steuern zu können, und doch schoß es mit fliegender Eile Woge auf, Woge ab dahin, während seine nackten Masten sich weit über die See hinaus neigten. Noch am selbigen Abend zog es an den Shetland-Inseln vorüber, die ein ähnliches Bild boten, wie die Orkneys, und am folgenden Tage kamen die Faroer-Inseln in Sicht. Der Sturm hatte immer noch nicht an Heftigkeit abgenommen, und immer noch mußte der Kapitain sein Schiff nach Norden steuern lassen, um dasselbe möglichst vor Schaden durch den Wind und durch die furchtbar rollende See zu behüten.
Auch die Faroer-Inseln blieben zurück, und der Goliath segelte nun in gerader Richtung auf Island zu. Jetzt aber schien der Sturm nachzulassen, er brauste nur noch stoßweise auf, die blauer gefärbten Wogen des Weltmeers dehnten sich länger, nahmen an Höhe ab, und nach und nach gewann die See wieder ein freundlicheres Ansehen. Die Temperatur aber hatte eine bedeutende Veränderung erlitten, es war empfindlich kalt geworden, so daß die Passagiere Tücher und Mäntel umhängen mußten, und eines Morgens, als sie auf das Verdeck kamen, war alles Tau- und Segelwerk bis in die Masten hinauf mit einer Eiskruste überzogen. Am Himmel war kein Wölkchen mehr zu sehen, und als die Sonne ihre Strahlen über das Meer ausbreitete, verschwand das Eis und die Kälte, und ein lauer Wind von Süden erinnerte die Reisenden wieder daran, daß sie sich im Monat Juni befanden. Das Meer hatte sich geglättet, es wogte nur noch wie in langen Athemzügen auf und nieder, und nur hier und dort lief eine weiße Schaumwelle spielend über die glatte glänzende Fluth. Dabei füllte der leichte Wind die Segel des Goliath bis in die höchsten Spitzen seiner Masten, und trieb ihn fast regungslos auf der endlosen Wasserfläche hin. Es war Sonntag und für die Schiffsmannschaft sowohl, wie für die Passagiere, nach einer so unfreundlichen gefahrvollen Zeit ein wahrer Festtag. Nach einem heißen Dankgebet, welches Turners dem Allmächtigen für seinen Schutz gebracht hatten, eilten sie sämmtlich auf das Verdeck, um sich des wunderbar schönen neu belebenden Morgens zu erfreuen. Der Himmel und die See lächelten ihnen entgegen, die weit umherkreisenden schreienden Möven schienen ihnen Grüße zuzurufen, und die lustigen Pourpoises spielten und jagten sich über die spiegelnde Fläche. Mit Bedauern sahen die Bewohner des Goliath den Tag seinem Ende nahen, und Turners hatten sich auf dem obern Verdeck zusammen niedergelassen, um der Sonne bei ihrem Scheiden noch ein dankbares Lebewohl zuzuwinken.
Je mehr dieselbe sich ihrem Fluthbette näherte, desto lebendiger färbte sich der Himmel im Westen mit Gold und Purpur, und als sie, eine durchsichtig glühende Scheibe, über den Rand des Meeres stand und ihr blitzender funkelnder Schein, wie ein Weg von Brillanten, bis zum Schiffe über die leicht gekräuselte Fluth tanzte, hatte sich der Himmel über ihr in ein Feuermeer verwandelt.
An der andern Seite des Oceans aber, im Osten, stieg in diesem Augenblick der Mond silberhell über der dunkeln Meeresfläche auf, hauchte sein bleiches Perlenlicht über sich am Himmel empor, und sandte seinen hell glänzenden Schein, wie ein zitterndes Atlasband, über die Wellen bis zu dem Goliath hin. Zugleich wurden die erstaunten bewundernden Blicke der Passagiere nach Norden hingezogen; denn dort erschien ein drittes Licht am Firmament, welches sich in zarten rosenrothen Strahlen aus dem Meere erhob, bis zu der Mitte des Himmelsgewölbes hinaufschoß, und sich zugleich bis zu dem Schiffe her auf der Fluth spiegelte. Es war das Nordlicht, die Aurora borealis, welches, wie in raschen Pulsschlägen, von Secunde zu Secunde an Kraft und Farbenpracht zunahm, bis es in ein leuchtendes Carmin überging, und sich zu seinen Seiten mit dem Feuermeer über der sinkenden Sonne und mit dem Perlenlichte des Mondes vereinigte. Die Sonne schied zuerst aus diesem zauberischen dreifachen Lichtbunde, sie sank, wie das sich schließende Auge des Tages in das Meer, auf dessen zitternder Fläche nur noch der Wiederschein des Himmels spielte; das Nordlicht verblich nach und nach, wie mit ermattendem Hauche stiegen seine Strahlen schwächer und schwächer empor, und der Mond zog triumphirend am Himmel auf und breitete, als Herrscher der Nacht, seinen Atlasschein über die endlose Fluth.
