Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Staffel 3 – Arztroman


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dauert der Flug ja nicht lange«, sagte Miriam. »Wer hätte mit solchem Nebel rechen können? Wir sind bei strahlendem Sonnenschein abgeflogen, und hier herrschten nach Auskunft doch auch gute Landebedingungen.«

      »Der Nebel kam so plötzlich und überraschend. Das Wetter spielte in diesem Jahr sowieso verrückt. Den Sommer hatten wir im Herbst und bis gestern war es strahlend schön. Richtiges klares Winterwetter. In Rom beginnt schon der Frühling, wie mir Carry am Telefon sagte.«

      »Ich bin von einer Maschine in die andere gestiegen«, sagte Miriam geistesabwesend. »Carry war so still während des Fluges, dass ich sie gar nicht richtig wahrnahm. Jetzt tut es mir leid, dass ich mich nicht schon vorher ein bisschen um sie gekümmert habe.«

      »Sie ist scheu, und Reisebekanntschaften können auch nachteilig sein«, sagte Jonas. »Ich mache auch keine, aber ich bin sehr froh, dass Sie sich Carrys angenommen haben. Sie hat ein Loch in der Herzscheidewand, von Geburt an.«

      Miriam Kopf ruckte empor. Forschend, bestürzt blickte sie den Mann an. »Warum wurde sie nicht operiert?«, fragte sie. »Sie hätten doch wohl die finanziellen Möglichkeiten?«

      Er hörte den Vorwurf aus ihrer Stimme. »Ich hatte kein Verfügungsrecht über meine Tochter«, sagte er rau. »Ich werde es Ihnen erklären, damit Sie mich nicht für einen nachlässigen Vater halten.«

      »Das tue ich nicht. Wären Sie es, würde Carry Sie nicht so lieben.«

      »Ja, es ist ein Wunder, dass sie mich trotz allem liebt«, sagte er verhalten. »Ihre Mutter war Italienerin. Unsere Ehe begann sehr glücklich, obgleich ihre Eltern von Anfang an dagegen waren, dass sie einen Deutschen heiratete. Als das Kind unterwegs war, ging es ihr nicht gut. Wir lebten in München, das Klima bekam ihr nicht.« Er machte eine kleine Pause. »Und ihr Wesen veränderte sich schlagartig. Sie hatte Heimweh. Sie wollte in Rom sein, aber ich konnte hier nicht alles stehen und liegen lassen.« Wieder versank er in Schweigen. Sie schwieg auch.

      »Es ist alles so schwer erklärbar«, sagte Jonas.

      »Sie sind mir keine Erklärung schuldig«, meinte Miriam darauf.

      »Aber Sie sind Ärztin. Sie können nicht begreifen, dass ich für mein Kind nichts getan habe.«

      Tante Hanne trat ein. Sie tat, als hätte sie nicht gehört, was er sagte. Sie stellte einen Weinkrug aus wundervollem rotem Kristall auf den Tisch und die Gläser dazu.

      »Carry möchte dich noch einmal sehen, Jonas«, sagte sie mit ihrer warmen, angenehmen Stimme.

      Er neigte leicht den Kopf. »Entschuldigen Sie mich bitte, Frau Doktor«, sagte er.

      »Aber das ist doch selbstverständlich. Carry ist wichtiger.« Miriam lächelte leicht, doch dieses Lächeln erreichte ihre ernsten, nachdenklichen Augen nicht. Sie fühlte sich wieder von Tante Hanne gemustert, deren Nachnamen sie noch immer nicht wusste. Und so wusste sie auch nicht, wie sie die Ältere anreden sollte. Sie fragte stockend danach.

      »Ach, sagen Sie nur Tante Hanne. Wozu große Umstände machen? Wichtig ist mir, dass Sie Jonas als Vater nicht falsch sehen. Er konnte gegen diesen Clan nicht an. Ich werde Ihnen diese Geschichte aus meiner Sicht erzählen, denn Sie werden hoffentlich einige Tage unser Gast bleiben. Für Jonas ist das alles zu schlimm, weil er in der für ihn wichtigsten Angelegenheit so machtlos war.«

      Sie verstummte, als sie seine Schritte hörte, und wie ein kleines Mädchen legte sie den Finger auf die Lippen.

      Jonas trat ein. »Ich soll Sie in Carrys Namen bitten, bei uns zu wohnen, solange Sie in München bleiben. Ich hoffe sehr, dass Sie uns diese Bitte nicht abschlagen, der ich mich anschließe.«

      »Sie werden ja nicht nur für ein paar Stunden nach München gekommen sein«, sagte Tante Hanne. »Außerdem ist der Wetterbericht schlecht. Ich verstehe ja sowieso nicht, wie man sich in ein solch Ungeheuer setzen kann. Schon mit dem Auto ist es gefährlich genug. Wie denken Sie darüber, Miriam?«

      »Ich fahre nicht mehr«, erwiderte Miriam kaum vernehmbar.

