so wären Sie gewiß ein Frauenzimmer!"
Emanuel errötete und beugte sich tief über seine Arbeit.
"Nun, seien Sie nur nicht böse!" lachte die Madame und klopfte ihm gutmütig auf die Schulter. – "So," sagte sie dann, "jetzt muß ich aber nach Hause und in meine Baba! Guten Morgen, Thomsen! Grüßen Sie Ihre Mutter!"
Kleine Gruppen von Schulkindern, den Tornister auf dem Rücken oder die Bücher in Riemen oder Schultaschen schlenkernd, kamen die Straße hinab. Die Mädchen für sich und die Knaben für sich. Und wenn sie einander begegneten, wichen die Mädchen immer scheu zur Seite, während die Knaben sie höhnisch ansahen.
"Thumsen, Thummelumsen!" sagten ein paar lange Bengel ganz laut, als sie an der Wäschehandlung vorüberkamen und liefen dann schleunigst davon aus Furcht vor den Folgen.
Aber der kleine Emanuel kehrte sich nicht daran. Er arbeitete ruhig weiter, eifrig wie ein Mensch, der sich seines Zieles bewußt ist.
"Lieber Manuel, willst du nicht hereinkommen und deinen Kaffee trinken, mein Junge?"
"Man muß erst fertig sein, Mutter Karen."
"Ja, dann trinke ich meinen", sagte Madam Thomsen sanft und ging aus dem Laden in die Hinterstube zurück.
"Trinke!" sagte Emanuel.
"Wann kommst du?"
"In einer Viertelstunde."
Und erst als das Türschloß wie lauteres Gold glänzte, sammelte er seine Putzgerätschaften zusammen und ging hinein, um seinen Kaffee zu trinken.
Als er die Ladentür öffnete, scheuerte sich eine große, blaugraue Katze liebkosend an seinen Beinen.
"Da hat man ja Knors", sagte er mit zärtlicher Stimme und hob trotz der verschiedenen Sachen, die er in der Hand trug, das Tier auf den Arm. "Wie geht es uns denn, Miezemau?"
"Mi–au!" sagte Knors und bohrte ihre Schnauze unter seinen Arm.
In der kleinen Stube hinter dem Laden saß Madam Thomsen im Lehnstuhl vor dem Fenster und säumte Taschentücher.
Das Tageslicht fiel zwischen den Topfgewächsen auf dem Fensterbrett hindurch und legte sich auf ihr weißes Haar und auf ihre frischen, roten Wangen. Sie sah so jung aus. Und ihre klaren, blauen Augen waren sanft und gut.
"Jetzt will ich den Kaffee holen, Manuel", sagte sie und erhob sich schnell, sobald der Sohn eintrat.
"Danke, danke, Mutter Karen", nickte er und setzte sich auf das Sofa hinter den ovalen, dünnbeinigen Mahagonitisch.
Eine weiße, filierte Decke war über den Tisch gebreitet. Und über den Lehnen des Sofas und der Stühle lagen weiße, gehäkelte Decken.
"Nun, Knors," wiederholte Thomsen seine Frage an die Katze, die er noch immer auf dem Arme hielt, "wie geht es uns denn?"
Knors scheuerte ihr Gesicht gegen seinen Ärmel und machte einen Versuch zu spinnen.
Es war eine uralte Katze. Sie hatte das Haar den Rücken entlang verloren, und ihre Ohren waren infolge zahlreicher Liebeskämpfe zerrissen und zerbissen. Es war ein Kater. Und das eine Auge fehlte ihm.
"Sind Mäuse in der Falle, Mutter?" rief Thomsen nach der Küchentür zu.
"Er hat sie bekommen!" tönte es zurück.
"Wie viele waren da?"
"Zwei. Aber er macht sich ja nichts daraus."
"Nein! Aber es macht ihm Spaß – nicht wahr, Miezemau! Es macht uns Spaß, sie zu sehen und mit ihnen zu spielen?" fuhr er fort und rieb die Schnauze des Tieres mit der hohlen Hand. – "Es macht uns Spaß? Es macht uns Spaß?"
