit den Sachen?"
"Seinen Garten damit aufputzen, denk' ich mir, ebenso wie –"
"Er hat ja aber keinen Garten!"
"So? – hat er keinen? Na, dann wollte er sie wohl nach Deutschland oder nach Serbien oder so wohin verkaufen. Diese Art Menschen kommen ja in der ganzen Welt herum."
Thomsen stürmte wieder im Zimmer auf und nieder. Sein rundes, glattes Gesicht war dunkelrot. Und von Zeit zu Zeit holte er mit dem langen Arm aus und schlug gegen die Decke und die Wände der kleinen Kammer.
Der Mühlen-Mortensen aber saß unbeirrt in seinem Korbstuhl und rauchte seine Pfeife. Nur seine blanken Augen bewegten sich. Sie folgten aufmerksam allen Bewegungen des andern.
"Nun?" fragte er endlich.
"Die Welt wimmelt von Banditen!"
"Ach ja, ach ja! – Soll ich es denn tun?"
Manuel blieb stehen:
"Wozu brauche ich es überhaupt zu wissen?"
"Nein, – ach nein. – Aber es ist solch ein Trost, zu zweien zu sein!"
"Aber wenn er nun nachher spukt?"
"Dafür weiß ich Rat!"
"Und wenn es herauskommt?"
"Ich bin auch nicht von gestern!"
"Ja, aber wenn es doch herauskommt?"
"Ahem, ahem, krrr! – Ja, dann hab' ich allein darum gewußt. – Krrr! – Pfui Kuckuck! Der Teufel hol' meinen Husten! Na?"
Thomsen atmete hastig und pfeifend. Er hatte eine Hand gegen die Brust gepreßt, als empfände er einen Schmerz. Der Schweiß lief ihm über das Gesicht.
"Nun?" wiederholte der Alte.
"Man muß des Paters Ansicht hören!" sagte Emanuel kurz.
"Hm!"
"Vater hat einem den Rat gegeben, das Geld zusammenzusparen."
"Ja, das sagtest du ja!"
"Du hast ihn ja auch gesehen!"
"Ja, ich habe ihn gesehen! – Und ich glaubte, es wäre eine Mahnung an mich. Aber dann hat es also Cornelius gegolten."
"Davon weiß man nichts."
"Ach nein, er sagte es ja nicht so geradezu!"
"Ist es Gottes Wille, daß – daß – dann erhält man Bescheid."
"Ja, dann bekommt man wohl Bescheid – na, dann warten wir also noch!"
"Ja!"
"Hm! – Paff, paff! – Aber wenn sie nun das Taufbecken und die Tische –"
"Daraus wird nichts! Dann kaufe ich sie selber!"
"Na ja, – das kannst du ja auch! – Aber es wäre doch wohl billiger, das Ganze auf einem Brett zu kaufen!"
Manuel antwortete nicht. Er stand unter dem schrägen Dachfenster, den Rücken der Stube zugewendet. Und er zeichnete mit einem Finger Zahlen und Striche auf die kleinen betauten Fensterscheiben.
Der Menschen-Mortensen schielte nach ihm hin.
"Ja, dann gehe ich, Manuel", sagte er und erhob sich aus dem Korbstuhl.
"Na –"
"Ich habe versprochen, vor vier zu Hause zu sein. Cornelius und die Frau wollen ausgehen, und da habe ich versprochen, nach den Kindern zu sehen."
"So –"
"Ja, dann adieu, Manuel. Auf Wiedersehen!"
Emanuel wandte sich um.
"Adieu!" sagte er zerstreut.
"Ja, dann reden wir wohl mal darüber, wenn –"
"Ja, ja!"
Mortensen näherte sich dem Tische.
"Ich kann den Tabak wohl mitnehmen?"
Thomsen erwachte plötzlich aus seinen Gedanken.
"Den Tabak – ? Ja–a. – Man hatte ja eigentlich gedacht, du sollst ihn rauchen, wenn du hierherkämst –"
"Hm, – ja! – Aber meine Pfeife kann ich mir wohl noch mal vollstopfen?"
"Ja, stopf' sie nur voll, meinetwegen!"
Und Mortensen stopfte und zündete seine Pfeife an und humpelte von dannen.
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Unterhalb der Gärten am Fjord entlang, lief ein geschnörkelter und gewundener Spaziersteig, kiesbedeckt und eben und von breitkronigen Linden überschattet.
Das war die feinste Promenade der Stadt.
Wenn man an Sommersonntagen in der Kirche gewesen und Gott gegeben hatte, was Gottes war, so eilte man mit den Gesangbüchern nach Hause und wanderte dann den Spaziersteig entlang, um die Beine ein wenig zu bewegen und sich etwas Motion vor dem Mittagessen zu machen.
Die Beine bewegen, ja; und die Augen und den Mund ebenfalls!
Denn diese oder jene kleine Evastochter paradierte ja gern mit einem Hut oder einem Umhang, dessen Schnitt, Besatz und Farbe bisher nicht im Städtchen erblickt war.
Und wenn der neue Hut dann vorbeistolzierte, oder der revolutionäre Umhang, im Winde flatternd, unkeusch sein buntes Seidenfutter zeigte, da steckten alle die vorjährigen Kopfbedeckungen und Umhänge und alle die mit Lasting gefütterten Jacken die Köpfe zusammen und sangen ein Lied, das sehr wohl dem Gesangbuch hätte einverleibt und unter die Rubrik "Tod und Verdammnis" aufgenommen werden können!
Aber acht Tage später wimmelte die Promenade von epochemachenden Hüten und seidenknitternden Sommerjacken.
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Auch an warmen Abenden, wenn der Wind schlafen gegangen war und