Armand

Carl Scharnhorst: Abenteuer eines deutschen Knaben in Amerika


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orderten, und eine ungestörte kräftige Gesundheit ließ ihnen jede Freude, die ihnen ihr einfaches Leben bot, im vollsten Maße genießen.

      Nach einem anhaltenden strengen Winter, der noch bis in den Monat März hinein die Werra mit einer starren Eisdecke überzogen und die hohen, steilen Berge und die Kluse mit hohem Schnee bedeckt hielt, war das Frühjahr mild und segnend erschienen, und der Mai hatte Berg und Thal mit frischem jungen Grün geschmückt. Die Wälder prangten im zarten neuen Laube, die Saaten schossen üppig empor, die Wiesen zierten ihre saftig grünen Flächen mit Blumen, und die Obstbäume sahen, mit Blüthen übersäet, wie weiße und rothe Wolken aus den Gärten hervor. Klar und durchsichtig rauschten die leichten Wogen der Werra zwischen den frisch grünen Ufern hin und folgten spielend ihren Schlangenwindungen durch die mächtigen Gebirge, deren schroffe Basaltkuppen im hellen Sonnenlichte unter dem blauen wolkenlosen Aether glänzten. Alle Zugvögel waren von ihrer Winterreise aus fernen Landen zurückgekehrt, die Schwalben schwärmten in lustigen Zügen schwirrend von Berg zu Berg, die Lerche hob sich singend und trillernd zum Himmel auf, der Kukuk ließ seinen Ruf durchs Thal ertönen und die Nachtigall flötete ihre süßen melancholischen Lieder im Düster des Forstes und im schattigen Dunkel der Gärten.

      Es war Pfingstsonnabend Nachmittag, und Carl Scharnhorst hatte die Feierstunden benutzt, um seinen Brüdern, wie er Arnold und Wilhelm Turner nannte, eine Freude zu bereiten. Für den großen schwarzen Hofhund, Pluto, hatte er ein Geschirr angefertigt, denselben in einen kleinen Wagen gespannt, und nun rief er seine Brüder herbei, das Fuhrwerk nach dem nahen Städtchen zu lenken, um für die Mutter allerlei Haushaltsbedürfnisse nach der Kluse zu schaffen; denn für die Feiertage mußten Küche und Keller gut versorgt werden. Die Freude der beiden Jungen war groß, als sie ihren lieben Pluto mit dem weißen Ledergeschirr im Wagen eingespannt erblickten, und Carl mußte das mächtige Thier mit Gewalt am Halsbande halten, damit es bei den Liebkosungen, die es den Knaben mit Ungestüm erwiedern wollte, das Fuhrwerk nicht umwarf. Der laute Jubel brachte auch Madame Turner und Julie vor die Hofthür, auch sie brachen in ein lautes freudiges Lachen aus, als sie den großen Hund eingespannt sahen, und Madame Turner, die in Carls Bemühung nur dessen Liebe zu ihren Kindern erkannte, strich ihm liebevoll die braunen Locken und küßte ihn zärtlich. Dann gab sie ihm die bereits geschriebene Liste über die verschiedenen Gegenstände, welche sie durch einen der Knechte hatte auf einem Schiebkarren aus der Stadt holen lassen wollen. Wilhelm setzte sich in den Wagen hinein, Arnold ging mit dem Lenkseil in der Hand nebenher, und von Carl gefolgt, trabte Pluto mit dem Wagen durch das Hofthor die Straße hinunter.

      »Nur langsam, langsam, Ihr Jungen!« rief ihnen Madame Turner lachend nach; kaum hatten sie aber die offene Straße erreicht, als sie Pluto zum Laufen aufforderten, und nun davon sausten, so schnell sie ihre Füße nur tragen konnten.

      Die Sonne sank zu den fernen blauen Gebirgen hinab, die vielen einzelnen Basaltkuppen, die sich hier und dort aus dem Werrathale erhoben, dehnten ihre Schatten weiter aus, der Himmel im Westen wurde immer feuriger, immer glühender, und eine heilige Ruhe legte sich auf das schöne Thal, die nur durch den friedlichen Ton der Abendglocken und zuweilen durch einen verspäteten Grasmäher unterbrochen wurde. Herr Turner kam auf einem prächtigen Rappen auf der Straße hergetrabt, die von dem Städtchen nach der Kluse führte, und holte auf halbem Wege seine drei Buben ein, von denen Arnold und Wilhelm neben dem großen Hunde hinschritten, während Carl Scharnhorst hinter dem beladenen Wagen ging und denselben vorwärts schob, damit die Last dem Thiere nicht zu schwer werden sollte.

      »Ist es möglich, seid Ihr es?« rief Turner lachend und verwundert aus. »Habe ich mich doch besonnen, was für ein Fuhrwerk dies sein könnte! Aber wer hat Euch denn das Geschirr für Pluto und die ganze Einrichtung gemacht? es ist ja allerliebst!«

      »Carl hat Alles heimlich hergestellt, und als er Pluto eingespannt hatte, rief er uns herbei, damit wir fahren könnten,« antworteten die beiden Söhne Turners vergnügt und sahen mit dankbaren freudigen Blicken nach Carl hin.

