Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Staffel 3 – Arztroman


Скачать книгу

dankbar.«

      *

      Die Telefonnummer der Praxis Dr. Norden war schnell gefunden, aber es kam die Antwort von einem Band, dass die Sprechstunde nachmittags sei. In besonders dringenden Fällen möchte bitte die Privatnummer angerufen werden. Miriam notierte sie automatisch.

      Ausgerechnet sie hatte den Ausnahmefall erwischt, dass auch Loni Enderle nicht in der Praxis war, da sie dringend zum Zahnarzt gemusst hatte. Das war nun ein Gebiet, von dem Dr. Norden wahrhaftig nichts verstand, und er hatte ein Machwort gesprochen, nachdem Loni sich zwei Tage mit Tabletten über die quälenden Schmerzen hinweggeholfen hatte.

      Für Daniel war der Gang zum Zahnarzt auch ein Greuel. Zum Glück musste er ihn nur selten gehen, obgleich sein Kollege Dr. Schröder ein ganz ausgezeichneter Zahnarzt war. Für Loni jedenfalls war es höchste Zeit gewesen, und während sie von ihren Schmerzen befreit wurde, machte Daniel Norden dringende Krankenbesuche. Er hatte ein paar Schwerkranke zu betreuen, die er mehrmals täglich besuchen musste, um Spritzen und Infusionen zu verabreichen. Für Daniel war es immer deprimierend, so machtlos dastehen zu müssen und nichts anderes mehr tun zu können, als Schmerzen zu lindern, wo jede Hoffnung auf Heilung vergeblich war.

      Auch er, wie andere Ärzte auch, stellte sich oftmals die Frage, ob es zu verantworten war, verlöschendes, gequältes Leben mit Medikamenten zu verlängern, denn am meisten hatten die Familien dieser Kranken zu leiden, die diesen schrecklichen Kampf mitansehen mussten.

      Frau Kögler, die selbst nur noch ein Schatten ihrer selbst war, trug ihr Schicksal mit bewundernswerter Haltung. Sie pflegte ihren Mann aufopfernd. Sie versorgte ihren Haushalt und ihre drei Kinder. Schon dreimal war Franz Kögler wochenlang in den verschiedenen Kliniken gewesen bis dann erwiesen war, dass es keine Rettung mehr für ihn gab.

      Vor mehr als einem Jahr war Franz Kögler zum ersten Mal zu Dr. Norden gekommen und nach allen vorhandenen Symptomen hatte Daniel richtig einen Tumor vermutet.

      Er schickte den Patienten zur klinischen Untersuchung, doch der Chefarzt hatte seiner Diagnose widersprochen. Abnützungserscheinungen wären es, hatte er gemeint, und Herr Kögler wurde zur Kur geschickt. Es ging ihm danach etwas besser, und Dr. Norden meinte, dass er sich ja auch geirrt haben könnte. Drei Wochen später wurde er wieder zu seinem Patienten gerufen, und diesmal fühlte er sich verpflichtet, Frau Kögler vorsichtig seine Ansichten mitzuteilen, da er hoffte, dass doch noch eine Operation rettend sein könnte.

      Diesmal wurde Franz Kögler zu Dr. Behnisch gebracht, der seinen Freund Daniel bestätigte, dass es sich tatsächlich um Lungenkrebs handelte. Auch eine sofortige Operation konnte keine Heilung mehr bringen. Die Metastasen hatten sich schon ausgebreitet, fraßen sich durch den noch abwehrbereiten kräftigen Körper des Mannes, dessen Lebenswille ungebrochen war.

      Wie hätte man es ihm sagen sollen, dass es ein vergeblicher Kampf sein würde. Er hätte es nicht begriffen. Er war ja Nichtraucher, er trank kaum, ab und zu mal ein Bier, mal ein Gläschen Wein. Er lebte solide, bewegte sich viel in frischer Luft, arbeitete in seinem geliebten Garten.

      Das Wie, Warum und Woher musste rätselhaft bleiben.

      »Verstehen werde ich es nie«, sagte Frau Kögler leise zu Dr. Norden. Tränen hatte sie schon lange nicht mehr. Leergebrannt waren ihre Augen. »Ich habe die Kinder zu meinen Eltern geschickt, Herr Doktor. Wie lange soll mein Mann sich denn noch so quälen?«

      Ich muss jetzt an sie denken, dachte Dr. Norden. Die Kinder brauchen sie. Ihm ist nicht mehr zu helfen, aber Sterbehilfe leisten durfte er auch nicht.

      »Wäre es nicht besser, wir würden Ihren Mann wieder in die Klinik bringen?«, fragte er.

      »Nein. Die guten Jahre habe ich mit ihm gelebt, und wir waren glücklich. Jetzt will ich bei ihm sein bis zum letzten Atemzug. Ich halte schon durch, Herr Doktor.«

      »Sie müssen auch mal schlafen, Frau Kögler«, sagte Dr. Norden behutsam.

