Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Staffel 3 – Arztroman


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nicht träumen, waren Miriams letzte Gedanken, bevor sie einschlief, denn schöne Träume kannte sie schon lange nicht mehr. Ein herrlicher erquickender Schlaf war ihr in dieser Nacht vergönnt, nach der sie erholt erwachte.

      Sollte es doch noch mal einen neuen Anfang geben? Sollte sie befreit werden von den Höllenqualen, die sie schon beinahe zum Irrsinn getrieben hatten? Konnte es möglich sein, dass sie vergessen durfte, was ihr das Leben wertlos gemacht hatte?

      Es klopfte leise an der Tür, und dann kam Carry herein. Ihr zartes Gesichtchen war rosig überhaucht. Ihre Augen hatten die gleiche Farbe wie die ihres Vaters, wie sie erst jetzt bemerkte, denn gestern waren sie vom Weinen dunkel und glanzlos gewesen.

      »Oh, Miriam, ich hatte Angst, dass du nicht mehr hier sein könntest«, hauchte Carry. »Hast du gut geschlafen?«

      »So gut wie schon lange nicht mehr«, erwiderte Miriam wahrheitsgemäß.

      »Ich auch, ohne böse Träume.«

      Wir haben mancherlei gemeinsam, ging es Miriam durch den Sinn.

      »Gefällt es dir bei uns?«, fragte Carry in ihrer kindlichen Art. »Ist das Haus nicht schön? So habe ich es mir auch immer vorgestellt.«

      »Warst du denn niemals hier, Carry?«, fragte Miriam betroffen.

      »Nein, es war doch nicht möglich. Nonna hätte es nie erlaubt. Sie durfte nur nicht verbieten, dass Papi mich besuchte, aber wenn ich nach Deutschland wollte, hätte ich doch einen Pass gebraucht. Sie hat verhindert, dass ich einen bekam, sie konnte das. Großvater hatte sehr viel Einfluss und sie nach seinem Tod auch.«

      »Und warum ließen sie dich nicht zu deinem Vater?«, fragte Miriam nun doch wie unter einem Zwang.

      »Sie hassten ihn«, stieß Carry hervor. »Sie hassten ihn, als wäre er schuld gewesen an Mamas Tod. Dabei war das doch eigentlich ich. Geliebt haben sie mich auch nicht. Sie wollten nur Papi kränken. Sie wollten ihn demütigen. Ich habe das nie verstanden. Mama und er haben sich doch geliebt. Aber was soll ich darüber reden? Nonna ist tot, und ich darf jetzt immer bei Papi bleiben. Hier werde ich vielleicht auch gesund. Meinst du, dass es möglich ist? Du bist doch Ärztin.«

      »Sicher wirst du ganz gesund, Carry.«

      »Nonna hat gesagt, dass die Ärzte Mama nicht helfen konnten, und mir können sie auch nicht helfen. Sie wollte wohl auch gar nicht, dass ich am Leben bleibe, wenn sie nicht mehr lebt.«

      Eisig rann es Miriam den Rücken herunter. Wie viel haben wir eigentlich noch gemeinsam, dachte sie für sich. Auch in ihrem Leben hatte es einen Menschen gegeben, der sie nicht lebend wissen wollte, weil er sterben musste und weil ihm tatsächlich kein Arzt helfen konnte.

      »Ich will nicht, dass du so ernst schaust«, sagte Carry. »Ich rede und rede und nur über die Vergangenheit, wo die Gegenwart doch so schön ist.«

      »So kann man die Vergangenheit aber am besten bewältigen, mein Liebes«, sagte Miriam warm.

      »Wirst du mir auch mal von deiner Vergangenheit erzählen, was du so erlebt hast?«

      »Später einmal vielleicht«, sagte Miriam. »Ich bin um einiges älter als du, Carry, da hat man schon mehr erlebt und auch Dinge, an die man sich nicht gern erinnert.«

      »Man kann sehr jung sein und doch schon alt, Miriam. Ich war noch niemals richtig Kind.« Wie ernsthaft und wehmütig das klang. »Hier wäre ich viel lieber gewesen. Tante Hanne ist auch sehr nett, nicht wahr? Einmal durfte ich mit ihr und Papi ein paar Tage in Ostia sein. Das konnte Nonna nicht verbieten. Papi hatte da auch jemanden kennengelernt, der ihm half. Einen Richter, einen ganz hohen, der dann auch Nonnas Testament angefochten hat. Aber jetzt wollen wir erst einmal frühstücken. Ich bin schrecklich unhöflich. Papi bleibt doch eigens unseretwegen ein paar Tage ganz daheim.«

      »Deinetwegen, Carry«, sagte Miriam.

