den Mittheilungen des Schwarzen und unterbrachen ihn nur selten durch einzelne Fragen. Besonders aber war Carl ganz Ohr und sah sich schon im Geiste auf einem flüchtigen Hengste dem fliehenden Büffel folgen, oder im wilden Kampfe einen grimmigen Bären erlegen. Die Dunkelheit hatte sich über das Meer gebreitet und die Nachtluft wurde empfindlich kühl, als Herr Turner die Knaben in ihrer Andacht störte, mit der sie den Erzählungen des Negers lauschten, indem er sie daran mahnte, daß es Zeit sei, sich zur Ruhe zu begeben.
»Onkel, hättest Du doch gehört, was uns Daniel erzählt hat!« sagte Carl, als sie in der Kajüte angelangt waren. »Er hat uns die Jagden beschrieben; die Büffel werden zu Pferde gejagt, man sprengt an ihre Seite und schießt sie vom Pferde herab mit Pistolen. Das muß ein Spaß sein!«
»Aber ein sehr gefährlicher Spaß, mein lieber Carl, bei dem man ganz leicht Hals und Beine brechen, oder unter den Füßen des Büffels zertreten werden kann,« antwortete Turner lächelnd. »Wo wir uns niederlassen werden, da giebt es keine Büffel mehr.«
»Das ist schade, ich hätte doch einmal gern eine solche Jagd mitgemacht,« bemerkte Carl mit einem Ausdruck vereitelter Hoffnung.
»Nun, wer weiß, ob Du nicht einmal eine Reise nach dem Westen machen wirst, das ist ja so weit nicht!« sagte Turner tröstend, und setzte noch hinzu: »wenn wir erst unsere Farm in Ordnung und ein paar gute Ernten gemacht haben, dann kann man einmal einige Wintermonate daran wenden, um die Länder im Westen zu sehen; es soll dort herrlicher Boden sein.«
»Der beste Boden in ganz Amerika, sagt Daniel,« antwortete Carl rasch und begeistert.
»Und Büffel und Bären und wilde Pferde zu Tausenden, nicht wahr?« fiel Turner lachend ein. »Nun, legt Euch in Gottes Namen zur Ruhe, und träumt meinetwegen, daß Ihr auf einem Büffel spazieren reitet.«
Die Nacht verstrich ohne alle Störung, die Schläfer ließen sich durch die wiegende Bewegung des Schiffes in liebliche Träume schaukeln, und am frühen Morgen fanden sie sich wieder heiter und guter Dinge auf dem Verdeck ein. Die Sonne tauchte prächtig und klar aus dem Meere empor, der Himmel wölbte sich wolkenlos und durchsichtig über der wogenden Fluth, und der frische Wind füllte die Segel des Goliath mit aller Macht und trieb ihn eilig auf seiner einsamen Bahn dahin.
Madame Turner hatte für sich und für Julie Näharbeiten mit auf das Verdeck genommen, um die Zeit nicht müssig zu verbringen, und Turner setzte sich mit einem Buche, welches über Amerika handelte, zu ihnen. Carl aber mit Arnold und Wilhelm hatte das Boot wieder bestiegen, um die See zu überspähen und zu wachen, ob sich nicht wieder die Gelegenheit zu einer Jagd darbieten würde. Daniel fand sich, so oft es seine Zeit erlaubte, bei den Knaben ein und wurde von ihnen dann mit tausend Fragen bestürmt; mit weiteren Erzählungen über sein Leben in der Wildniß aber vertröstete er sie auf den Abend, wo ihn seine Geschäfte nicht dabei unterbrechen würden.
Eine auffallende Ruhe und Stille herrschte auf dem Schiffe. Die Matrosen saßen auf dem untern Verdeck mit der Ausbesserung von Segeln beschäftigt, oder hingen hier und dort hoch in der Luft in dem Tauwerk der Masten, um kleine Schäden auszubessern, und der Kapitain ging ab und zu, indem er seine Anweisungen bei den Arbeiten gab. Nur von Zeit zu Zeit rief er die Matrosen herbei, um das eine oder andere Segel etwas straffer anzuziehen; denn außerdem gebrauchte das Schiff keine besondere Hülfe: es segelte unverändert während des ganzen Tages in derselben Richtung und dasselbe Bild, dieselben Erscheinungen umgaben fortwährend das Fahrzeug. Turners schauten zwar oftmals über die See hinaus und folgten mit den Blicken dem Laufe der rollenden Wogen; diese boten aber in ihrer regelmäßigen Bewegung dem Auge durchaus keine Veränderung, und Turner bemerkte dem Kapitain, als derselbe einmal zu ihnen getreten war, daß auf die Dauer eine Seereise doch sehr einförmig, ja langweilig werden müsse.
