Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker)


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eines Stuhles.«

      Sie sah mich lange an, und ihre feinen Nasenflügel zitterten jetzt ganz sichtbar.

      »Ich danke Ihnen – schlafen Sie wohl,« sagte sie und machte den Himmel zu.

      Ich blickte noch einmal auf die ganze Kladderasche, die mit sämtlichen Spitzen und allem, wofür ich keinen Namen hatte, auf zwei Stühlen lag, auch die zerrissenen Strümpfe, und dann war ich wieder drüben.

      Himmel, Hagel und Haubitzen!!

      Schlafen Sie wohl. Jawohl, hatte sich was! Der zerbrochene Bettstuhl setzte mir, wie ich mich auch legte, immer einen Fuß ins Kreuz, und dann …

      O, diese verfluchten Gedanken! Diese Visionen! Was mir meine Phantasie vorgaukelte!

      »Soll ich oder soll ich nicht? Richard, sei kein Esel. Natürlich sollst du, sie will’s doch selbst. Aber hast du dich nicht in ihre Dienste gestellt? Kapitän und Steuermann! Richard, wenn du sonst kein Frosch bist, sei diesmal einer! Nur diese Nacht noch.

      Morgen muß es sich entscheiden. So oder so. Oder ich gehe. Das halte der Deiwel aus.«

      So marterte ich mich die ganze Nacht, bis der Morgen graute. Dann kam ich endlich auf die Idee, meine Stiefel auszuziehen, um geräuschlos hin und her gehen zu können. Und endlich knarrte drüben auch das Himmelbett. Dann plätscherte es. Und dann knarrte das Himmelbett nochmals. Jetzt setzte sie sich darauf, um ihre zerrissenen Strümpfe anzuziehen. Dann raschelte es, und dann war sie fertig.

      »Guten Morgen, Herr Steuermann! Haben Sie gut geschlafen?« Sie sah blaß aus wie eine Kalkwand. Ich machte, daß ich hinunterkam, und half mit, die Pferde anzuspannen.

      Wir fuhren in dem verdunkelten Wagen zurück, ohne ein einziges Wort zu wechseln.

      EINE GESPENSTERGESCHICHTE, UND WAS ICH IM GEISTERTURM ERLEBTE.

       Inhaltsverzeichnis

      Ich war krank. Gemütskrank. Im Magen. Faktisch. Unberührt war das Frühstück fortgetragen worden, ich hatte Mittagessen bestellt, und jetzt stand das auch noch da, und ich saß daneben, den Kopf in die Fäuste gestemmt und stierte vor mich hin.

      So konnte das nicht weitergehen. Ich wollte fort. Ich mußte erst tausend Knoten Salzwasser zwischen uns haben. Ich wollte hin zu ihr und es ihr sagen, sie um Entschuldigung bitten, ich hätte mir die Sache anders überlegt. Aber ich wagte es nicht. Morgen, morgen! Ich schimpfte mich selber einen elenden Feigling. Richard Hasenherz.

      Der Leser weiß, wie es mit mir stand. Mich hatte etwas gepackt, was ich bisher noch nie gekannt. Hatte ich einmal so etwas gehört, hatte ich darüber verächtlich gelacht. Und da muß ich langer Lümmel …

      Mein Diener kam. Die Lady wünsche mich zu sprechen. Und da war mir, als ob der schwarzgekleidete Diener eine ganze Flutwelle von goldenem Sonnenschein mit hereinbrächte, der Sonnenschein drang mir ins Herz und drang mir in den Magen, daß ich gleich wieder Appetit bekam. Nun war es aber zu spät.

      Einen bedauernden Blick auf das kaltgewordene Essen, und ich ging. Ich glaube, ich tänzelte. Ich sollte sie ja sehen, sie sehen!! Und auf diesem Wege ward mir klar, daß ich nicht mehr leben konnte, wenn ich sie nicht täglich sah. Ich wäre einfach verhungert. Und das geht bei mir schnell.

      Sie sah in der römischen Tunika wieder ganz frisch aus. Jedenfalls hatte sie noch ein Schläfchen hinter sich. Und sie setzte schon wieder ein unnahbares Gesicht auf. Aber daraus machte ich mir nichts. Ich war schon glücklich, sie nur sehen zu können.

      Mit einem Male versuchte sie ein ganz geheimnisvolles Gesicht zu machen.

      »Haben Sie schon einmal einen Geist gesehen?«

      »Nee!« war meine prompte Antwort, ob dieser unvermuteten Frage wieder etwas in meinen alten Ton fallend.

