die Nerven. Er schlug mit der Faust auf den Tisch, daß Dracula erschrocken zusammenzuckte und seine zu groß geratenen Ohren aufstellte. »Dieses Miststück hat sich jedesmal gezeigt. Eine auffallend bleiche, altmodisch gekleidete Frau in weiten, wallenden Gewändern. Ich habe sie sogar selbst gesehen.«
Rick starrte seinen neuen Auftraggeber verblüfft an. Es konnte ein Zufall sein, aber der Geisterdetektiv glaubte nicht an ein solches Zusammentreffen.
»Kommen Sie!« rief Rick und sprang auf. »Wir fahren!«
»Und wohin?« erkundigte sich Harold F. Lauderdale zurückhaltend. »Meine Zeit ist begrenzt.«
»Ihre Zeit wird noch viel mehr begrenzt sein, wenn die Mörderin zuschlägt«, antwortete Rick mit einem knappen Grinsen.
»Mörderin?« fragte der Stahlbaron atemlos.
Rick nickte. »Wenn sich mein Verdacht bestätigt, hat sie bereits ein Menschenleben auf dem Gewissen. Kommen Sie endlich, es ist schon viel zuviel Zeit verstrichen.«
*
Sie fuhren zu dem Auktionshaus, in dem Dracula bei dem Gemälde Alarm geschlagen hatte. Rick Masters fragte sich zu dem Auktionator durch und hatte Glück. Der Mann war in seinem Büro.
Rick Masters stellte seinen Begleiter vor und kam auf den Kernpunkt. »Es geht wieder um dieses Bild, das Sie vor vierzehn Tagen an den Kunsthändler Kennloch verkauft haben«, erklärte der Geisterdetektiv. »Haben Sie davon ein Foto?«
Der Auktionator überlegte und nickte nach einer Weile. »Ich glaube, ich kann Ihnen helfen, Mr. Masters«, erwiderte er. »Ich hatte einen Katalog zusammengestellt. Darin müßte eigentlich dieses Bild zu finden sein.«
Er rief seine Sekretärin, und fünf Minuten später starrte Harold F. Lauderdale fassungslos auf den Katalog.
»Das ist sie!« rief er entgeistert. »Das ist…«
»Schon gut!« fiel ihm Rick ins Wort. Er wollte vor dem Auktionator nicht so offen sprechen. »Vielen Dank, Sie haben uns sehr geholfen. Dürfen wir den Katalog behalten?«
Der Mann war mit allem einverstanden und schien froh zu sein, den Geisterdetektiv loszuwerden. Rick zog Lauderdale aus dem Büro und blieb erst stehen, als sie das Freie erreichten.
Lauderdale war in seinem Rolls Royce gekommen. Der Chauffeur riß den Schlag auf, aber Rick winkte ab.
»Sie fahren mit mir!« entschied er. »Lassen Sie Ihren Wagen folgen.«
Es fiel dem mehrfachen Millionär ziemlich schwer, sich in den reichlich unbequemen Sportwagen zu zwängen. Dennoch protestierte er nicht. Er war viel zu gespannt.
»Wieso zeigen Sie mir ein Gemälde der Frau, die die Mordanschläge durchgeführt hat?« fragte Lauderdale verwirrt, als sich der Morgan in Bewegung setzte. »Ich habe sie auf den ersten Blick erkannt.«
Rick ging auf diese Frage nicht direkt ein. »Kennen Sie jemanden in Ihrem Bekanntenkreis oder aus Ihrer Verwandtschaft, der sich mit magischen Formeln, mit Schwarzer Magie, mit Geistern und Dämonen beschäftigt?«
Harold F. Lauderdale verschlug es für einen Moment die Sprache. »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?« rief er endlich wütend. »Ich dachte, Sie wären ein seriöser Privatdetektiv! Nein, natürlich beschäftigt sich niemand aus meinem Bekanntenkreis mit solchem Unfug.«
»Ich bin ein weltweit anerkannter Geisterdetektiv, bei aller Bescheidenheit«, erklärte Rick Masters. »Sie haben auf dem Bild die Frau gesehen, die Ihre Familie ausrotten möchte, wie Sie selbst behaupten. Also gut! Diese Frau kann gar nicht mehr leben, da dieses Bild aus dem achtzehnten Jahrhundert stammt. Wie gefällt Ihnen das?«
»Dann sieht heute eben jemand so aus wie die Frau auf dem Gemälde«, erwiderte der Stahlbaron gereizt.
