Andrew Hathaway

Der Geisterjäger Staffel 3 – Gruselroman


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die neben ihm stehende Person und stutzte.

      Auf dem Gesicht seines Auftraggebers lag ein entrückter Ausdruck. Verwirrt blickte George Kennloch auf das Bild. Sollte dieses Gemälde tatsächlich einen Menschen so in seinen Bann schlagen können?

      Im nächsten Moment weiteten sich seine Augen in namenlosem Grauen. Etwas Unvorstellbares geschah.

      Die Arme der Frau auf dem Gemälde schienen sich zu bewegen.

      Schienen sich zu bewegen? Nein, sie bewegten sich tatsächlich. Die weißen Hände schnellten auf den Kunsthändler zu, legten sich um seinen Hals.

      Der entsetzte Mann kam zu keiner Gegenwehr. Die Geisterhände aus dem Bild ließen ihm keine Chance.

      Der Auftraggeber stand regungslos daneben. Erst als er sicher war, daß der Kunsthändler nicht mehr lebte, nahm der Mörder das Bild an sich.

      Er hatte es soeben zum erstenmal als Mordwerkzeug eingesetzt, aber er war entschlossen, dies noch oft zu tun.

      So oft, bis das Ziel erreicht war.

      *

      Rick Masters und Hazel Kent waren in zwei Wagen zu dem Auktionsgebäude gefahren, da sie sich hier verabredet hatten. Hazel Kent war direkt von dem Bürohochhaus der Kent-Werke in der Londoner City mit ihrem silbergrauen Rolls Royce gekommen, während Rick Masters seinen Morgan benutzt hatte.

      Der Morgan war ein offener Sportwagen im Oldtimer-Look, ein heißer und schneller Schlitten, den der Geisterdetektiv wie seinen Augapfel hütete.

      »Wir fahren mit meinem Wagen!« rief Rick seiner Freundin zu und schwang sich über die geschlossene Seitentür hinter das Steuer. Dracula verfrachtete er unter den Nebensitz. Er wußte genau, daß sich der Hund bei der anschließenden rasanten Fahrt ohnedies dort verkrochen hätte.

      Kaum saß Hazel neben Rick, als er einen Schalter am Armaturenbrett umlegte. Damit wechselte er von der normalen Hupe auf Polizeisirene. Gleichzeitig holte er unter seinem Sitz eine Kunststoffkugel hervor und befestigte sie auf einer Haltevorrichtung neben der Windschutzscheibe. Ein zweiter Schalterdruck, und in der Kunststoffkugel drehte sich zuckend ein Blaulicht.

      Rick Masters arbeitete oft mit Scotland Yard zusammen. Daher hatte er als Privatmann eine Ausnahmegenehmigung erhalten. Er durfte in sehr dringenden Fällen wie ein Einsatzfahrzeug der Polizei mit Blaulicht und Sirene fahren.

      »Ist es wirklich so eilig?« rief Hazel, um das gellende Signalhorn zu übertönen.

      »Dracula hat verrückt gespielt!« rief Rick zurück. Er saß scheinbar locker und entspannt hinter dem Steuer. In Wirklichkeit war er innerlich zum Zerreißen angespannt. »Das macht er nur, wenn die Wellen des Bösen sehr stark sind. Dieser Kunsthändler befindet sich in höchster Gefahr, wenn er mit dem Bild nicht umgehen kann.«

      »Und wenn er damit umgehen kann, ist er ein Meister der Schwarzen Magie!« rief Hazel Kent.

      Rick nickte verbissen. »Allerdings. Und deshalb werden wir uns beeilen.«

      Allerdings gab es eine Schwierigkeit. Rick Masters verfügte über zwei Waffen, eine Pistole und eine Silberkugel mit starken, weißmagischen Kräften. Beide lagen in seinem Wohnbürol in der Londoner City. Als er sich mit Hazel zu einer Auktion getroffen hatte, war nicht mit einem dringenden Einsatz zu rechnen gewesen.

      Rick ließ sich davon jedoch nicht abschrecken, daß er unter Umständen völlig unbewaffnet gegen Geister und Dämonen oder andere übersinnliche Kräfte kämpfen mußte. Hier durfte er keine Zeit verlieren.

      Die Versteigerung hatte in Westminster stattgefunden. Es war nach Chelsea nicht weit, aber der Geisterdetektiv mußte sich durch den dichten Verkehr der Stoßzeit kämpfen. Die Autofahrer wichen wie immer sehr diszipliniert vor diesem seltsamen Einsatzfahrzeug zur Seite. Dennoch gingen wertvolle Minuten verloren, bis Hazel durch die niedrige Windschutzscheibe deutete.

      »Dort ist es!« rief sie.

