willigte mehr als gerne ein. Endlich sollte er von Angesicht zu Angesicht diesem seltsamen Mann gegenüberstehen, der es bisher so klug verstanden hatte, ihn zu vermeiden.
Es zeigte sich aber, daß Ingenieur Barra sein Zimmer doch schon verlassen hatte und ausgegangen war.
Krag war ebenso überrascht wie ärgerlich, während er fragte, ob man nicht wüßte, wohin er gegangen sei.
»Er hat etwas vom Elektrizitätswerk erwähnt,« erwiderte ein jüngerer Ingenieur.
Der Chef des Geschäftes sah erstaunt den Detektiv an.
»Sollte am Ende gar er der Monteur sein, von dem Sie sprachen?«
Krag nickte und bat, sich das Arbeitszimmer des Ingenieurs Barra ansehen zu dürfen.
»Bitte sehr,« sagte der Chef und öffnete eine Türe »Hier haben Sie seine Höhle. Sie hat zwei Ausgänge.«
Und es zeigte sich, daß der Vogel eben durch den anderen verschwunden war.
Krag blieb eine Weile auf der Schwelle stehen. Das Zimmer war fast dunkel, denn das Fenster nach der Straße war dick übermalt mit Ausnahme eines Vierecks, durch welches eine Lichtsäule in das Zimmer drang.
Krag dachte: Aha! Durch diese Oeffnung hat er mich kommen sehen und ist im rechten Augenblick verduftet.
Der Detektiv trat in das Zimmer, aber prallte sogleich verblüfft zurück. Denn der kleine Raum war nun plötzlich intensiv beleuchtet. Aber sowie der Polizist über die Schwelle zurücktrat, lag das Zimmer wieder im Dunkel da.
Bei seinem Ausruf kamen einige Beamte herbeigelaufen; einige drangen in den dunklen Raum. Da strahlte wieder das Licht aus einem halben Dutzend starker elektrischer Glühlampen.
»Nein, so etwas habe ich noch nicht gesehen,« rief der Chef der Firma. »Da hat ja der gute Ingenieur wieder eine Erfindung gemacht, worin zum Teufel besteht sie nur?«
Krag folgte ihm in Barras Zimmer und sah sich aufmerksam um. Vom Boden bis zur Decke war der Raum mit großen und kleinen Instrumenten in anscheinend chaotischem Durcheinander angefüllt. Außerdem allerhand Krüge, Kolben, Tiegel und Reagenzröhren, sowie Pulver, Mineralien, Säuren – alles, was auf den Arbeitstisch eines Chemikers gehört. Und überdies auf dem Boden, aber jetzt beiseitegeschoben, eine zusammengelegte Reihe Eisenbahnschienen; »im Modell und mit Ausweichgeleisen« mußte es wohl bedeuten, dachte Krag scharf, als er die elektrischen Drähte eines kleinen Akkumulators ihnen entlang laufen sah. Was sollte das bedeuten? Nur ganz unschuldig eine neue elektrische Eisenbahn? Ach nein! Da steckte wohl etwas anderes dahinter. Krag sagte nichts, aber sein Gesicht bekam einen sehr nachdenklichen Ausdruck. All dies lag jetzt von jenem intensiven bläulichen Licht gebadet da, das den Gedanken zum Mondberg dort unten über dem Dörfchen führte.
Unterdessen hatte der Chef der Firma Barras neue Glühlampen untersucht.
»Ich begreife nicht, wie das Licht angezündet und ausgelöscht wird, ohne daß man den Strom durch physische Mittel schließt oder öffnet. Zuerst glaubte ich, eine Leitung zur Schwelle sei der Grund – aber es ist keine zu finden. Wir wollen noch einmal nachsehen!«
Alle verließen das Zimmer und sofort erloschen sämtliche Lampen. Sie traten wieder ein und die Lampen strahlten wie durch einen Zauber augenblicklich.
Einer der Ingenieure hatte unterdessen die Details der Lampen genau untersucht. Er rief jetzt erstaunt:
»Ah! die Sache ist klar! Da ist der menschliche Magnetismus mit Klugheit ausgenützt. Er wirkt augenblicklich auf die feinreagierenden Apparate ein, die Sie hier in den Lampenhaltern angebracht sehen können, meine Herren. Großartig!«
Er zeigte den Anwesenden einige kleine, mit einem schimmernden Fluidum gefüllte Gläschen und einige unendlich feine Drähte, die von hier aus um die Behälter gesponnen waren.