      »Sie glauben wohl gar nicht an Geister?«

      »Nee.«

      Und nun kam es langsam heraus:

      »Ich – habe – schon – einen – Geist – gesehen!«

      »Einen richtigen Geist?« vergewisserte ich mich nochmals.

      »Ja.«

      »War er weiß?«

      »Ja.«

      »Dann war’s ein Mensch, der sich ein Bettuch umgehangen hatte,« war meine sofortige Erklärung.

      Ueber ihr schwermütiges Gesicht ging wieder jenes eigentümliche Zucken.

      »Sie glauben mir nicht, daß ich schon einmal einen Geist gesehen habe?«

      »Mylady, Ihr Wort in Ehren – aber ich bin bisher noch keinem Geiste und sonstigem Gespenste begegnet, und es ist bisher auch meine Ansicht gewesen, daß es keine sogenannten überirdischen Erscheinungen gibt, obgleich ich Shakespeare nicht widersprechen will, daß zwischen Himmel und Erde Dinge existieren, die wir mit unserer Schulweisheit niemals fassen werden. Und werde ich betreffs der Geister eines anderen belehrt, bekomme ich nur einen einzigen handgreiflichen Beweis für ihr Vorhandensein, dann will ich gern aus einem Saulus ein Paulus werden.«

      Man wird mir trotz aller sonstigen Offenheit, die manchmal an Grobheit grenzen konnte, ein gewisses diplomatisches Geschick nicht absprechen, und wenn ich wollte, so konnte ich sprechen wie ein Buch. Ich hatte ja auch Pastor werden sollen.

      »Setzen wir uns.«

      Ich war in einem der gepanzerten Zimmer empfangen worden, aber nicht in dem mit dem Geldschrank, wo ich ganz sicher hinter einer Portiere auch ihr Bett vermutete.

      »Eine kleine Stunde von hier,« begann sie dann, »in der Nähe von Wanstead, steht auf freier Haide ein Turm. Haben Sie überhaupt noch nichts von diesem Hunger- oder Geisterturm von Wanstead gehört?«

      »Nein.«

      »Eigentlich kennt jeder Engländer ihn, er kommt in Spukgeschichten sehr häufig vor, es existiert über ihn schon mehr eine eigene Literatur, die ganze Umgegend weiß noch heute von geheimnisvollen Erscheinungen zu erzählen, und ich wünsche sogar, daß sie sich zuvor darüber orientieren, wozu ich Ihnen dann einige Adressen geben werde.

      »Dieser Turm ist der stehengebliebene Rest eines ehemaligen Schlosses, welches der Königin Elisabeth gehörte. Das Schloß selbst ist wohl noch zu Elisabeths Zeiten abgetragen worden, man erkennt unter dem Haidekraut kaum noch die Grundmauern, nur den Turm hat man aus irgendeinem Grunde stehen lassen.

      »Nun meldet die Mär, daß Königin Elisabeth in diesem Turme einmal eine Kammerzofe oder vielleicht auch Ehrendame namens Florence Cook habe einsperren und verhungern lassen, wohl weil sie die Eifersucht der Königin erregt hatte, und der Geist ihres Opfers soll noch heute darin spuken, man will nächtlicherweile Lichterscheinungen in dem Turme gesehen haben, es sollen auch mutige Männer eine Nacht darin verbracht haben, die zwar lebendig wieder herauskamen, aber oftmals gebrochen an Leib und Seele, jedenfalls konnten sie immer Entsetzliches erzählen.

      »Der Turm steht auf meinem Grund und Boden. Als ich von dem Spuk erfuhr und hörte, daß sich in dem Turme noch immer nächtliche Lichterscheinungen und Seufzen und Stöhnen wahrnehmen ließen, besonders in mondlosen Nächten, stand bei mir fest, der Sache auf den Grund zu gehen.

      »Eingezogene Erkundigungen ergaben sehr wenig. Es sei stets das östliche Zimmer im zweiten Stock, in dem sich manchmal ein Licht zeige. Es wollten wohl schon Männer darin übernachtet haben, und sie sollten, wie schon gesagt, Schreckliches erzählen können – nur schade, daß ich keinen einzigen dieser Zeugen sprechen konnte, sie lebten nicht mehr oder waren ausgewandert, verschollen.

      »Zunächst stattete ich dem Turme am Tage einen Besuch ab. Er ist noch ganz angefüllt mit altertümlichen Möbeln. Sonst konnte ich nichts Auffälliges bemerken. Erwähnen will ich schon jetzt, daß das betreffende Zimmer,