      »Ei, Du bist ja ein Prachtbursche, Carl! Dafür sollst Du nun aber auch wahrlich Deinen Spaß haben,« sagte Turner, indem er vom Pferde sprang und Carl den Zügel hinreichte. »Komm her, mein Junge, sollst den Rappen nach Hause reiten, ich weiß, es macht Dir Freude. Wart nur, ich will die Bügel etwas kürzer schnallen.«

      »Nein, bester Onkel, ich danke, ich muß bei dem Wagen bleiben, es wird Pluto zu sauer!« antwortete Carl und sah mit glänzendem Blicke nach dem Sattel hinauf, in welchem er so gern Platz genommen hätte.

      »Nein, nein, Carl, eine Ehre ist der andern werth; Du hast Deinen Brüdern eine Freude gemacht, und es ist nun an mir, auch Dir eine solche zu bereiten. Steig auf, flink, ich bleibe beim Wagen und werde ihn statt Deiner schieben.«

      »Aber, bester Onkel, wenn das Jemand sähe – ich zu Pferde und Du hinter dem Wagen – das geht ja nicht!«

      »Eine jede Arbeit ehrt den Mann, Carl; wer mich nicht hinter dem Wagen sehen mag, der muß einen andern Weg blicken. Schnell auf das Pferd, darfst es einmal tüchtig laufen lassen, nimm Dich aber in Acht, schiebe die Füße nicht zu weit in die Steigbügel, damit Du mir nicht darin hängen bleibst, wenn Du herunterfallen solltest.«

      »Hat nichts zu sagen, Onkel, ich habe den Rappen schon zu oft in das Wasser geritten, ich falle nicht herunter,« erwiederte Carl und sprang behend in den Sattel.

      »So, nun sage der Mutter, daß ich Fuhrmann geworden sei und bald mit der reichen Ladung nachfolgen würde,« sagte Turner, worauf Carl den Rappen in Galopp setzte und davon jagte.

      Die flüchtigen Tritte des Rosses, als Carl in den Hof sprengte, lockten Madame Turner in die Hausthür, wo ihr der Knabe lachend zurief, was ihm sein Onkel zu bestellen aufgetragen hatte. Dann übergab er das Pferd einem Knecht und lief nun rasch wieder nach der Straße hinunter, dem Wagen entgegen zu eilen und Herrn Turner dort abzulösen.

      Der Mond stieg glühend roth über den dunkeln Bergen auf und blickte in das Thal herab, in welchem die Kluse lag, als der Wagen vor dem Hause anlangte und Pluto sich ermüdet niederlegte.

       »Hier, Mutter, wir haben Alles glücklich hergebracht, es ist Nichts entzwei gegangen,« rief Arnold seiner Mutter triumphirend zu, als diese aus dem Hause hervorsprang, um ihre Lieben zu bewillkommnen.

      »Und wie schön war die Fahrt, ich sage Dir, Mutter, ganz prächtig,« fiel Wilhelm ein.

      »Und die Freude habt Ihr Carl zu verdanken,« erwiederte Madame Turner.

      »O ich habe aber einen noch weit größern Spaß gehabt, weil Onkel so gut war und mich den Rappen reiten ließ; wie hat der aber laufen müssen!« unterbrach Carl schnell seine Tante; doch diese fuhr, zu ihren Söhnen gewandt, fort:

      »Nun, bedankt Euch hübsch bei Carl, der Euch so lieb hat,« worauf die beiden Buben Carl um den Hals fielen, ihn küßten und ihm für die Freude dankten, die er ihnen bereitet hatte.

      »Hast Du uns Fuhrleuten denn aber nun auch etwas Gutes gekocht, Mutter? wir haben uns tüchtig für Dich abgearbeitet,« nahm jetzt Herr Turner das Wort, indem er seinen Arm um die Schulter der geliebten Gattin legte und von ihr den gewohnten Kuß zum Willkommen empfing.

      »Ihr sollt zufrieden sein. Julie hat Puffer gebacken, und wenn ich mich nicht irre, so sind sie ihr gut gerathen,« entgegnete Madame lächelnd.

      »So laß uns das Abendbrod im Garten in der Laube verzehren; ich meine immer, im Freien könnten wir dem gütigen Gott besser für seine Wohlthat danken, als in dem Zimmer, dort sehen seine Wolken so freundlich auf uns hernieder, seine Größe und Allmacht tritt uns lebendiger vor die Seele. Es ist eine so herrliche Nacht, daß es schade wäre, uns in das Zimmer einzusperren,« entgegnete Turner.

      »Sehr gern, es ist mir leichte Mühe, die Speisen hinauszubringen, und dort werden sie uns noch viel besser schmecken,« antwortete Madame Turner, und eilte in das Haus, um die nöthigen Anordnungen zu treffen, während ihr Gatte mit den Knaben die Ladung von dem Wagen hinein beförderte. Carl hatte Pluto das Geschirr bereits abgenommen, und der Hund folgte ihm nun auf Schritt und Tritt nach.

      Eine halbe Stunde später saß die ganze Familie im Garten in der Geisblattlaube um den großen steinernen Tisch, auf dem das einfache Abendbrod