»Ich wußte schon lange,« fügte der Ingenieur hinzu, »daß Barra sich mit einer Art von elektrischem Selbstanzünder für Glühlampen befaßte. Aber daß die Aufgabe schon gelöst war, ahnte ich nicht!«
Der Chef der Firma war über diese Tatsache nicht weniger verblüfft.
»Welche praktische Bedeutung kann denn eine solche Erfindung haben?« fragte Krag mit lebhaftem Interesse.
»Darüber zerbricht sich Barra nicht den Kopf. Für ihn gilt es, die Erfindung zu machen. Dann können die Menschen sie praktizieren, wie sie wollen. Er hat schon viele ähnliche Dinge gemacht. Anscheinend sehen sie nicht nach viel aus, aber sie sind dann doch in aufsehenerregender Weise verwendet worden.«
Wieder im Kontor des Chefs angelangt, bemerkte Krag, daß dieser Barra ein ungewöhnlicher, geradezu genialer Mann sein müsse.
»Absolut,« erwiderte der Chef ernst. »Einer der ersten Elektrotechniker der Gegenwart.«
»Könnten Sie ihm«, fragte Krag langsam, »einen derartigen Geniestreich zutrauen, wie zum Beispiel ganz Christiania in Dunkelheit zu versetzen?«
»Ich würde nur die Absicht nicht verstehen,« erwiderte der Chef mit einem Achselzucken.
Hiermit sah Krag seine Untersuchung für beendet an, er dankte für alle Mitteilungen und ging, um weiter zu suchen, die geheimnisvollen Wege dieses merkwürdigen Ingenieurs zu kreuzen.
V.
Die Gummihandschuhe
Krag suchte seinen Begleiter vom Beginne der Jagd nach Barra auf, den Telegrapheningenieur Holst. Dieser hatte ihm auch nichts Neues mitzuteilen. Seit dem viel besprochenen Vorfall mit den Börsentelegrammen waren die Drähte in ausgezeichneter Ordnung gewesen, und Holst meinte, daß Barra jetzt wohl ganz aus dem Spiele war.
»Warten Sie nur,« sagte der Detektiv mit einem ruhigen Lächeln. »Ihr seid auch noch nicht mit ihm fertig!«
»Was meinen Sie?«
»Ich fange an, einen Sinn in dem Ganzen zu ahnen. Er war es auch, der gestern das Licht in der ganzen Stadt gelöscht hat.«
»Ist das möglich?«
»Er arbeitet nach einem bestimmt entworfenen Plane, indem er jetzt seine Kräfte prüft.«
»Welchem Plan?« fragte Holst erstaunt.
»Ach, Sie wissen, im Dunkeln läßt sich Gold gewinnen, wenn man sich selbst mit Licht- und allen Maschinenkräften betätigen kann. Darum darf man diesen Herrn auch keinen Moment aus dem Auge verlieren,« fügte der Detektiv nachdenklich hinzu.
»Sind Sie ihm hier in Christiania schon begegnet?« fragte Holst.
»Ja, aber bisher hat er mich zu vermeiden gewußt. Ich gehe jetzt ins Elektrizitätswerk, vielleicht kann ich ihn dort treffen und die Waffen kennenlernen, die er in Händen hat. Kommen Sie vielleicht mit?«
Der Telegrapheningenieur war sogleich bereit, sich ihm anzuschließen, und dort angekommen, bat Krag um eine Unterredung mit dem Chef des Werkes.
Als dieser kam, fragte Asbjörn Krag, ob er und sein Freund den Dynamoraum sowie den anstoßenden Raum noch einmal sehen könnten.
»Irgendeine Spur?« fragte der Chef.
»Ich kann noch nichts Bestimmtes sagen,« erwiderte der Detektiv. »Aber vielleicht – bald!«
Der Chef führte ihn selbst herum, wobei Krag scharf alle Arbeiter beobachtete, während er so tat, als wenn er sich lebhaft für die Maschinen interessieren würde. Doch fand er offenbar nicht, was er suchte. Er bat nun um die Erlaubnis, in den höchstgespannten Raum zu gehen, wo Unbefugten sonst nie der Zutritt gestattet war. Der Chef willigte ein und kam der Sicherheit halber selbst mit.
Dort drinnen sah Krag mehrere Arbeiter an den Leitungen beschäftigt und unter ihnen – Ingenieur Barra. Es war kein Zweifel möglich: das kleine rotbärtige Männchen, dessen