      Rick stellte Blaulicht und Sirene ab, parkte den Morgan in zweiter Spur und sprang auf die Fahrbahn. George Kennlochs Laden war nicht groß. In einem alten viktorianischen Haus untergebracht, hatte er nicht mehr als ein Schaufenster und eine Tür aufzuweisen.

      Rick Masters ließ sich nicht von dem äußeren Schein täuschen. Die besten Geschäfte waren oft die kleinsten.

      Er stockte, als er die Ladentür erreichte. Sie stand einen Spaltbreit offen.

      Er versetzte der Tür einen leichten Stoß. Hazel Kent hielt sich hinter ihm. Sie hatte Dracula auf dem Arm. Der Hund verhielt sich ganz normal, ein Zeichen, daß es vorläufig keine Bedrohung durch Schwarze Magie gab.

      Über der Tür bimmelte ein melodisches Glockenspiel, doch im Laden rührte sich nichts. Rick blieb einen Moment abwartend stehen. Als sich der Besitzer dann noch immer nicht zeigte, ging er auf eine Tür im Hintergrund des Verkaufsraums zu. Dabei mußte er sich zwischen Standbildern und wertvollen Möbeln hindurchwinden.

      Hinter der offenen Tür lag ein Büro, klein aber kostbar eingerichtet. Und vor dem antiken Schreibtisch lag ein Mann.

      Rick Masters konnte sich erinnern, dieses faltige, blasse und von grauen Haaren umrahmte Gesicht flüchtig bei der Auktion gesehen zu haben. Das mußte George Kennloch sein.

      Rick Masters erkannte jedoch auf den ersten Blick, daß dieser Mann tot war. Er sah auch, woran Kennloch gestorben war. Jemand hatte ihn erwürgt.

      Weiter kam der Geisterdetektiv in seinen Beobachtungen und Überlegungen nicht, da Dracula in diesem Moment den Toten sah und herzzerreißend zu jaulen begann.

      Hazel mußte das Tier hastig ins Freie tragen.

      *

      Rick Masters wollte am Tatort nichts verändern oder berühren. Deshalb verließ er den Laden und setzte sich in seinen Morgan. Hinter der Klappe des Handschuhfaches verbarg sich ein Funkgerät, das auf die Wellenlänge der Polizei eingestellt war.

      Rick rief die Zentrale bei Scotland Yard und meldete den Mord. Mehr brauchte er nicht zu sagen. Wenn er ein Verbrechen anzeigte, kümmerte sich automatisch sein alter Freund und Helfer darum.

      Chefinspektor Kenneth Hemp­shaw!

      Er kam schon zehn Minuten später mit seiner Mordkommission, zu der auch Dr. Sterling gehörte, der alte Polizeiarzt. Dr. Sterling war im Yard zwar sehr beliebt, seiner spitzen Zunge wegen jedoch auch ein wenig gefürchtet.

      Als er aus dem Wagen stieg, schob er seine Brille mit Goldrand und den dicken Gläsern zurecht und strich sich über die weißen Haare.

      »Sie sorgen also wieder einmal dafür, daß uns die Arbeit nicht ausgeht, Rick«, stellte er fest und nickte Hazel Kent grüßend zu. »Ist es einer Ihrer speziellen Fälle?«

      »Das möchte ich auch wissen«, erklang eine dröhnende Stimme. Chef­inspektor Hempshaw schob sich aus seinem Dienstwagen. Sein kantiges Gesicht wirkte grimmig. Hempshaw war ein treuer Freund, der sein weiches Wesen gern hinter einer rauhen Fassade verbarg. »Ist es nicht vielleicht einmal ein gewöhnlicher Mord?«

      Rick zuckte die Schultern. »Ich glaube nicht«, erwiderte er. »Ich kenne den Mörder zwar noch nicht, aber… Sehen Sie es sich doch selbst an.«

      »Genau das habe ich vor!« rief der Chefinspektor und betrat mit weit ausholenden Schritten den Laden. Der Polizeiarzt schloß sich ihm an.

      Zehn Minuten später waren die beiden wieder auf der Straße und überließen das Feld den Spezialisten von der Spurensicherung.

      »Ich kann nichts Außergewöhnliches feststellen«, sagte Chefinspektor Hempshaw und bemühte sich erst gar nicht, seine Erleichterung zu verbergen. »Oder verschweigen Sie uns etwas?« In seinen Augen blitzte Mißtrauen auf.

      Rick Masters berichtete daraufhin von dem seltsamen Verlauf der Versteigerung. Dracula knurrte die ganze Zeit drohend, da zwischen ihm und dem Chefinspektor eine unerklärliche Feindschaft bestand. Hempshaw mochte Hunde, und Dracula war ein friedliches Tier, aber wenn er den Chefinspektor sah, war er kaum zu halten. Mehr als eine