      »Hatten Sie einen Unfall?«, fragte Jonas.

      Unwillkürlich legte Miriam die Hand über ihre Augen, vor denen wieder ein grauenvolles Bild erschien.

      Sie nickte nur und wandte sich ab. Sie war Tante Hanne dankbar, die ablenkend sagte, dass es nun an der Zeit wäre, den Wein zu trinken, da er sonst warm würde.

      »Sie haben Verwandte in München?«, fragte Tante Hanne dann.

      »Nein, eigentlich nur einen Bekannten aus der Studienzeit, Dr. Daniel Norden«, erwiderte Miriam.

      »Dr. Norden? Ein sehr bekannter Arzt«, sagte Tante Hanne. »Ich kenne ihn durch Dr. Behnisch, der mich operiert hat.«

      »Dieter Behnisch?«, fragte Miriam staunend. »Er ist auch in München?«

      »Er hat eine Privatklinik«, erklärte Tante Hanne, »mit einem ausgezeichnetem Ruf.«

      »Wie merkwürdig«, murmelte Miriam. »Wir studierten zur gleichen Zeit. Es ist schon ziemlich lange her. Wie es so ist im Leben, hörten wir dann nichts mehr voneinander.«

      »Nun können Sie sich Zeit lassen, alte Freundschaften wieder aufzufrischen«, meinte Tante Hanne. Sie warf Miriam einen schrägen Blick zu. »Allerdings werden Sie Ihre Studienkollegen als gesetzte Ehemänner wiederfinden.«

      »Umso besser«, sagte sie mit einem Anflug von Humor. »Dann kommt keiner auf den Gedanken, dass ich hier auf Männerjagd gehen will.«

      »So war es von mir auch nicht gemeint«, sagte Tante Hanne. »Ich habe ein besonderes Talent, mich manchmal missverständlich auszudrücken. Tatsächlich nahm ich an, dass auch Sie verheiratet sind.«

      »Nein, das bin ich nicht«, erwiderte Miriam.

      »Auf Ihr Wohl«, warf Jonas ein und hob sein Glas. Miriam trank in kleinen Schlucken. Es war ein köstlicher Wein. Wohlig warm wurde es ihr nach dem dritten Schluck. Die Spannung ließ nach, und die Müdigkeit kam.

      »Es war ein aufregender Tag«, sagte Jonas. »Wir wollen Ihnen Ruhe gönnen. Hoffentlich werden Sie gut schlafen.«

      »Sie werden Carry jetzt operieren lassen?«, fragte sie.

      »So schnell wie möglich.«

      »Von wem?«

      »Von Professor Benten.«

      »Nein!«, entfuhr es Miriam.

      »Warum nicht?«, fragte Jonas bestürzt. »Er ist der prominenteste Herzspezialist.«

      »Ja, der prominenteste«, sagte Miriam schleppend. »Ein glänzender Chirurg, ein Mensch ohne Seele.«

      »Siehst du, das habe ich dir auch gesagt, Jonas«, warf Tante Hanne ein. »Ich lehne ihn auch gefühlsmäßig ab. Gut, dass ich Unterstützung bekomme.«

      »Ich war zu impulsiv. Ich will mich nicht einmischen«, sagte Miriam leise. »Carry ist so überaus sensibel. Sie würde kein Vertrauen zu ihm haben. Das ist meine Meinung.«

      »Wen würden Sie denn vorschlagen?«, fragte Jonas.

      »Vielleicht könnte Dr. Norden da besser raten. Ich war acht Jahre nicht hier.«

      Aber Benten kennt sie, dachte Jonas, doch er stellte keine Fragen. Er sah, dass Miriam sehr müde war, und zudem war ihre Miene jetzt sehr verschlossen.

      »Wir werden noch Gelegenheit haben, uns darüber zu unterhalten«, sagte er ruhig. »Tante Hanne wird Ihnen Ihr Zimmer zeigen. Ich wünsche Ihnen eine sehr gute Nacht.«

      Er küsste ihr die Hand, und als sich ihre Augen für den Bruchteil einer Sekunde trafen, hatte sie das untrügliche Gefühl, einen Freund gefunden zu haben. Es beruhigte sie, dass er nicht erzürnt war über ihre Meinungsäußerung. Benten, ausgerechnet Benten, ging es ihr durch den Sinn, als sie dann in dem wunderschönen Gästezimmer, das auch im bäuerlichen Stil eingerichtet war, ihre müden Glieder in einem frisch duftenden Bett ausstreckte.

      Mit