      »Deinetwegen doch auch. Du bist ihm ein sehr lieber Gast, das hat er mir gesagt, und Tante Hanne ist sonst auch ziemlich heikel, aber dich mag sie.«

      Sie war zauberhaft natürlich und zutraulich. Wie viel Gemüt musste sie besitzen, da es durch nichts zu zerstören war. Wie innig verbunden mussten Vater und Tochter innerlich sein, das Carry trotz ihres Leidens so glücklich lächeln konnte.

      Es wurde Miriam leicht gemacht sich heimisch zu fühlen. Wie lange war es her, dass dies so gewesen war? Nur flüchtig dachte sie an eine kahle Zelle, in der sie das Fazit eines ruhelosen Lebens gezogen hatte, und einmal war sie doch mit aller Leidenschaft Ärztin geworden, aber es war, als wäre es in einem anderen Leben gewesen.

      Tante Hanne verbreitete Gemütlichkeit und Ruhe, Carry ließ sich von ihr verwöhnen und aß mit großem Appetit die frischen Brötchen.

      »Sie sollen sich bei uns nicht angebunden fühlen, Frau Dr. Perez«, sagte Jonas.

      »Sag Miriam, Papi, Tante Hanne tut es doch auch«, warf Carry ein.

      »Mir wäre eine weniger formelle Anrede auch lieber«, sagte Miriam rasch, denn jedes Mal gab es ihr einen Stich wenn sie mit diesem Titel angesprochen wurde.

      »Ich habe nichts dagegen«, sagte Jonas, »aber dann müssen Sie mich auch weniger förmlich anreden.«

      »Nachher wird mit einem Glas Sekt darauf angestoßen«, sagte Tante Hanne munter. »So gefällt es mir, Kinder. Bei uns auf dem Lande haben wir nicht solche Umstände gemacht.«

      »Tante Hannes Mann war Gutsbesitzer«, sagte Carry erklärend.

      »Bauer, ein richtiger Bauer war er, aber ein guter, und er hatte ein Herz wie Butter. Übrigens heiße ich auch Bauer, damit es gesagt sei, aber wir bleiben bei Tante Hanne.«

      Miriams Gedanken wanderten. Schlicht und natürlich war auch Tante Hanne, obwohl sie gewiss eine gebildete Frau war mit einer angeborenen Vornehmheit und Herzensgüte. Auch Jonas Henneke, mochte er sein, was er wollte, denn über seinen Beruf hatte Miriam ja noch nichts erfahren, hatte diese schlichte Natürlichkeit in seinem Wesen. Wie hatte sich das wohl mit der vornehmen Familie, aus der seine Frau gekommen war, vertragen? Vertragen können, musste sie in Gedanken hinzufügen.

      Schließlich musste diese Familie überaus einflussreich gewesen sein, wenn sie verhindern konnte, dass das Kind nach dem Tode der Mutter zum Vater kam.

      Miriam wagte nicht, Jonas eingehender zu betrachten, aber der erste Eindruck war imponierend genug gewesen. Er hatte einen Charakterkopf und auch jetzt, wohl der Mitte der vierziger Jahre nahe, ein blendend aussehender Mann.

      Nein, nicht im eigentlichen Sinne blendend, berichtigte sich Miriam selbst, denn hinter blendendem Aussehen stand oftmals gar nichts. Jonas hatte ein ungeheuer ausdrucksvolles Gesicht, da ihm nun die Angst nicht mehr in den Augen stand und auf die Stirn geschrieben war.

      »Benutzen Sie das Telefon, so oft Sie wollen, Miriam«, sagte er jetzt. »Aber machen Sie uns die Freude und lassen sich nicht von Ihren Freunden überreden, von uns weg zu ihnen zu ziehen. Carry wäre sehr traurig.«

      »Du darfst es mir nicht antun, Miriam«, sagte Carry. »Oh, wenn du mich doch operieren könntest, es wäre wunderbar.«

      Miriam fiel fast die Tasse aus der Hand. Ihr Herzschlag setzte momentan aus.

      »Ich würde überhaupt keine Angst haben«, sagte Carry lächelnd.

      »Es ist unmöglich, Carry, aber du brauchst keine Angst zu haben. Wir werden den allerbesten Arzt für dich finden, und du wirst ganz schnell ganz gesund werden.«

      »Wie kommt das eigentlich, wenn man so ein Loch hat?«, fragte Carry.

      Jonas’ Miene verdüsterte sich. Miriam sah es. »Es ist öfter der Fall, als man meint«, sagte sie rasch. »In dieser Hinsicht ist der Fortschritt in der Medizin so groß, dass solche Operationen tagtäglich, ich weiß nicht wie oft, in aller Welt ausgeführt werden. Ich werde Dr. Norden fragen, wen er für den besten Herzspezialisten hält.«

      Das sagte sie sehr bestimmt. Jonas warf ihr einen langen, forschenden Blick zu.

      »Hattest