Lange noch saßen die Passagiere, in tiefer stummer Bewunderung versunken, auf dem Verdeck und hielten das entschwundene Zauberbild vor ihrem geistigen Auge gefesselt.
»Ach, wie schön ist das Meer, wie prächtig, wie furchtbar groß in seinem Zorne, wie lieblich, wie bezaubernd in seiner Ruhe!« rief Madame Turner tiefbewegt aus, als der Kapitain zu ihr trat, der mit einem gewissen Stolze die Verehrung bemerkte, welche die Familie seiner Heimath, der See, zollte.
»Es muß wohl schön sein; denn was sonst zieht den Seefahrer mit so unwiderstehlicher Gewalt immer wieder auf seine blauen Wogen hinaus, um zuletzt unter ihnen sein großes Grab zu finden – wo bleiben die Matrosen alle – wie selten stirbt ein alter Seemann auf dem Lande, und wie noch viel seltener begegnet man dort einem solchen, der sich Reichthümer erworben hat? Das Meer ist eine schönere Heimath, als das Land!« sagte der Kapitain, und schaute mit Wohlgefallen über die, im Mondlicht glänzende endlose Meeresfläche.
Am folgenden Morgen fanden die Passagiere das Schiff auf seiner andern Seite liegend durch die See gleiten, denn der Wind war in der Nacht herumgegangen und blies jetzt frisch von Nord-Ost her in die Segel. Das herrlichste Wetter begleitete den Goliath nun während einiger Wochen, und kaum wurde es einmal nöthig, die Segel anders zu stellen.
Zufrieden und beglückt durch den Gedanken, für das Wohl ihrer Kinder ein ruhiges gefahrloses Leben in dem Vaterlande geopfert zu haben und sich den Gefahren der See, so wie denen in einem fremden Lande und unter fremden Menschen preiszugeben, schwanden Turner und seiner Gattin die Tage angenehm und rasch, und die frohe Hoffnung, nun bald das Ziel ihrer Reise zu erreichen und ihren Fuß auf die Erde ihrer neu erwählten Heimath zu setzen, wurde täglich lebendiger in ihrer Brust. Die Kinder aber, denen der Ernst der verhüllten Zukunft noch keine Sorgen machte, zählten keine Stunden, keine Tage; sie sehnten nur an jedem neuen Morgen den Abend herbei, wo ihr Freund Daniel sich zu ihnen setzen und ihnen aus seiner Jugendzeit erzählen würde. Ehe dann die Knaben sich zur Ruhe begaben, theilten sie den Eltern gewöhnlich Bruchstücke aus den Erzählungen des Negers mit, so daß Turner zuletzt selbst neugierig wurde und einige Fragen an den Schwarzen zu stellen beschloß. An einem stillen Abend, als Daniel wieder seine jungen Zuhörer um sich versammelt hatte, trat Turner wie zufällig heran und ließ sich mit den Worten bei ihnen nieder:
»Nun Daniel, ich muß doch auch einmal etwas über Dein früheres Leben hören; Du bist ja unter den Indianern aufgewachsen.«
»Ja wohl, Herr, meine Eltern waren Sklaven unter einem der Indianerstämme, welche die fernen westlichen Länder Amerika's Jahr aus Jahr ein durchwandern und, dem Büffel folgend, im Frühling nach Norden und im Herbst wieder nach Süden ziehen. Sie leben ausschließlich von der Jagd und führen große Heerden von Pferden und Maulthieren mit sich, für welche sie stets die besten Weiden aufsuchen,« entgegnete der Neger.
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