Die Katze nieste.
"Niest er? Hat er sich erkältet?" fragte Thomsen zärtlich und legte die Katze sorgfältig in die Sofaecke.
Madam Thomsen kam mit einem Teebrett aus der Küche.
"Hier, lieber Manuel. Trinke nun auch, solange es noch heiß ist."
Manuel schnüffelte den Kaffeeduft auf: "Mutter macht den besten Kaffee in ganz Dänemark", sagte er.
Die Alte lächelte befriedigt und setzte sich wieder an ihre Arbeit. Jeden Morgen lobte der Sohn ihren Kaffee. Und wenn er es nicht getan hätte, würde sie geglaubt haben, daß er krank sei oder daß ihm etwas Unangenehmes widerfahren wäre.
Denn sie lebten in gewisser Weise glücklich miteinander, diese beiden; aber, aber – –
Madam Thomsen seufzte und schielte aus den Augenwinkeln furchtsam zu dem "Jungen" hinüber.
Knors lag jetzt behaglich zusammengerollt in der Sofaecke und Emanuel trank wohlgefällig schlürfend seinen Kaffee. Von Zeit zu Zeit löste er eine Krume aus seiner Semmel und steckte sie der Katze ins Maul, die sie langsam schmatzend fraß.
In der Stube war es behaglich warm. Man war ja erst gegen Ende April, daher war noch Feuer im Ofen. Und die Potpourridose oben auf dem Eckschrank entsendete einen würzigen Duft.
"Jetzt ist er da draußen bald fertig!" sagte Emanuel plötzlich. Die Alte zuckte zusammen:
"Das hat man ja schon lange gesagt, Manuel."
"Es wird ein stolzer Tag werden, wenn man wieder auf das Gut einzieht, Mutter Karen." Die Augen des Sohnes strahlten.
"Ach, ja, – aber jetzt haben wir uns hier ja beinahe schon eingelebt."
"Dann hat man nicht mehr nötig, vor allen den hochnäsigen Städtern zu kriechen und zu schwänzeln!"
"Ich finde, sie sind sehr nett, lieber Manuel."
"Zum Dezember muß er herunter!"
"Ja, aber du hast ja nicht Geld genug, Manuel!"
"Das kommt, Mutter Karen, das kommt! – Zum Dezembertermin muß er herunter. Und dann – – !" Thomsen knipste triumphierend die Finger.
"Woher weißt du das denn so genau?"
"Von Kaufmann Beck! Der will nicht länger, weißt du! Vaters alter Freund!"
"Ach, die Freundschaft – –"
"Wir konnten ja damals nicht da bleiben!"
"Hätte Beck nur gewollt, so –"
"Der Kreditverein war schuld daran. Beck hatte ja die zweite Priorität!"
"Ja, Manuel, aber –"
"Mutter Karen," sagte der Sohn und wandte sich schnell nach dem Fenster um – "warum widersprichst du einem immer, sobald es sich um das Gehöft handelt?"
"Das tue ich ja nicht, Manuel, aber –"
"Aber, was?"
"Wenn ich nur wüßte, daß es gehen könnte –"
"Ist man denn nicht Landmann?" erwiderte der Kleine und kröpfte sich in seiner Sofaecke. – "Ist man nicht Sohn eines Hofbesitzers? Hat man nicht neunzehn Jahre auf dem Mühlenhof gelebt?"
"Ja, ja, lieber Manuel, und wenn der liebe Gott seinen Segen dazu gibt, so –"
"Gott ist mit uns!" sagte Thomsen sehr bestimmt. – "Das hat man gar manches Mal gemerkt!"
"Ja, ja, du sagst ja, daß –"
Manuel sah sich mit einem strahlenden Blick im Zimmer um:
"Und alle Möbel haben wir! Und man kennt noch jeden Fleck, wo sie stehen