»Wir wollen hoffen, daß die unserige in dieser Beziehung recht langweilig bleiben möge; denn die Abwechselungen, die sie uns bieten könnte, sind nicht zu unserm Vortheil. Bei Windstille und glatter ruhiger See würden wir nicht aus der Stelle kommen, und ein Sturm, so schön und interessant die Landbewohner ihn sich auch denken mögen, ist und bleibt ein gefährliches Vergnügen. Wind und Wetter, wie wir es heute haben, ist des Seemanns höchste Lust; dieser Wind würde uns in einigen zwanzig Tagen nach Baltimore bringen.«
»Ich verzichte auch gern auf jede Abwechselung,« bemerkte Madame Turner, »der Himmel mag uns vor Stürmen bewahren!«
»Wir sind jetzt in der günstigen Jahrszeit, wo man sie am wenigsten zu befürchten hat; hoffentlich werden Sie ihre Bekanntschaft gar nicht machen,« erwiederte der Kapitain. Der Tag verlief ruhig und heiter und der Abend wurde von Carl und seinen Gefährten freudig bewillkommnet, denn gleich nach dem Abendessen setzte sich Daniel wieder zu ihnen und erzählte von seinem Leben in der Wildniß.
Am folgenden Morgen fühlten die Passagiere schon in ihren Betten an den heftigen Bewegungen des Schiffes, daß mit der See eine Veränderung vorgegangen sein müsse. Der erste Blick auf das Verdeck machte ihre Vermuthung auch wahr: ein sehr heftiger Wind jagte schwere graue Wolken fliegend über die Wogen, welche sich immer höher und gewaltiger erhoben und sich ungestüm gegen die Seiten des Goliath warfen. Die Matrosen waren eifrig beschäftigt, die oberen Segel ganz einzuziehen und die unteren zu verkleinern, alle Arbeiten auf dem Verdeck waren eingestellt, alle Taue, die nach den Segeln hinaufführten, lagen für schnellen Gebrauch zusammengeringelt an der Brüstung hin, und allenthalben auf dem Schiffe war die größte Ordnung hergestellt. Auf die Frage der Madame Turner an den Kapitain, ob er Besorgniß über das Wetter hege, erwiederte er, daß dasselbe weniger günstig zu werden scheine, und daß er alle Vorkehrungen treffen müsse, ihm zu begegnen. Der Wind nahm von Stunde zu Stunde an Heftigkeit zu, bis er gegen Abend aus Südwesten in einem Sturm heranzog. Das Düster der einbrechenden Nacht vermehrte das Schauerliche des Bildes, welches die Umgebung des Goliath jetzt darbot. In rollenden Wasserbergen thürmte sich die See um ihn auf, donnernd brachen sich die Wogen unter seinem Kiel und warfen, hoch vor ihm aufsteigend, ihren weißen Gischt über das Verdeck hin. Dabei pfiff und stöhnte der Wind in dem rasselnden Tauwerk und drohte die wenigen kleinen Segel, die das Schiff noch trug, zu zerreißen. Der Sprühregen der Wogen, der ununterbrochen über das Verdeck peitschte, hatte die Passagiere von dort verjagt und sie in die Kajüte getrieben. Hier saßen sie bei dem matten Scheine der Ampel, die sich unter der Decke hin und her schwang, mit bangen Herzen beisammen, und lauschten dem Brausen und Toben des Sturmes und der Wogen, so wie dem Aechzen und Stöhnen des Schiffes und seiner Masten. Es ging schon auf Mitternacht, als der Kapitain durchnäßt hereintrat, um seinen Rock zu wechseln, und seine Passagiere noch auf fand. Er versicherte ihnen nun, daß noch durchaus keine Gefahr vorhanden sei, bot Alles auf, sie zu beruhigen, und bat sie dringend, sich zu Bett zu begeben; er würde statt ihrer wachen. Turners gaben seinen Vorstellungen nach, verbrachten jedoch eine sehr unruhige Nacht und hießen mit ganzem Herzen das neue Tageslicht willkommen.
Kurz vor der Frühstückszeit rief sie der Kapitain auf das Verdeck, um ihnen die Orkney-Inseln zu zeigen, in deren Nähe sich der Goliath jetzt befinde. Turner mußte seine Gattin beim Gehen halten und unterstützen, um das obere Verdeck zu ersteigen; denn das Schiff lag sehr auf der Seite und schwankte gewaltig auf und nieder. Die Wolken hingen in ihrem schnellen Zuge so tief auf das Meer herab, daß man nur von Zeit zu Zeit, wenn sie der Sturm auseinander fegte, einen weiteren Blick von dem Schiffe aus hatte, und eine geraume Zeit waren die Passagiere mit den Augen der Richtung gefolgt, in welcher der Kapitain die Inseln andeutete, ehe sie dieselben erkennen konnten.
In schwarzen steilen Felsmassen, um welche sich das graue Gewölk rollte, stiegen sie aus der wild tobenden Fluth auf, und die Außenlinien ihrer schroffen zackigen Wände wurden dem Auge bei Annäherung des Fahrzeuges immer deutlicher und schärfer. Bald hatte der Goliath die östlichste Inselgruppe bis auf geringe Entfernung erreicht und stürmte, von Wind und Wogen gejagt, an ihr vorüber. Die See bäumte sich an den nackten schwarzen Felsen und warf ihren weißen Schaum hoch an ihnen empor, während Milliarden von Möven, Enten, Gänsen und Tauchern ihre Höhen wie weiße Wolken krächzend umschwärmten und sich in großer Zahl auf ihren Spitzen niedergelassen hatten. Weithin erkannte man von Zeit zu Zeit noch mehrere andere dieser kahlen felsigen Inseln, die Jahr aus Jahr ein von der See gepeitscht, dem Zorn der Elemente Trotz bieten und auf denen, abgeschieden von der übrigen Welt,