Rick hatte keine Lust zu langen Erklärungen. »Es wird Ihnen bekannt sein, daß ich einen guten Ruf habe und daß ich auch mit Scotland Yard zusammenarbeite. Sie sind bei mir in guten Händen. Sie können mir den Fall natürlich wieder wegnehmen, aber wenn Sie es nicht tun, stelle ich eine Bedingung. Sie mischen sich nicht in die Art ein, in der ich meine Untersuchung führe.«
»Nein, nein, ich will, daß Sie den Fall behalten«, rief Lauderdale hastig. Er merkte, daß er zu weit gegangen war.
»Dann akzeptieren Sie auch meine Bedingung?« erkundigte sich der Geisterdetektiv.
Lauderdale nickte. »Meinetwegen, ich bin einverstanden. Und nun erklären Sie mir…«
»Nichts werde ich tun!« fiel ihm Rick ins Wort. »Wenn Sie diese mysteriöse Frau wieder sehen, verständigen Sie mich sofort. Wenn ich Ihnen erzähle, was ich weiß, lachen Sie mich höchstens aus. Auf jeden Fall würden Sie mir kein Wort glauben.«
Lauderdale schwieg betroffen. »Stimmt es denn, daß diese Frau schon einen Mord begangen hat?« fragte er nervös.
Rick nickte. »Ich vermute es allerdings, ja. Und nun berichten Sie genau, um welche Art von Anschlägen es sich handelte.«
»Einmal sprang diese Frau vor den Wagen meines Sohnes, der daraufhin das Auto verriß und gegen eine Mauer prallte. Er wurde nur leicht verletzt. Ein andermal stieß sie eine Tante von mir vor die Underground. Sie wurde im letzten Moment gerettet. Der dritte Anschlag richtete sich gegen meine Frau. Die Unbekannte versuchte, sie auf offener Straße zu erwürgen. Nummer vier: Diese Frau stieß einen alten Vetter über eine steile Treppe. Er brach sich beide Beine. Nummer fünf: Ein Wagen mit dieser Frau am Steuer rammte den Wagen meiner Tochter. Leichte Verletzungen. Der Wagen ist Schrott. Nummer sechs: Die Unbekannte schleuderte einen Stein gegen meine Frau. Eine Platzwunde am Kopf. Nummer sieben: Letzte Nacht wachte ich in meinem Schlafzimmer von einem Geräusch auf. Diese Fremde stand vor meinem Bett. Meine Verwandten hatten sie mittlerweile so gut beschrieben, daß ich sie sofort erkannte. Ich ließ mich gedankenschnell aus dem Bett fallen. Sie versuchte, mich zu erwürgen. Als ich laut um Hilfe schrie und meine Angestellten ins Zimmer stürzten, floh sie.«
Das interessierte Rick Masters besonders. »Was heißt, sie floh?« forschte er. »Sie sprang aus dem Fenster, sie lief auf den Korridor hinaus, sie kletterte an der Regenrinne in die Tiefe?«
»Sie stieß meine Leute zur Seite und floh über die Treppe, rannte aus dem Haus und tauchte in den Büschen meines Parks unter.« Harold F. Lauderdale ließ leichte Ungeduld erkennen. Er konnte sich auf Ricks Fragen keinen Reim machen.
»Ich hatte eigentlich gedacht, sie würde sich in Luft auflösen«, murmelte der Geisterdetektiv. »Sehr interessant.«
»Mehr haben Sie dazu nicht zu sagen?« rief der Stahlbaron gereizt.
»Nein«, erwiderte Rick knapp. »Sie haben versprochen, daß Sie sich nicht in meine Methoden einmischen werden. Also tun Sie es auch nicht.«
Zähneknirschend hielt sich Lauderdale daran. Kein einziges Wort fiel mehr, bis sie das riesige Anwesen der Familie Lauderdale erreichten. Es lag in Wimbledon und wurde bei weitem nicht von allen Familienmitgliedern bewohnt. Außer Harold F. Lauderdale und seiner engsten Familie waren nur wenige Angehörige in dem schloßartigen Gebäude untergebracht.
Rick Masters hatte keinen einzigen Blick für das prachtvolle Herrenhaus übrig. Er hörte gellende Schreie, einen Schuß und ohrenbetäubendes Klirren.
Im nächsten Moment tauchte eine bleiche Gestalt im Portal des Manors auf.
Die Unbekannte aus dem Gemälde!
*
»Um Himmels willen, meine Familie!« schrie der Stahlmillionär entsetzt.
Rick Masters handelte gedankenschnell. Er rammte den Fuß auf die Bremse. Hinter ihm kreischten die Reifen des Rolls Royce. Der Chauffeur hatte wohl im letzten Moment reagiert.
Rick griff an Lauderdale vorbei, drückte die Klinke, stieß die Seitentür auf und schob den Millionär reichlich unsanft ins Freie. Lauderdale taumelte von dem Morgan weg.
Rick hatte ihn loswerden wollen, weil er sich auf eine Auseinandersetzung mit