      »Ich lege mich jetzt ein bisschen hin«, erwiderte sie. »Ich weiß jetzt ja, wie lange die Spritze wirkt. Es geht jetzt, weil die Kinder nicht da sind. Sie verstehen es halt auch nicht, Herr Doktor. Wer soll es verstehen …«, ihre Stimme bebte.

      »Uns Ärzten sind leider Grenzen gesetzt«, sagte Daniel heiser.

      »Er war doch ein so guter Mensch«, sagte sie und merkte gar nicht, dass sie schon in der Vergangenheit sprach. »Wenn er jetzt einmal bei Bewusstsein ist, ist er so verändert.«

      »Das bringt diese Krankheit mit sich. Leider. Es tut mir leid, dass ich Ihnen nichts Tröstliches sagen kann.«

      Er wusste genau, was diese Frau nun schon Monate durchmachte, körperlich und seelisch.

      »Sie müssen regelmäßig die Stärkungsmittel nehmen«, ermahnte er sie. »Ich habe Ihnen wieder etwas mitgebracht. Denken Sie auch an sich, an Ihre Kinder. Sie haben so nette Kinder.«

      »Sie werden auch einmal aus dem Hause gehen und dann – nein, ich will nicht jammern«, sagte sie, den Kopf in den Nacken legend. »Ich danke Ihnen, dass Sie immer gleich kommen.«

      Das war nun das Wenigste, was er tun konnte. Am Nachmittag würde er wieder hier sein, wieder eine Spritze geben. Wie oft noch?

      *

      Bei ihm daheim ging es fröhlicher zu. Der kleine Danny sorgte für Heiterkeit. Er war fix auf den Beinen und schwatzte nun auch schon alles nach, wenn manchmal auch nur seine Mami verstand, was er meinte. Aber Danny hatte schon einige Worte, die er sehr kategorisch aussprach. Mami, Papi, Lenni und Fon, womit der das Telefon meinte, und wenn es klingelte, meinte er immer, Opi oder Omi müssten es sein.

      »Fon«, rief er, als es läutete. Fee war gerade auf die Terrasse gegangen, um sich zu überzeugen, ob man heute damit rechnen könnte, dass sich der Nebel lichtete.

      »Omi?«, fragte Danny, als sie den Hörer aufnahm. Sie schüttelte den Kopf, als eine ihr fremde weibliche Stimme an ihr Ohr tönte.

      Miriam Perez? Der Name kam ihr bekannt vor, aber sie wusste nicht sofort, in welche Zeit sie ihn einordnen sollte.

      »Hier spricht Felicitas Norden«, sagte sie. »Mein Mann macht Krankenbesuche. Kann ich ihm etwas ausrichten?«

      Darauf folgte eine Erklärung, der sie voller Spannung lauschte.

      »Da wird Daniel sich freuen«, sagte sie. »Kommen Sie doch gegen zwölf Uhr zu uns, da wird er sicher daheim sein. In der Praxis hat er ja kaum Zeit … Aber nein, mir macht das gar nichts aus. Es wäre nett, wenn Sie mit uns essen würden.«

      So ganz frei von Eifersucht war Fee noch immer nicht, wenn sich ab und zu ein weibliches Wesen in Erinnerung brachte, das eine Rolle in Daniels Vergangenheit gespielt haben mochte, aber ihre Devise war, jeder etwaigen Gefahr ins Auge zu blicken, und sie war schnell bereit, eine Einladung auszusprechen, um ihre Großzügigkeit zu beweisen. Nicht immer zur Freude ihres Mannes, wie sie schon öfter mit Genugtuung bemerken konnte, aber sie wusste dann wenigstens Bescheid, und die paar überaus Anhänglichen, die nicht wahrhaben wollten, dass Daniel ein glücklicher Ehemann war, blieben, eines Besseren belehrt, fern. Fee war sehr diplomatisch, und als Daniel dann kam und sie von Miriams Anruf berichtete, beobachtete sie ihn genau.

      »Miriam? Das ist doch nicht möglich«, sagte er kopfschüttelnd. »Es ging doch das Gerücht, dass sie tödlich verunglückt sei.«

      »Wann?«, fragte Fee aufmerksam.

      »Schon vor Jahren, bevor wir heirateten, Fee. Guter Gott, jetzt interessiert es mich wirklich, wie dieses Gerücht aufkommen konnte. Dieter wird auch überrascht ein. Wir studierten zur gleichen Zeit. So viel ich weiß, war sie zuletzt in Beirut.«

      »Vielleicht ist sie weg von dort, weil die Unruhen sind«, meinte Fee. »Da geht es ja unheimlich zu. Man sollte es nicht für möglich halten, dass manche Menschen Kriege einfach provozieren müssen.«

      »Gerangel hat es zu allen Zeiten gegeben«, sagte Daniel. »Jetzt erfahren wir nur alles. In früheren Zeiten gab es nicht so gute Nachrichtenübermittlungen. Hitzköpfe prallen überall aufeinander, in den Familien, am Arbeitsplatz. Wie